Bibelweg 2014 - Vortrag von Sr. Dr. Katharina Deifel OP
ABRAHAMs Milieu
•Die „Väter- oder Patriarchengeschichten" (Gen 12-50) werden - mittels Genealogien - in eine chronologische Reihenfolge gebracht: ABRAHAM – ISAAK – JAKOB / ISRAEL (ca 1500-1200v. Chr.)
•Die Patriarchen sind Scheiks (halb-)noma-discher Sippen; in ihnen verdichten sich die GOTTESerfahrungen vieler Generationen. Die biblischen Darstellungen spiegeln gut das Milieu wider, nicht aber die historischen Details
Präisraelitische Gruppen wanderten vom Norden (ABRAHAMsgeschichten) und von Süden (MOSEgeschichten) her ein, andere solcher Gruppen waren bereits im Land.
•Grundgemeinsamkeit : Zusammenleben mit den kanaanitischen Stadtstaaten auf relativ engem Raum - eine Zeitlang in einer Art Symbiose (Patriarchenzeit), später aber als Eroberer (Landnahme)
•Die Kanaaniter waren sesshaft, und zwar in Form von Stadtstaaten. Die Präisraeliten waren Halbnomanden und Kleinviehzüchter. Sie waren akephal, d.h. nur die Sippen, nicht aber die Stämme hatten ein gemein-sames Oberhaupt, den Patriarchen.
In diesem Milieu waren viele Nachkommen überlebenswichtig
Polygamie als Polygynie
•BRAM („ein Vater ist erhaben") / später ABRAHAM (Gen 17,5: „ater der Menge") heiratete noch vor seiner Auswanderung seine Halbschwester (Gen 20,12) SARAJ („ürstin"), später SARA („errin"): Da sie lang kinderlos war, gab sie ihm ihre Magd HAGAR („ie Fremde") zur Frau
ISMAEL, der als Stammvater der Araber gilt
•SARA gebiert in hohem Alter ISAAK („OTT lächelt dem Namensträger zu")
•Nach SARAs Tod nimmt ABRAHAM KETURA ("Weihrauch") zur Frau
6 weitere Söhne (Gen 25)
SARAs Verhalten gegenüber HAGAR zwiespältig – sie ist erst durch die Geburt ISAAKS rehabilitiert
•ABRAHAMs Verhalten zwiespältig:- großzügig in der Unbedingtheit seines Glaubens: durch die Annahme der Berufung gibt er seine Vergangenheit und Sicherheitauf (Gen 12, 1-9), durch die Bereitschaft, ISAAK zu opfern, seine Zukunft (Gen 22);- kleinlich in seiner Selbstabsicherung durch das „Ausborgen" seiner Frau an den Pharao
(Gen 12,10-20) und an ABIMELECH (Gen 20,1-18)
Dieses Ausborgen der Frau ist nicht in der Polygynie inkludiert – im spätere Judentum und im Islam ist die „Rücknahme" der Ehefrau, die einem anderen gehörte, sogar streng verboten.
In seiner Lebensgeschichte zeigt sich, dass er überall dort, wo er seiner Berufung untreu wird, dem Segen misstraut und sich selbst absichern will, in Schuld und Schwierigkeiten gerät – und dass er immer dann Glück erlangt, wo er sich auf den Segen verlässt.
Der lange Weg zur Monogamie
•Nachkommenschaft steht so sehr im Vordergrund, dass das AT die Polygynie billigt und das für uns abwegige Sexualverhalten von LOTs Töchtern (Gen 19, 30-38) oder von TAMAR, die ihren Schwiegervater verführt (Gen 38,1-30), nicht tadelt.
•1. Schritt Richtung Monogamie: Hauptfrau – hier SARA
•2. Schritt: Symbolismus matrimonialis ab HOSCHEA
Der neutestamentliche Befund
•JESUS war gegenüber Frauen „verhaltens-auffällig": Sprechen mit Frauen, Berühren von „unreinen" Frauen, Scheidungsverbot, Jüngerinnen, Erstzeugen der Auferstehung.
•PAULUS bemüht sich, die frauenfreundliche Haltung JESU nachzuvollziehen (z.B. Röm 16,1-15) – wird aber gelegentlich von der üblichen zeitgenössischen Einstellung gegenüber Frauen eingeholt.
•Deutero-Paulinen: Sie stammen von PAULUSschülern, die noch weiter von JESUS entfernt waren – sie fielen daher stärker in die patriarchalische Abwertung der Frau zurück – Beispiele: Eph 5,21-25; 1 Tim 2,11-15.
Weitere Entwicklung im Überblick
•MA: Frau nicht nur wegen Fehlinterpretationen der Bibel, sondern vor allem wegen der mangelnden Wehrfähigkeit abgewertet. Gewisse Besserstellung: Witwen, Nonnen, „weise Frauen"
•Beginn der Neuzeit: Beschränkung der Frau auf Familie durch LUTHER, durch Unis: weise Frauen als Hexen be- und verurteilt
•Ab dem 19.Jh. müssen die Frauen der Unterschicht außerhalb der Familie arbeiten – als Mägde, als Dienstmädchen, ab M.d.19.Jhs als Fabriksarbeite-rinnen, doch nur zu 1/3 Lohn der Männer
Prostitution als Massenphänomen. Bürgerliche Frauen hingegen dürfen nur im Haus für die Familie sorgen keine Rechte in der Öffentlichkeit. Entstehung von Frauenvereinen, Forderung nach Gleichberechtigung
Was hat letztlich die von JESUS praktizierte Gleichwertigkeit von Mann und Frau verhindert?
•Die Entwicklung hierarchischer (Macht-) Strukturen
•Der zunehmende Ausschluss von Frauen von Bildung.
•Die Sexualfeindlichkeit, die aus der griechischen Philosophie übernommen wurde (soma - sema) – Frau als bedrohliche Versuchung
Bleibende Aufgabe für die Kirche, für die Gleichwertigkeit - ohne Gleichmacherei – der Frau zu sorgen
Die heutige Verwirrung
Gendermainstreaming:
Die berechtigte Forderung nach Gleichberechtigung (z.B. gleicher Lohn, Zugang zu Unis etc) schlug um in eine Dekonstruktion der Geschlechtspolarität: das natürliche Geschlecht ist ein bloßes Konstrukt, das im Interesse der Freiheit dekonstruiert werden müsse (queer theory: Judith BUTLER, Gender Trouble – Feminism and the Subversion of Identity, 1999) – gefördert durch LGBTI-Organisa-tionen (L=Lesbian, G=gay, B=Bisexual, T=Trans, I=Intersex)