Zweckmäßige Strukturen
Die Frage nach zweckmäßigen Pfarrstrukturen ist erst dann zu stellen, wenn man Gewissheit hat, wozu sie denn gut sein sollen. Wozu sind unsere Pfarren da? Unser Erzbischof besteht darauf, dass wir uns nicht um diese grundlegende Frage herumschummeln: Als Christen sind wir erstens für die Verkündigung der Frohen Botschaft da ("Mission first"), besonders zu denen, die Jesus Christus noch kaum kennen, und zweitens täglich neu aufgefordert, Ihn – Jesus – noch besser kennenzulernen ("Jüngerschaft") und an uns selbst heranzulassen, jeder für sich und wir gemeinsam.
Größerer Einheiten UND zugleich Präsenz vor Ort
Zweckmäßig erscheinen dafür die Strukturen größerer Einheiten, die zugleich (!) Präsenz vor Ort ermöglichen. In unserem Vikariat gehen wir dafür zunächst den Weg der Bildung von großen Pfarrverbänden.
In meinem Referat beim Vikariatstag der Pfarrgemeinderäte in Großrußbach am 6.9.2014, das Ihnen inzwischen per Mail schriftlich zugegangen ist, habe ich ausführlich dargestellt und begründet, worum es geht. Darum hier nur Stichworte:
Inhaltliche Eckpfeiler der Leitlinien vom September 2012:
- Mehr an Zusammenarbeit
- Ja zu größeren Einheiten UND Präsenz vor Ort
Worin besteht der erhoffte Mehrwert:
- Zusammenarbeit ist anziehend: Priester untereinander, Priester, Diakone und Laien, alle im Team miteinander, Haupt-und Ehrenamtliche, …
- Attraktivere Angebote für die Gläubigen im größeren Raum, um der wachsenden Un-terschiedlichkeit der Menschen besser gerecht zu werden.
- Lokale Präsenz: Was vor Ort geleistet werden kann, soll auch vor Ort erhalten bleiben!
Als Kirche leben wir eingebettet in eine Gesellschaft, die sich rasant verändert. Wir sind zugleich Teil von ihr, als auch ihr gegenüberstehend. So gibt es z.B. für jede Gemeinde in NÖ eine Prognose über die Bevölkerungsentwicklung in den nächsten 20 Jahren: Ballungsräume werden wachsen, gut an Wien angebundene Regionen werden Zuzug erleben, die anderen weitere Abwanderung. Als Kirche sollen wir nicht jede Entwicklung mitmachen, aber wir müssen auf sie reagieren, weil sich die Lebensgewohnheiten der Menschen ändern. Und für sie ist Kirche ja da – oder sollte es zumindest sein.
- Viele Menschen vereinzeln und vereinsamen in unserer modernen Welt trotz aller Kommunikationsmittel. Priester, die gerne miteinander beten, arbeiten, essen und einen Teil ihres Lebens teilen, können sehr anziehend auf Menschen wirken, denen gerade das fehlt. Und das gilt nicht nur für Priester, sondern für alle, die in der Kirche Verantwortung tragen: Menschen, die sich miteinander gut verstehen, ziehen andere an. („Seht, wie sie einander lieben“, hieß es über die Christen in der jungen Kirche.)
- Heute ist unsere Gesellschaft viel unterschiedlicher als früher. Seinerzeit gab es we-sentlich mehr Pflicht- und Standesbewusstsein, heute gibt es enorme Wahlmöglichkeiten. So sind die Menschen auch viel unterschiedlicher als früher. In größeren Räumen können wir dieser Unterschiedlichkeit, d.h. den unterschiedlichen Bedürfnissen von Menschen besser gerecht werden. Es muss ja nicht jede Pfarre alles anbieten, Schwerpunktsetzungen sind ge-sucht. So können Menschen z.B. wählen, in welcher Art und Ausrichtung von Chor sie mit-singen wollen, welchen sie hören wollen und welche Art von liturgischer Gestaltung sie anspricht.
- Die Sorge darum, dass die Kirche den Menschen nahe bleibt, ist in Ihren Rückmeldungen unüberhörbar. Menschen wollen Beheimatung vor Ort. Menschliche Beziehungen sind tatsächlich durch nichts ersetzbar. Daher ist es wichtig, dass es auch in Zukunft in jeder kleinen Pfarre verantwortliche Bezugspersonen gibt. Unsere „Weinviertler Tradition“ kommt uns da zugute.
Das Prinzip des Lebens in größeren Einheiten bei gleichzeitiger Präsenz vor Ort klingt im ersten Moment wie ein Widerspruch, und doch ist es der katholischen Kirche eingestiftet: Sie realisiert sich immer als beides: als Weltkirche, die lokal erfahrbar ist. So gesehen haben wir als Katholiken bereits Erfahrung mit diesem Spannungsfeld.
In den neuen Strukturen müssen das Subsidiaritätsprinzip und das Solidaritätsprinzip gelten:
- Das Subsidiaritätsprinzip besagt, dass jede kleine Einheit all das selbst tun soll, was sie tun kann. Man darf ihr nicht dreinreden und sie nicht entmündigen. Das gilt für Familien genauso wie für kleine Pfarren.
- Das Solidaritätsprinzip besagt, dass man die kleine Einheit dort nicht im Stich lassen darf, wo sie sich selbst nicht helfen kann. Da müssen dann alle zusammenhalten und die übergeord-nete Ebene muss für eine gerechte Unterstützung sorgen.
Ein Beispiel: Einer Pfarre darf man nicht in die Art und Weise ihrer Erstkommunion- und Firmvorbereitung dreinreden (solange sie inhaltlich und pädagogisch nicht bedenklich ist), das darf sie selbst gestalten – Subsidiaritätsprinzip. Wenn sich aber nicht genügend Helfer und Helferinnen finden, ist das nicht einfach „nur ihre Sache“, sondern Nachbarpfarren, Dekanat und Vikariat sind aufgefordert zu überlegen, wie man die Pfarre unterstützen kann, damit der notwendige Dienst gewährleistet bleibt – Solidaritätsprinzip. Oder: Jede Pfarre kann einen Kirchenchor (oder auch mehrere) entsprechend ihren Möglich-keiten und Erfordernissen haben – Subsidiaritätsprinzip. Falls es in einer Pfarre aber keinen Chor gibt, ist es doch selbstverständlich, dass Gesangsinteressierte im Chor einer Nachbarpfarre Aufnahme finden – Solidaritätsprinzip.
Wir brauchen daher beides: Präsenz vor Ort UND größere Räume.
Pfarrverband
Neben einigen positiven Rückmeldungen zum Thema Pfarrverband (meist wurde die Zusammenarbeit in bestehenden Pfarrverbänden ausdrücklich gelobt) gab es auch ein paar Stimmen, die hier noch einige Fragen offen sehen. So ärgerte jemanden, dass es keine kirchenrechtliche Verbindlichkeit für Pfarrverbände gibt, oder es wird eingemahnt, dass die Vorarbeiten der Dechanten und die Erfahrungen zu diesem Thema ernstgenommen und weiterentwickelt werden sollen. Das wird durch die Erstellung einer neuen Pfarrverbandsordnung aufgegriffen, die derzeit von unserem vikariatlichen Fachausschuss Gemeindeentwicklung basierend auf ebendiesen Erfahrungen und Vorarbeiten erarbeitet wird. Kritisiert wurde, dass derzeit unter dem Titel „Pfarrverband“ sehr verschiedene Formen pfarrlicher Kooperation existieren: Wir haben Pfarren, die einfach von ein und demselben Pfarrer geleitet werden, und formell errichtete Verbände; wir haben solche mit nur einem Priester und solche mit vielen. Eine neue PVB-Ordnung wird uns zu etwas mehr Vergleichbarkeit helfen.
