Dritte Aufmerksamkeit gegenüber der Schuldfrage
Die Situation
Zuerst sind zumeist Schuldzuweisungen vorherrschend, später machen sich Schuldgefühle breit. Verletzungen werden bewusst oder aber verdrängt. Jedenfalls bedarf es der Differenzierung: Wer fühlt sich schuldig? - Wer ist schuldig? Subjektive Wahrnehmung rechtfertigt nicht schuldhafte Reaktion darauf bzw. schuldhaftes Handeln. Vielfach geht es um Verantwortung der eigenen Handlungsweise und um die Wahrnehmung der Verletzung des anderen Partners durch diese Handlungsweise.
Die Fragestellung lautet daher: Wofür übernehme ich die Verantwortung an der zerbrochenen Ehe? Wo ist es geboten - unter der Berücksichtigung der emotionalen Prozesshaftigkeit eines Trennungs- und Scheidungsablaufes -mich um Versöhnung mit dem Expartner/ der Expartnerin zu bemühen?
Ist so eine Bereitschaft gegeben, hängt es wiederum von der Reife des Gegenüber (Expartners) ab, ob dann auch eine „Versöhnung mit Verantwortung" gelingt. ( Vor allem gegenüber den Kindern aber auch im Umgang miteinander in der erforderlichen Distanz).
Die (Nicht-) Bereitschaft des Expartners zu einem versöhnlichen Miteinander kann aber auf eine auf Zukunft ausgerichtete pastorale Handlungsweise nur sekundären Einfluss haben. Wichtig ist die Begleitung des konkreten Gesprächspartners in die geplante für ihn bessere Zukunft.
Diese Begleitung soll so gestaltet werden, dass die betroffenen Menschen Mut bekommen, mitsamt ihrer Lebensgeschichte mit Brüchen zu leben, eventuelle Schuld aufzuarbeiten und Schritte zur Versöhnung mit der Vergangenheit zu setzen. Ein wertschätzender Abschied von der früheren Ehe ist innerlich notwendig - erst wenn die Vergangenheit gelten darf, kann auch die Gegenwart gedeihen und eine gute Zukunft gelebt werden.
Stellungnahme einer Betroffenen
Ich glaube, man kann nicht so einfach sagen, wer schuld ist - abgesehen von der Tatsache, dass ich jahrelang betrogen worden bin.
Schon davor kam es zu Entfremdung, Desinteresse an Dingen, die dem Partner wichtig waren, Alltagsroutine, Kommunikationsproblemen, einem „Auseinanderentwickeln". Ich habe mich geistig und geistlich in einem anderen Tempo als mein Mann weiter entwickelt und so sind wir schon länger auf zwei Wegen unterwegs und diese Wege gehen in unterschiedliche Richtungen.
Kann man dafür einem von beiden die Schuld geben, ich glaube nicht.
„Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein." (Joh J /I)
Ein wichtiger Prozess war für mich, die eigene Rolle zu überdenken und weg von der Opferrolle zu kommen. Empfinde ich mich als Opfer, dann blockiere ich mich selbst in meinen Handlungen, bin wie gelähmt und nicht fähig, Entscheidungen zu treffen.
Die Opferrolle zwängt mich in ein Korsett der Passivität. Als ich das erkannt hatte, konnte ich mich von dieser Rolle verabschieden.
Zur Vorbereitung
Es gibt Brüche im Leben. Verschuldet und teilverschuldet. Der Wirklichkeit in die Augen schauen, sie zu erfassen suchen, die Schuldfrage hintan stellen. Schuld ist eine Erfahrung im Leben des Menschen: Versagen, Überforderung, Bagatellisierung... Es gibt Schuldverflochtenheit.
Fragestellungen
• Ist die Schuldgeschichte aufgearbeitet?
• Herrscht Hass, Anklage, Schuldzuweisung?
• Gibt es eine bewusste Missachtung des Eheversprechens?
• Welche Schuldzuweisungen/Verletzungen gab es gegenseitig?
• Was wurde mir zugemutet, zugetraut?
• Habe ich mich zur Wehr gesetzt? Wie? Oder zurückgezogen, geflüchtet, zugedeckt?
• Bin ich zu mir selbst nicht ehrlich gewesen?
• Gibt es Chancen im Zerbrechen einer Beziehung?
• Haben wir beide an unserer Beziehung gearbeitet oder es nicht für nötig erachtet?
• Wurde mir ein Priestergespräch angeboten?
Daraus ergibt sich
Wunden verlangen nach Heilung! Es braucht Zeit zur Beobachtung des Umgangs mit Schuld und die Bereitschaft, sowohl der ganzen Wirklichkeit in die Augen zu schauen als auch zum Kompromiss.
Den Glauben als Möglichkeit der Versöhnung vorstellen. Die Hoffnung stärken, dass Gott Schuld und Sünde vergibt. Die Versöhnung aus dem Glauben wird möglich.