Viele Rückmeldungen lassen sich auch unter der Überschrift zusammenfassen: „Am Land ist es anders!“ Das stimmt, und deshalb haben wir bei uns im Vikariat Nord auch nicht mit den-selben Vorgaben gearbeitet, wie sie etwa in Wien im Dekanat 10 gegolten haben.
Was die spätere Bildung von "Pfarre Neu" betrifft, lässt unser Erzbischof keinen Zweifel da-ran, dass es auch bei uns zu Pfarrfusionen kommen wird. Ich hoffe, dass das nur dort ge-schieht, wo es die Bereitschaft der betroffenen Pfarren dafür gibt.
Findung der Einheiten von unten
In vielen Ihrer Wortmeldung bei den PGR-Treffen und darüber hinaus ist die Sorge zu spüren nicht gefragt zu werden, bei Entscheidungen, die sie betreffen, nicht beteiligt zu werden. Das Anliegen ist absolut berechtigt, und ich bin als Bischofsvikar froh und dankbar, dass es Menschen gibt, die Mitsorge und Mitverantwortung tragen und in den regionalen Details viel präziser Bescheid wissen als ich das je könnte. Sie kennen sich mit den gewohnten Lebensräumen der Menschen vor Ort aus. Aus diesem Grund ist es mir wichtig, wirklich von jeder Pfarre eine schriftliche Rückmeldung, ein Votum bzgl. künftiger größerer Einheiten zu erhalten. So möchte ich vermeiden, dass später der Verdacht entsteht, es sei über die Köpfe der Betroffenen hinwegentschieden worden. Ich ersuche Sie, in Ihre Überlegungen auch „Au-ßenstehende“ und „Querdenker“ einzubeziehen: Damit meine ich wohlmeinende Interessierte, die aber nicht Mitglied des PGR und nicht unbedingt Sonntgskirchgänger sind: Das könnten vor allem politische Verantwortungsträger, junge Menschen und „Arme“ (in welcher Hinsicht auch immer) sein. Bitte hören Sie auf die Stimme der Armen!
Geld
„Jeder jammert ums Geld!“ lese ich auf einem (roten) Rückmeldungskärtchen. Wenn das so ist, schauen wir in die falsche Richtung, nur auf uns und nicht auf Christus. Klar ist aber auch, dass wir uns die weitere Entwicklung der Kirche in der Diözese finanziell leisten können müssen. Auch dazu soll der Erneuerungsprozess eine Hilfe sein, denn mit ihm wird transparenter, für welche Prioritäten es in Zukunft finanzielle Mittel geben wird: vor allem für eine missionarische Kirche.
Manche von Ihnen mahnen zu Recht, dass nicht nur bei den Pfarren gespart werden darf. Auch in den Dienststellen der Erzdiözese laufen schon länger deutlich spürbare Sparmaßnahmen. Die besondere Herausforderung besteht darin, einerseits zu sparen und anderseits für die Durchführung der Diözesanreform neue zusätzliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Natürlich könnten die Diözese oder auch die Pfarren Liegenschaften veräußern, aber das geht nur einmal und stellt keine nachhaltige finanzielle Konsolidierung dar.
Die Frage des Kirchenbeitragssystems stellt sich auch in dem Zusammenhang. Ja, unser der-zeitiges Finanzierungsmodell ist in vieler Hinsicht problematisch. Schnell ist es aber nicht zu ändern, und ich erinnere daran, dass die Kirche für zahlreiche Arbeitsplätze Verantwortung trägt.
Was die Pfarren betrifft, bin ich zuversichtlich, dass auch in Zukunft eine große Bereitschaft bestehen wird, die Kirche im Ort zu pflegen und zu erhalten. Mehr Sorgen mache ich mir um die Pfarrhöfe und -räumlichkeiten, für die die Spendenbereitschaft deutlich geringer ist. Und doch braucht jede Pfarre auch Räume fürs Gemeinschaftsleben.
Manche von Ihnen warnen vor unterm Strich höheren Kosten. Vor der Einführung großer Pfarrverbände oder gar von „Pfarre Neu“ soll man jedenfalls gut prüfen, was die Reformen kosten und was sie bringen. Ich bin ein Freund gediegener Kalkulation und wohlbedachten Handelns. Überstürztes und unüberlegtes Agieren kommt meist teuer.
Allerdings müssen wir festhalten: Es gibt keinen direkten finanziellen Gewinn aus der Strukturentwicklung hin zu größeren Einheiten. Finanziellen Gewinn zu machen ist ja auch nicht Ziel der Kirche. Allerdings sind wir durch die Bildung größerer Einheiten besser gerüstet für Einsparungen, die uns aufgrund der zu erwartenden Entwicklungen treffen werden: Noch weniger hauptamtliches Personal, weniger Priester, Gebäude, die nicht mehr erhalten wer-den können. Das ist in einer größeren Einheit besser „aufzufangen“ als in kleinen Einhei-ten/Pfarren.
Kommunikation im Prozess
Der Erneuerungsprozess in seinen groben Zügen scheint inzwischen in allen Pfarren bekannt zu sein. Über den genauen Weg besteht noch in vielem Unklarheit. Das liegt auch daran, dass er nicht in allen Details geplant ist – unser Weg entsteht im Gehen. Das hat den Vorteil, auf Anforderungen konkret reagieren zu können, aber natürlich den Nachteil, dass ich Ihnen nicht alles genau sagen kann – nicht, weil es geheim wäre, sondern eben, weil es sich erst ergeben wird.
Manche sagen, der Prozess geht ihnen zu schnell, anderen ist er zu langsam. Ich denke, wenn wir beide Rückmeldungen bekommen, sind wir wahrscheinlich ganz gut unterwegs. Wichtig ist, dass der Weg mit den Beteiligten und nicht über ihre Köpfe hinweg gegangen wird. Das erreichen wir dadurch, dass die Dekanate und Pfarren möglichst intensiv in der Planung beteiligt werden.
Seit unseren PGR-Treffen im Herbst 2013 habe ich mich um eine Kommunikationsoffensive bemüht, weil viele einen diesbezüglichen Mangel beklagt hatten. Auf den Treffen haben Pastoralamtsleiterin Dr. Veronika Prüller-Jagenteufel und ich uns um klare Information für Sie bemüht, Ihre Anliegen versuchte ich in den darauffolgenden Monaten durch meine Antwortmails aufzugreifen und zu beantworten. Als Beitrag zur verstärkten Kommunikation gab es im letzten Arbeitsjahr Treffen mit PGRs, Ordensoberen, Priestern, Diakonen, Pastoralas-sistent/innen und Jugendverantwortlichen. Die Mitarbeiter der Pastoralen Strukturentwicklung sind in Ihren Dekanaten unterwegs und bieten Begleitung und Information an. Alle 16 Dekanate haben sich unter der Leitung ihres Dechants um Treffen und die Planung künftiger großer Einheiten bemüht und mich darüber informiert. Am Vikariatstag Anfang September 2014 hatten wir die Möglichkeit über einen Zwischenstand zu kommunizieren. Ich gebe nun den Dechanten und Vikariatsräten meine Rückmeldung und ersuche sie, mit Ihnen offene Fragen zu bearbeiten.
Bis Jänner 2015 möchten wir so weit sein, dem Erzbischof und der Diözesanleitung einen tragfähigen Vorschlag für die künftige räumliche Neuordnung unseres Vikariates zu präsentieren. Danach soll es Rückmeldung der Diözesanleitung bis Ende Juni 2015 geben und ein Zeitplan für die Umsetzungen erstellt werden. Sie sollen gut begleitet sein und werden deshalb zeitversetzt stattfinden.
Gefahr und Chance
Die größte und eigentliche Gefahr orte ich zur Zeit nicht in der Bedrohung durch Strukturveränderung, sondern ganz woanders: in der „Jesusvergessenheit“.
Wir laufen tatsächlich Gefahr, uns mit allem Möglichen zu beschäftigen und darüber den gegenwärtigen Herrn zu vergessen. Das gilt für Pfarren und Gemeinden, Geweihte und Laien, Haupt- und Ehrenamtliche: Da gibt es manche, denen geht es um die reibungslose Organisation des Pfarrlebens, anderen um die „Sache Jesu“ (unter der jeder etwas anderes versteht), anderen um Brauchtumspflege und Kulturerhalt, anderen um das Erleben von Gemeinschaft, wieder anderen ums Kirchenrecht, und manchen schlicht und einfach um sich selbst.
Bitte prüfen Sie Ihren Bereich, Ihre Pfarre: Geht es um Jesus, um seine Person? Oder geht es inzwischen de facto nicht längst um anderes? Und wenn es nicht um Jesus geht, so stellen Sie das ehrlich miteinander fest. Ich glaube, das ist das wesentliche Thema, die notwendige Umkehr, von der alles andere abhängt.
Umgekehrt kann ich in der gegenwärtigen Situation auch eine Chance erkennen: Es könnte ja passieren, dass Gott uns durch die Krise, die wir durchmachen, dazu bringt, uns wieder stärker mit Ihm zu beschäftigen, weil wir selbst nicht weiter wissen.
Wenn das so ist, mache ich mir um die Kirche keine Sorgen.
Ein kleine Anregung für diesen Perspektivenwechsel könnte das Bibelteilen sein, das ich Ihnen so wie im letzten Herbst ans Herz lege: Bitte nehmen Sie sich doch in diesem Winter wieder Zeit dafür. Vor allem im PGR, aber auch in Runden oder Gruppen nach Ihrem Ermes-sen. Einen Textbehelf finden Sie als weiteren Anhang dieser Aussendung.
Im Bewusstsein gemeinsam im Dienst des Herrn und Seiner geliebten Menschen zu stehen, grüße ich Sie herzlich und in Dankbarkeit,
Ihr Bischofsvikar
+ Stephan Turnovszky
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Vielen von Ihnen haben sich dazu geäußert, viele mit Sorge über die gegenwärtige Situation und über die Zukunft. Angesprochen wurden die Frage der Vielfalt der Formen gottesdienstlicher Feiern, die Sonntagsliturgie (Messe oder Wort-GottesFeier / mit oder ohne Kommunionspendung), die Beteiligung von Laien an der Leitung von Gottesdiensten, die Frage von Qualität liturgischen Feierns u.a.m. Der große Umfang und die Tiefe der von Ihnen aufgeworfenen Fragen veranlassen mich dazu, umfassend und grundsätzlich zu beginnen.
Was ist Gottesdienst?
Ich habe den Eindruck, dass es dazu recht unterschiedliche Auffassungen gibt. Wenn wir uns jedoch darüber nicht einig sind, hat es keinen Sinn über die Details von Liturgie zu sprechen.
Ich meine, Gottesdienste dienen dazu, in der Form der Feier auszudrücken, dass der Mensch letztlich alles Gott verdankt. Die Größe des Menschen besteht darin, dass er um dieses Geschenk ahnend weiß und darauf antworten kann. Christliche Gottesdienste dienen insbesondere dazu, das Paradoxe (= das, was auf den ersten Blick widersprüchlich wirkt, es aber nicht ist) des Lebens auszudrücken, wie zum Beispiel gleichzeitige Größe und Kleinheit des Menschen, die Verkündigung des dreieinen Gottes, die gleichzeitige Gottheit und Menschheit Jesu Christi, Jesu Scheitern und Sieg am Kreuz. Dieses Heilshandeln Gottes wird in der Liturgie nicht nur dankbar bedacht, sondern vergegenwärtigt, Gott ist am Werk (vor allem bei der Feier der Sakramente), hier und jetzt. („Gottes Dienst“ am Menschen…)
Im Gottesdienst geht es somit um die ganz großen Themen des Lebens, und wenn das nicht in berührender Weise erfahrbar wird, wirkt er belehrend, steril oder banal.
Eine besondere Form des Gottesdienstes ist die heilige Messe oder Eucharistiefeier, in der wir nach der Betrachtung der Heiligen Schrift die Hingabe Jesu Christi, seinen Tod und seine Auferstehung in der Art feiern, die Er uns beim Letzten Abendmahl hinterlassen hat und in der Er sakramental leibhaftig gegenwärtig ist und sich verwandelnd schenkt.
Die Motivation für das Feiern des Gottesdienstes
In unseren Sonntagsmessen haben wir – etwas vereinfachend- zwei Personengruppen vertreten, die sich durch die Motivation ihrer Mitfeier stark unterscheiden: Die einen (meist die älteren) sind volkskirchlich beheimatet, die anderen (meist die jüngeren) nicht mehr. Die ersteren sprechen von „Sonntagspflicht“, die letzteren stellen die Frage: „Was bringt mir die Mitfeier der Sonntagsmesse?“ Das sind zwei ganz verschiedenartige Zugänge, die jede ihre Stärken und Schwächen haben. Schauen wir kurz genauer hin:
Die Sonntagspflicht
Vielen unserer älteren Christen ist die Erfüllung der Sonntagspflicht ein heiliges Anliegen.
Die Stärke der Rede von Pflicht liegt darin, dass Menschen bereit sind, sich zu überwinden und verlässlich ihre Beiträge zu leisten. Man kann sich darauf verlassen, dass sie am Sonntag da sind, sie sind verbindlich, unabhängig von Lust und Laune. Wir kennen das dankbar von vielen Menschen in unserem Vikariat! Ihnen ist es wichtig, sich demütig in den großen Strom betender Menschen in der katholischen Kirche einzureihen im Bewusstsein, dass das gut für ihr Seelenheil ist. Sie legen in der Liturgie daher Wert auf erprobte, traditionelle Formen.
Die Gefahr für die Pflichtbewussten besteht in einer oberflächlichen Pflichterfüllung, nicht dem Sinn, sondern nur der äußeren Form nach (“Dienst nach Vorschrift“). Das würde dann im Blick auf die Sonntagsmesse bedeuten, dass es weniger auf ihren Inhalt ankommt, als auf zwei wesentliche Anforderungen: Sie muss gültig sein und soll nicht länger als nötig dauern, d.h. möglichst kurz sein. Im Extremfall hat die Erledigung der Sonntagspflicht nichts mehr mit Themen des eigenen Lebens zu tun.
Inspiration
Andere, meist die Jüngeren, stellen die Frage, was sie davon haben, was es ihnen bringt, wenn sie die hl. Messe mitfeiern. Die Stärke dieser Frage besteht darin, sich mit dem Sinn des Gottesdienstes auseinanderzusetzen und einen Bezug zum eigenen Leben herzustellen. Diese Menschen haben den Anspruch, durch die Liturgie berührt zu werden. Sie suchen inspirierende Gottesdienste, nach denen sie die Kirche anders verlassen, als sie sie betreten haben. Sie erwarten eine Predigt, die sie anspricht, einen gepflegten, wohlriechenden Kirchenraum, qualitätsvolle Musik ihrer Geschmacksrichtung, hilfreiche Erklärungen, aktuelle Fürbitten, verständliche Texte und Zeiten der Stille fürs persönliche Gebet. Die Frage der Dauer der Messe ist für sie zweitrangig, wenn sie nur berührt werden.
Die Gefahr besteht ebenfalls in einem oberflächlichen Verständnis, diesmal im Sinn von: „Habe ich gerade Lust auf Kirche oder nicht?“ Es wird dann nicht hinterfragt, was langfristig fürs spirituelle Wachstum gut ist, sondern gewählt wird, was Spaß macht. Kirche soll Wohl-befinden schenken und die Liturgie ein Erlebnis, ein Event sein, um noch zu interessieren. Die Reduktion auf Emotionalität und auf Erfahrung von Gemeinschaft ist die Folge. Auch das ist im Extremfall gefährlich.
Machen Sie sich nun bitte bewusst, dass wir in jeder unserer Pfarren Personen aus beiden Gruppen haben. Und dann noch jeweils in der reifen und in der oberflächlichen Ausformung und in Spielformen dazwischen. Das ist der Grund, warum es so schwierig ist, für alle ansprechende Gottesdienste zu gestalten.
Die Qualität der Gottesdienste
Wie soll man nun bei derartig unterschiedlichen Erwartungen von Qualität sprechen können? Dem einen gefällt dies, dem anderen jenes. Nicht wenige Menschen in unserem Vikariat fahren gezielt zu „ihrer Messe“, bei der sie sich wohl und angesprochen fühlen. Das ist auch recht so. Zugleich stellen wir fest, dass dort, wo Liturgie mit besonderer Aufmerksamkeit gefeiert wird, das Interesse für sie steigt. Worin besteht das Geheimnis?
Mir scheint, es gibt zwei Aspekte, die sich in jeder Liturgie wiederfinden, die Menschen als ansprechend empfinden und schätzen: die Kraft des Ritus und die Authentizität.
Die Kraft des Ritus
Die Stärke unserer katholischen Liturgie besteht in ihren Riten. Wir haben „starke Zeichen“, die ohne große Erklärungen für sich selbst sprechen. Denken Sie an die Kreuzverehrung am Karfreitag, an das Hereintragen der Osterkerze in die dunkle Kirche in der Osternacht, an die Taufkerze, an die Chrisamsalbung bei der Firmung, die Riten der Trauung und des Begräbnis-ses, an die Gewänder, das Weihwasser, Bücher und Kerzen, die wir in unseren Gottesdiensten verwenden, natürlich auch an Brot und Wein. Am stärksten wirkt es immer, wenn diese Zeichen ernstgenommen und damit „zum Sprechen“ gebracht werden. Schade ist es, wenn die Zeichen wenig berücksichtigt werden, da verkümmert die Liturgie und verliert an Span-nung. Das ist z.B. der Fall, wenn die Feier der Osternacht (entgegen den liturgischen Bestimmungen) vor Einbruch der Dunkelheit beginnt und man nicht erleben kann, wie stark die einzige Flamme der Osterkerze in der stockdunklen Kirche leuchtet. Oder wenn die Erstkommunionvorbereitungen unter einem selbst erfundenen Motto wie „Biene“, „Sonne“ oder „Fischernetz“ steht, wo wir doch bereits ein äußerst eindrucksvolles Erstkommunionthema haben: Es lautet „Jesus Christus - gegenwärtig in Brot und Wein“.
Bitte vertrauen Sie dem Ritus. Er ist mehr als erprobt, er ist über Jahrhunderte geläutert und in ihm steckt eine eigene Kraft. Gottesdienste zu gestalten heißt, diese Kraft zu entfalten und zur Geltung zu bringen. Wohlgemeinte Ritusverbesserungen haben meist etwas Banales an sich.
Aber das bloße korrekte „Abfeiern“des Ritus reicht auch nicht, es braucht etwas Zweites:
Die Authentizität des Feierns
Damit meine ich den mit dem Herzen erfüllten Ritus. (Andernsfalls kann er sogar Kälte und Distanz vermitteln.)
Diese Authentizität (=mit ganzem Herzen dabei sein) betrifft vor allem den Vorsteher der Feier, aber nicht nur ihn. Für den Vorsteher (bzw. bei nicht eucharistischen Gottesdiensten auch die Vorsteherin) ist es wichtig, gut vorbereitet zu sein, d.h. vor allem gebetet zu haben, damit das Herz bei Gott ist und nicht bei eigenen Eitelkeiten. (Nichts ist unangenehmer als jemand, der in erster Linie gefallen will und auf „Applaus“ aus ist.) Für die Feier ist von zent-raler Bedeutung, dass der Vorsteher nicht sich selbst inszeniert, sondern hinter dem Ge-heimnis zurücktritt. Der Liturge muss meinen, was er gerade tut. (Im schlechten Fall ist es so, dass er nicht meint, was er tut, sondern tut, was er halt gerade meint, und damit seine Lust und Laune in den Vordergrund stellt.)
Natürlich ist es wichtig, dass der Priester vernünftig Deutsch kann. Aber noch wichtiger ist die Sprache seines Herzens. Einem Priester, der die Seinen spürbar liebt, verzeiht man viel an mangelnder Sprachkenntnis.
Für alle Mitfeiernden ist Authentizität ebenfalls wichtig: Mit dem Herzen dabei sein bei dem, was gerade geschieht (= in der Gegenwart sein), meinen, was man gerade tut. Hilfen dafür können sein: Eine kurze Stille nach „Lasset uns beten“, damit jeder auch wirklich beten kann. Fürbitten, die eigens aktuell formuliert wurden, ebenfalls mit kleiner Stille vor den Antwor-ten. Ich freue mich immer, wenn es kurze Einleitungen zu den Schriftlesungen gibt, die den Menschen beim Zuhören des Vorgetragenen helfen. Wichtig sind sorgfältig gewählte Lieder: Liedauswahl bedeutet, lange vor Feiern des Gottesdienstes einen Liedplan zu erstellen, der passende (!) Lieder vorsieht. (Gloria und Sanctus haben eigene geprägte Gebetstexte, sind also nicht einfach nur beliebige Loblieder. Die gezielte Auswahl der Strophen nach ihrem Text gehört ebenfalls zur Liedvorbereitung.) Leider sehe ich so oft Menschen, die nicht mit-singen und es auch gar nicht versuchen (Liederbuch nicht geöffnet).
Wie oft erlebe ich Rollenträger (Priester und Laien!), bei denen ich mich frage, ob sie wirklich meinen (und wissen), was sie gerade tun: Unvorbereitet wirkende Lektoren im Umgang mit der Heiligen Schrift, völlig unaktuelle oder unpassende Fürbitten, Ahnungslosigkeit im Umgang mit Weihrauch, unehrfürchtiger Umgang mit konsekrierten Hostien, sebstverständliches Kommunionspenden von Hostien aus dem Tabernakel statt Konsekration von annä-hernd benötigt vielen Hostien und vor allem Gemeinden, die im Gottesdienst viel zu viel sitzen, als würden die Menschen nicht selbst beten, sondern bloß ihrem Pfarrer bei seinem Beten zuhören.
Zur authentischen Liturgie gehört schießlich auch die Echtheit der äußeren Zeichen: Echte Blumen wirken ganz anders als solche aus Plastik (Jemand von Ihnen schrieb auf ein gelbes Kärtchen: „Wer Plastikblumen in die Kirche stellt, kann sich auch Schaufensterpuppen in die Kirchenstühle setzen.“), echte Kerzen, die abbrennen, stärker als die mit Flüssigwachs, Gewänder aus natürlichen Qualitätsstoffen ansprechender als solche aus Synthetiktextilien. Wie werden die Geräte für den Gottesdienst gepflegt (und damit als Sakralgegenstände ernst genommen)? Sind die Weihwasserbecken sauber, „appetitlich“ und gefüllt, sodass man gerne hineingreift und damit „Wasser des Lebens“ assoziiert? Ist die Kirche geputzt? Wie riecht es im Kirchenraum? Sind die Gebetsbücher in Ordnung?
Abschließend sei festgehalten: Wo beides ernstgenommen wird, wo würdevoll UND herzlich (mit ganzem Herzen) gefeiert wird, da werden Gottesdienste ansprechend. Viele von Ihnen haben beklagt, dass es so oft Schlagseiten gibt: Manche Priester feiern dem Ritus gemäß, aber kühl und distanziert, sodass kein Funke überspringt. Andere feiern herzlich, aber dafür vom Ritus entfernt, und damit beliebig und möglicherweise selbstbezogen. Beides ist problematisch.
Die Vielfalt der Gottesdienstformen
Die Eucharistiefeier (Hl. Messe) ist die wichtigste Gottesdienstform, die wir haben. Das gilt besonders für die Sonntagsmesse. Aber sie ist nicht die einzige. Die Kirche kennt seit Anbe-ginn eine Vielzahl von Gottesdienstformen für unterschiedliche Situationen und „Anlässe“. Kreuzwege und Maiandachten sind uns vertraut, der Segen am Sonntagnachmittag ist noch da und dort präsent, aber am Verschwinden. Das in Gemeinschaft gefeierte Stundengebet (v.a. Laudes/Morgenlob, Vesper/Abendlob), das ja nicht den Klerikern vorbehalten ist, ist in den Pfarren über viele Jahrhunderte in Vergessenheit geraten, wird aber in einigen Gemeinden seit Jahren wieder regelmäßig gepflegt. Dazu kommen neue Formen, wie z.B. die Wort-Gottes-Feier, Segensgottesdienste (z.B. am Valentinstag), etc. Ich halte es für wichtig, den ganzen Reichtum der Liturgie zu entfalten, es muss ja nicht zu jeder Gelegenheit gleich eine Messe sein. Der Sonntag als Tag der Auferstehung ist mit der Feier der Hl. Messe verbunden. Nur wo dies nicht möglich ist, kann es stattdessen eine Wort-Gottes-Feier geben.
Die Vorsteher der Gottesdienste (Priester / Diakon / Laien)
Es ist klar, dass nur der geweihte Priester der Eucharistiefeier vorsteht. Tauffeiern und Trau-ungen werden auch von Diakonen geleitet. Auch Laien, d.h. Getaufte und Gefirmte können Gottesdienste leiten. Sie tun das im privaten Rahmen (z.B. die Feier am heiligen Abend in der Familie), können es aber auch mit Beauftragung in der Gemeinde tun. Wir haben dankens-werterweise viele Frauen und Männer mit qualifizierten Ausbildungen: Krankenkommunionhelfer/innen feiern am Krankenbett mit den Menschen Gottesdienst, Leiter/innen von Wort-Gottes-Feiern stehen Gemeindegottesdiensten vor. Wir haben im Vikariat auch Männer und Frauen (!), die Begräbnisse leiten. Ihnen allen danke ich von Herzen für ihre Dienste!
Mitunter sehe ich ein Problem darin, dass gut ausgebildete Leiter/innen von Wort-Gottes-Feiern in ihrer Pfarre selten zum Einsatz kommen und daher nicht in Übung bleiben. Was kann man dagegen tun? Nicht sinnvoll ist es, wenn der anwesende Priester bewusst auf die Feier der Sonntagsmesse verzichtet, damit der Laie drankommt. Alle Priester sollen für die Sonntagsmessen dem Volk Gottes zur Verfügung stehen. Sehr sinnvoll hingegen ist es, werktags Angebote zu setzen, auch wenn diese (noch) nicht so stark in Anspruch genommen werden. Im Vikariat müssen wir acht geben, dass wir nicht zu viele Leiter/innen von Wort-Gottes-Feiern ausbilden, weil sie verständlicherweise frustriert sind, wenn sie nach langer Ausbildung nicht eingesetzt werden. Aus diesem Grund bin ich gegen eine allzu forcierte Ausbildung und für eine wohldosierte. Das verhindert Unzufriedenheit.
Ich überhöre nicht die Klagen, die immer wieder zu mir dringen, dass wir mehr Kurse für die Ausbildung von Leiter/innen von Wort-Gottes-Feiern bräuchten. Bei einem PGR-Treffen wurde deutlich gesagt, dass das eben das beste Angebot zur Vertiefung für Interessierte ist. Aus diesem Grund denke ich über die Schaffung eines spirituellen Vertiefungskurses für Fortgeschrittene nach, der aber nicht zugleich ein Wortgottesdienstleiter/innen-Kurs sein muss, denn derzeit haben wir mehr Leiter/innen von Wort-Gottes-Feiern als wir einsetzen können. (Gilt für das Vikariat, aber nicht für jede einzelne Pfarre.) Mir schweben Angebote vor wie Bibelschule, Glaubenskurs, Exerzitien im Alltag o.ä. Vielleicht haben Sie Ideen, was in dieser Hinsicht gebraucht wird. Ich bin sehr dankbar zu erfahren, was Sie als Interessierte wünschen!
Der Sonntagsgottesdienst
„Wie können Menschen am Tag des Herrn den Gottesdienst feiern, wenn keine Eucharistie-feier in ihrer Kirche angeboten wird?“ das ist die Frage, die ganz viele unter Ihnen bewegt.
Manche votieren dafür, Fahrtengemeinschaften zu bilden und in eine benachbarte Pfarre zu fahren. Es gibt gute Gegenargumente, aber auch solche, die ich für vordergründig halte. So z.B. wenn die Rede davon ist, dass alte Menschen den Gottesdienst in unmittelbarer Reichweite haben müssen. Das entspricht einfach nicht der Realität, denn sehr viele ältere Menschen in unserem Vikariat fahren de facto mit dem Auto zur Kirche, sei es aus Bequemlich-keit oder aus Gebrechlichkeit (Kirche am Hügel, Wohnort am Ortsrand oder im Filialort, in dem es nie eine Sonntagsmesse gab). Es gibt aber auch stichhaltige Gegenargumente: Keine Pfarrkirche soll am Sonntag „verwaist“, d.h. ohne Gebet sein. Das kann ich nachvollziehen, auch dass sich Menschen am Sonntag gerne zum Gebet in ihrer Kirche treffen.
Völlig haltlos sind die Gerüchte, dass es durch die Strukturreform weniger Messen geben wird. Die Zahl der Sonntagsmessen hängt einzig und alleine an der Zahl der Priester. Sie wer-den auch in Zukunft am Sonntag nicht konzelebrieren, sondern in möglichst vielen Kirchen die hl. Messe feiern. Ein Priester soll maximal eine Vorabendmesse und zwei Sonntagsmessen feiern, aber nicht mehr. (Dafür sollten die beiden Sonntagsmessen mindestens 1½ Stunden nacheinander beginnen, damit der Priester vorher und nachher Zeit für Begegnungen hat). Solidarische Haltung zwischen den Pfarren ist daher gefordert!
Wo keine Sonntagsmesse möglich ist, kann es Wort-Gottes-Feiern geben. Die Entscheidung darüber liegt derzeit beim Pfarrer, der sich in dieser gewichtigen Frage mit dem PGR beraten muss. Falls man am Sonntag eine Wort-Gottes-Feier hält, ist es wichtig, dass sie sich im Ablauf deutlich (!) von einer Sonntagsmesse unterscheidet. Abzulehnen sind Feiern, die der Sonntagsmesse angeglichen sind und nur das Hochgebet auslassen. (Daher die Bezeichnung „Kleine Messe“ im Volksmund, die zum Ausdruck bringt, dass die Unterscheidung zu wenig klar ist.) Ich erinnere daran, dass die Benutzung des Werkbuches für Wort-Gottes-Feiern (Wort-Gottes-Feier. Werkbuch für die Sonn- und Festtage. Herausgegeben von den Liturgischen Instituten Deutschlands und Österreichs im Auftrag der Deutschen Bi-schofskonferenz, der Österreichischen Bischofskonferenz und des Erzbischofs von Luxemburg, Trier (2004). http://www.wortgottesfeier.de/) verpflichtend ist. Zur Frage der Kleidung in priesterlosen Gottesdiensten: Diakone tragen Albe oder Talar und Rochett mit Diakonenstola (keine Dalmatik), Laien können eine Albe tragen oder eine dem Dienst angemessene andere Kleidung („Sonntagskleidung“). Der frei gelassene Vorstehersitz (Priestersitz, Sessio) kann auch einen Unterschied zur Sonntagsmes-se sichtbar machen.
Umstritten ist die Frage der Kommunionspendung innerhalb der sonntäglichen Wort-Gottes-Feier. Was dagegen spricht: Vor allem, dass das Wort Gottes eine eigene Würde hat, die eben in dieser Feier besonders zur Geltung kommt. Weiters, dass der Zusammenhang von Kommunionempfang und Eucharistiefeier nicht klar und deutlich hervortritt. Was dafür spricht: dass viele Gläubige ein Verlangen nach der heiligen Kommunion haben und dass durch den Kommunionempfang wenigstens implizit ein Bezug der Gläubigen zur Sonn-tagseucharistie hergestellt wird.
Unser Erzbischof hat bis jetzt keine verpflichtende Linie vorgegeben, deshalb gibt es mehrere Modelle nebeneinander. Das mag verwirrend sein, hat aber den Vorteil, dass man beobachten kann, was sich bewährt.
Meine Einstellung ist so: Ich möchte, dass möglichst in allen Pfarren am Sonntag die Eucha-ristie gefeiert wird. Wenn das nicht möglich ist, überlasse ich den Pfarrern mit ihren PGRs, ihre Form zu finden. Falls sie sich zur Wort-Gottes-Feier mit Kommunionspendung entschlie-ßen, ist es nicht nur wichtig, dass das Werkbuch für Wort-Gottes-Feiern als Ritusbuch ver-wendet wird, sondern auch dass sich die Liturgie klar von der hl. Messe unterscheidet und dass der Zusammenhang von Kommunionempfang und Eucharistiefeier hergestellt wird. Das kann z.B. dadurch geschehen, dass man vor dem Kommunionempfang eine Zeit der eucharistischen Anbetung hält, die der Betrachtung des eucharistischen Geschehens (Tod und
Auferstehung Jesu) gewidmet ist; oder dadurch, dass konsekrierte Hostien von der Messfeier einer benachbarten Gemeinde gebracht werden.
Innerhalb des Diözesanen Erneuerungsprozesses wird die Frage nach der liturgischen Feier am Sonntag sehr wichtig genommen. Derzeit laufen dazu Studien, später soll es einmal eine diözesane Rahmenordnung geben. Das ist aber alles noch in Ausarbeitung.
Die Liebe als Maßstab des Gottesdienstes
Manchmal sagen mir Menschen: „Es ist im Sinne Jesu, dass wir mit dem Auto etwas weiter fahren, aber zur hl. Messe.“ Andere sagen: „Es ist im Sinne Jesu, dass wir uns vor Ort am Sonntag zum Gebet versammeln, auch wenn kein Priester bei uns sein kann.“ Was ist nun der Wille Jesu? Jesus, willst du, dass wir mit dem Auto etwas weiter fahren, wenn keine Sonntagsmesse bei uns ist oder, dass wir uns in unserem Dorf zum Gebet versammeln?
Ich ahne auch nur, was der Herr wohl will, und ich ahne dieses: dass wir einander darüber nicht verteufeln, sondern einander ertragen, wenn einer es so und der andere es anders macht! Solange wir nur leidenschaftlich mit Jesus und Seiner Kirche (d.h. auch untereinander) verbunden bleiben!
Ich bin davon überzeugt, dass die Erneuerung von einem vertieften Miteinander kommen wird: Vor allem mit Gott, weiters Priester miteinander, Priester mit Laien, Hauptamtliche mit Ehrenamtlichen usw.
Um die Zusammenarbeit von Priestern und Laien zu fördern, haben wir die „Aktion 2+1“ gegründet: Für Weiterbildungsangebote im Vikariat gibt es Anreize und Vergünstigungen für alle Pfarren, die durch ihren Pfarrer und zwei weitere Personen vertreten sind. Damit (und mit anderen Initiativen) soll das Miteinander gefördert werden. Denn die Qualität unserer Gottesdienste bemisst sich letztlich an unserem Umgang miteinander. Deshalb hat Jesus beim Letzten Abendmahl den Aposteln die Füße gewaschen, bevor er ihnen das Brot brach.
Ich danke allen, die sich um ein liebevolles Miteinander im Vikariat mühen, ganz besonders im Umfeld unserer Gottesdienste!
Ihr Bischofsvikar
+ Stephan Turnovszky
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Berufungspastoral
Auch dieser Aspekt wurde angesprochen, und wir bemühen uns in der Erzdiözese um eine engagierte Berufungspastoral, die gerade auch unserem Erzbischof ein großes Anliegen ist. Er feiert selbst monatliche „Berufungsmessen“ (Wien, 2. Bezirk), zu denen vor allem junge Menschen, aber auch alle Suchenden eingeladen sind. Weiters gibt es einen Priester als diözesanen „Berufungsseelsorger“ (Mag. Franz Bierbaumer), und ich selbst möchte mich ab Herbst verstärkt dem Thema im Vikariat widmen. Der wichtigste Ort der Berufungspastoral bleibt jedoch die Familie und die Gemeinschaft der Glaubenden.
Trotz aller Bemühungen rechnen wir damit, dass wir wohl in den nächsten Jahren weniger eigenen Priesterzuwachs haben werden als Priester wegen Alters ausscheiden.
Inkulturation ausländischer Priester
Aus diesem Grund sind wir darauf angewiesen, dass Priester aus anderen Ländern zu uns kommen. Ich danke allen Mitbrüdern, die ihre Heimat auf Grund eines Rufes des Herrn verlassen haben um bei uns priesterlich zu dienen! Eine Herausforderung stellt dabei die Inkulturation dar. Viele Ihrer Wortmeldungen beklagen mangelnde Deutsch- oder Mentalitätskenntnisse mancher Priester aus dem Ausland. Ich kann dazu nur sagen, dass wir uns mit den diözesanen Sprach- und Inkulturationsprogrammen, die es gibt, redlich bemühen und bereits viel Gutes auf die Beine gestellt haben. (Unter dem Stichwort „Interkulturelle Akademie für Priester (IKAP)“ bieten wir Sprachkurse, Rhetorikausbildung, Einführung in die Diözesangeschichte, die österreichische Mentalität und die Arbeit mit Pfarrgemeinderäten u.v.a.m. an.) Vielleicht fehlt noch eine gezielte Vorbereitung und Begleitung der betreffenden Pfarren.
Priesterverteilung innerhalb der Diözese
Zurecht wird die Verteilung der Priester zwischen den Vikariaten angesprochen. Wir im Norden sind sicherlich nicht begünstigt… Ich spreche daher dieses Thema immer wieder innerhalb der Diözesanleitung an.
Immer öfter haben wir im Vikariat Priester, die auch eine Aufgabe in Wien haben. (Beispiele: der erwähnte Kaplan Bierbaumer, die Pfarrer von Aspersdorf und Mailberg, der Kaplan von Großweikersdorf) Meist sind sie Freitag bis Sonntag am Land und unter der Woche in der Großstadt. Das Pendeln gehört zur Realität unseres Vikariates und macht auch vor unseren Priestern nicht Halt. Ich schätze, dass ihre Anzahl steigen wird, was nicht bedeutet, dass Priester unter der Woche bei uns im Vikariat nichts zu tun hätten! Wir werden immer Vollzeitpriester in unserem Vikariat brauchen und haben!
Zulassungsbedingungen zum Weihepriestertum
Verständlicherweise werden die Fragen nach den Zulassungsbedingungen thematisiert. Ich heiße es auch gut, dass die Kirche darüber laut und leise nachdenkt. Eine so gewichtige Frage ist derzeit an die Leitung der röm.-kath. Kirche gebunden, das respektiere ich voll und ganz um der Einheit der Kirche willen. Papst Franziskus hat uns im Ad-Limina Gespräch gesagt, dass er selbst und die Kirche in der Frage der „Viri probati“ (Weihe geeigneter verheirateter Männer) für eine Entscheidung derzeit nicht klar genug sehen. Das heißt, dass wir innerhalb der Vorgaben, die wir jetzt haben, weiterhin zurechtkommen müssen. Meine Aufgabe als Bischofsvikar besteht genau darin realitätsnah zu planen, also innerhalb des vorgegebenen Rahmens.
Und selbst für Befürworter der Ausweitung der Zulassungsbedingungen (auf Verheiratete und/oder Frauen), bleiben die wesentlichen Fragen die gleichen: Was ist die Sendung der Kirche? Was ist meine Sendung als Getaufter und Gefirmter? Was ist die Aufgabe des geweihten Amtes? Und ganz banal: Wie können wir Hauptamtliche finanzieren?
Qualität priesterlichen Wirkens
Zusätzlich sei hier angemerkt, dass eine Erhöhung der Zahl der Priester nicht automatisch die Qualität der Pastoral hebt. Zu diesem Thema gab es auch einige Kommentare von Ihnen. Mangelnde Kompetenzen mancher Priester machen Ihnen – und auch mir – immer wieder Sorgen. Durch Entwicklung von „Qualitätssicherung“ in der Seelsorge“ versucht die Diözesanleitung hier (in Bezug auf alle Hauptamtlichen) entgegenzusteuern. Schwierig ist, dass es sehr unterschiedliche Vorstellungen von „guter Seelsorge“ im Volk Gottes gibt.
Gemeinschaft unter Priestern
Für die Zukunft ist ein verstärktes Zusammenwirken und mehr Gemeinschaft unter den Priestern angezielt. Es wird für viele Priester eine Herausforderung und einen Wechsel von Lebensgewohnheiten bedeuten, sich darauf einzulassen. „Vita Communis“ (= gemeinsames Leben) wird verschiedene Formen kennen: Das kann in einigen Fällen durchaus heißen, dass Priester in einen großen Pfarrhof „zusammenziehen“. Beispiele dafür gibt es bei uns im Vikariat (abgesehen von den Ordenshäusern) bereits in Stockerau und in Laa an der Thaya. Aber auch andere Formen werden möglich sein. Wesentlich ist, dass sich die Priester regelmäßig zum Gebet treffen, wöchentlich für eine Arbeitsbesprechung, oft miteinander essen und damit ihr Leben teilen. Was soll das bringen? Den Priestern Freude und gegenseitige Unterstützung, den Gläubigen (und den weniger Gläubigen auch) das nonverbale Zeugnis des Dreifaltigen Gottes: „Einheit in Vielfalt“! Das ist doch unser christliches Programm schlechthin, deshalb hat Jesus auch die Zwölf um sich gesammelt, die 72 zu zweit (!) ausgesandt und Menschen in die reale Gemeinschaft mit sich und seinem Vater geführt. In einer individualisierten Ego-Gesellschaft Unverheirateter ist der Zölibat isolierter Single-Priester immer schlechter als prophetisches Zeichen zu verstehen, gelungenes Zusammenleben auch Zölibatärer hingegen wird die Menschen immer stärker anregen und faszinieren, weit über die klösterliche Form hinaus. Gemeinschaft ist anziehend.
Voraussetzung für ein Gelingen ist dabei der Verzicht auf Zwang oder gar Gewalt. Damit lässt sich nichts erreichen. Ich setze viel lieber auf ermutigende Anreize und anziehende Beispiele. Ganz sicher wird der angezielte Kulturwechsel generationenlang dauern und viele mögliche neue Formen kennen.
Damit reagieren wir auch auf viele Ihrer Sorgen, die sie bezüglich der Einsamkeit von Priestern und der Qualität ihres geistlichen Lebens geäußert haben.
Unter den Priestern eines Pfarrverbandes soll es einen leitenden geben. Das bedeutet auch, dass alle anderen von der Pfarrleitung entlastet sind und sich stärker als bisher der Seelsorge entsprechend ihren Begabungen zuwenden können.
Priester vor Ort
Viele Rückmeldungen äußern die Sorge, dass in Gemeinden ohne Priester vor Ort die Seelsorge erlöschen könnte. Auf Grund dieser sehr berechtigten Sorge brauchen wir zweierlei:
- Getaufte und Gefirmte („Laien“), die die Seelsorge vor Ort als Ansprechpersonen mittragen. (Darüber habe ich in meinen letzten beiden Ausführungen geschrieben.)
- Geweihte Priester, die den Menschen nahe sind und auf sie zugehen, auch wenn sie selbst nicht im Dorf wohnen.
Ich höre die Angst vieler, dass „unser“ Priester (Pfarrer) in Zukunft in größeren Einheiten nicht mehr nahe genug bei den Menschen sein könnte, um seine Aufgabe als Seelsorger wahrzunehmen. Natürlich wäre es wünschenswert, dass wir viele Priester nahe bei der Bevölkerung haben. Und doch erlebe ich in sehr vielen Pfarren, in denen kein Priester vor Ort wohnt, eine sehr herzliche, selbstverständliche und lebendige Verbindung mit ihm. (Leider bei weitem nicht in allen derartigen Pfarren. Umgekehrt ist die Tatsache, dass ein Priester in der Pfarre wohnt, noch keine Garantie für seine Menschennähe.)
Wie es gelingen kann
Ich äußere hier zwei Bitten, eine an die Priester, eine an die ihnen Anvertrauten (die Gläubigen in den Pfarren). Ich tue das aus persönlicher Überzeugung und als Reaktion auf das, was Sie mir nach den PGR-Treffen rückgemeldet haben:
Erreichbarkeit der Priester
Liebe Priester!
Das Wichtigste in eurem Dienst ist, dass ihr Verbindung zu Gott und zu den Menschen habt! Die Verbindung zum dreifaltigen Gott wird durch das geistliche Leben genährt. Wie steht es darum? Ich ermutige einen jeden von euch, einmal im Jahr Exerzitien zu machen, monatlich einen geistlichen Wüstentag und jeden Tag zusätzlich zur täglichen heiligen Messe und dem Stundengebet eine gediegene Zeit des stillen Gebets zu halten. Ich weiß um die Not, einen guten geistlichen Begleiter zu finden und bitte euch, danach auf der Suche zu bleiben (bei der Suche bin ich auch gerne behilflich.) Ich lege euch die regelmäßige Beichte ans Herz. Und ich verspreche euch mein eigenes Bemühen in all dem, damit ich von euch nicht mehr verlange als ich selbst zu leben versuche.
Die Verbindung zu den Menschen macht mir bei manchen von euch Sorgen. Allzu oft höre ich: „Unsern Pfarrer erreicht man nicht, wir wissen nicht, wo er immer ist.“ Bitte, geht auf die Menschen zu, lebt unter ihnen, gebt eure Handynummern weiter (am besten allen, aber zumindest den Pfarrgemeinderäten), damit Menschen euch in dringenden Fällen erreichen können, sorgt für funktionierende Anrufbeantworter, beteiligt euch am Leben der Menschen, damit ihr mit ihnen „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst“ teilen könnt. Dazu gehört auch die Mühe des Delegierens, die Interesse, Rückfragen, Befähigung und wiederholte Erklärungen bedeutet. Dazu gehört weiters ganz wesentlich, die Namen der Gläubigen zu kennen. Ich bitte euch um Fleiß, die eine Form der Hingabe ist. Ich möchte nicht, dass die Priester ausbrennen, aber ich möchte, dass sie brennen.
Ich danke allen anderssprachigen Mitbrüdern, die sich um die Perfektionierung der deutschen Sprache mühen. Ich ahne, wie anstrengend das ist, daher danke ich euch ausdrücklich dafür! Ich fasse zusammen:
- Ein Priester ohne lebendige Beziehung zum dreifaltigen Gott ist uninteressant.
- Ein Priester ohne lebendige Beziehung zu den Menschen bleibt unfruchtbar.
- Wir brauchen zugleich gottvolle und menschennahe Priester!
Wertschätzung der Priester
Liebe getaufte Brüder und Schwestern – liebe Laien!
Ich höre zwar oft, dass Menschen Sehnsucht nach einem Priester (vor Ort) haben, aber ich frage mich, ob die Priester, diese Sehnsucht der Gläubigen auch erleben. Bitte sagt euren Priestern nicht nur, dass ihr sie schätzt, sondern nehmt ihren Dienst in Anspruch. Ein Priester freut sich, wenn er als Priester gebraucht wird: Ich denke an den Besuch der Gottesdienste (Werktagsmessen…), an die Beichtgelegenheiten, lasst euch von Priestern segnen, bittet die Priester für euch zu beten, ruft sie (rechtzeitig) zu Versehgängen, bittet sie um geistliche Gespräche. Priester müssen erleben, dass sie als Priester gebraucht sind.
Hingegen erleben unsere Geistlichen allzu oft, dass sie als Aufputz gewollt sind. Mitunter wird auf Priester Druck ausgeübt, damit sie bei der Geburtstagsjause anwesend sind oder beim Feuerwehrfest. Auch erlebe ich immer wieder, dass Priester in Dorfstreitigkeiten vereinnahmt werden. So wichtig es ist, dass Priester den Menschen nahe sind, sosehr ist es doch auch zu respektieren, dass priesterlicher Dienst Grenzen hat: inhaltliche und auch in Bezug auf Kraft und Zeit des Priesters. Hier gilt es klug zu unterscheiden, wo der Priester als Priester gebraucht wird. Das sollte Priorität haben.
Dankbar bin ich allen Gläubigen, die einem Priester Heimat geben, ihn selbstlos einladen, wahrnehmen, wenn es ihm nicht gut geht, und sich für ihn als Mensch interessieren.
Selten, aber doch, höre ich Stimmen, die meinen, es ginge auch (oder besser) ganz ohne Priester. Dem muss ich widersprechen. Kirche ohne Priester kann es nicht geben, denn der Dienst des Priesters besteht darin, dass er der Gemeinde das vermittelt, was sie sich nicht selbst geben kann, sondern was ihr von Gott her unverdient zukommt. Dafür steht der Priester in der Pfarre. So sind z.B. Wortgottes-Feiern am Sonntag kein gleichwertiger Ersatz für die Eucharistiefeier. Sie sind mögliche Alternativen für Situationen in der Not, also Not-Lösungen, aber nicht gleichwertiger Ersatz. Bußgottesdienste sind wertvolle Hilfen für die Vorbereitung auf die Beichte, ersetzen sie aber nicht. Die Leitung der Pfarre ist und bleibt an das geistliche Amt gebunden. Diese Leitung soll der Priester nicht selbstherrlich ausüben, sondern partizipativ, d.h., indem er andere einbezieht. Die Letztverantwortung bleibt jedoch beim Pfarrer. Das ist auch ein Dienst an der Einheit.
Es gab unter Ihren Rückmeldungen einige, die sehr deutlich an die Unverzichtbarkeit des Priesterdienstes in der Gemeinde erinnert haben.
Schlussbemerkung – Aktion „2+1“
Ich bin davon überzeugt, dass die Erneuerung von einem vertieften Miteinander kommen wird: Vor allem mit Gott, weiters Priester miteinander, Priester mit Laien, Hauptamtliche mit Ehrenamtlichen usw.
Um die Zusammenarbeit von Priestern und Laien zu fördern, haben wir die „Aktion 2+1“ gegründet. Für Weiterbildungsangebote im Vikariat gibt es Anreize und Vergünstigungen für alle Pfarren, die durch ihren Pfarrer und zwei weitere Personen vertreten sind. Damit u.a. soll das Miteinander gefördert werden. Bitte tun sie mit und lassen Sie einander nicht im Stich!
Ihr Bischofsvikar
+ Stephan Turnovszky
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Das ehrenamtliche Engagement kann ich nicht genug wertschätzen. Es ist eine grundlegende Art und Weise, Verantwortung für den Glauben und die Kirche wahrzunehmen. Die Gemeinden der ersten Jahrhunderte bestanden gewiss aus niemandem anderen als aus Ehrenamtlichen, wenn sie sich auch nicht so bezeichnet haben. Es waren eben alle Gemeindemitglieder, die für das Gemeindeleben gesorgt haben. Die Gemeinden waren so lebendig, wie ihre Glieder. Letztlich ist das ja bis heute so.
Hier sind wir bei einem Punkt, der sehr viele Ängste auszulösen scheint, wenn ich die Rückmeldungen von den PGR-Treffen durchlese: Viele ehrenamtlich Tätige haben große Sorge, dass die zukünftige Entwicklung sie in ihren zeitlichen Ressourcen und in ihren Kräften überfordern wird. Wie soll das gehen, fragen viele, wenn das, was derzeit Hauptamtliche (auch Priester) tun, in Zukunft auf die Ehrenamtlichen „abgewälzt“ wird?
Die Antwort ist: „Gar nicht!“ Wenn es nur ums „Weitermachen wie bisher“ geht, und wir versuchen, die gleiche Arbeit umzuverteilen, dann wird der Prozess sicher scheitern. Es werden sich daher gewiss neue Formen und Strukturen entwickeln (müssen), in denen sich die Ehrenamtlichen nicht gefangen in einer Fülle von zu erledigenden Aufgaben, sondern herausgefordert zur Entfaltung ihrer Charismen und Talente fühlen! Denn die neue Struktur bietet auch die Chance, nicht mehr alles zu tun, weil man es eben tun muss: Eine Pfarre als ganze hat die Verpflichtung, für die ihr anvertrauten Menschen Bestimmtes sicherzustellen: Gottesdienste, Vorbereitung auf Sakramente, die Sorge für die Armen, für Personen jeden Alters und jedes Standes. Das geht in größeren Einheiten viel leichter, in denen nicht alle alles machen müssen, sondern diese Aufgaben sinnvoll und „charismenorientiert“ auf viele Schultern verteilt werden können. Auch nicht jede Gemeinde in einer größeren Einheit muss alles selber leisten. Insofern wird das Denken in größeren Einheiten wohl eher eine Entlastung als eine zusätzliche Belastung.
Es geht also nicht darum, das bestehende System so, wie es ist, aufrecht zu erhalten. Das große Wagnis besteht darein, etwas ganz Neues zu wagen – sich auf den Weg zu machen in eine neue Gestalt der Kirche.
Das wird wohl nicht ohne Abschiede, ohne Aufgeben von vielleicht auch Liebgewonnenem gehen – wenn wir sehen, dass das eine oder andere nicht mehr passt, nicht mehr den Bedürfnissen der Menschen, ja vielleicht auch gar nicht der ureigenen Sendung der Kirche (mission first) entspricht. Hier wird es Prozesse des Loslassens, der Verabschiedung geben. Am greifbarsten wird das möglicherwiese sein, wenn wir uns von Gebäuden verabschieden müssen – wobei ich mir im Vikariat Nord keine Sorgen um die Kirchen mache: die sind im Bewusstsein der Bevölkerung so stark verankert, das sie mit ziemlicher Sicherheit gehalten werden können. Aber den einen oder anderen Pfarrhof wird es wohl in Zukunft als solchen nicht mehr geben können.
Und so manche Aktivität wird man in Zukunft loslassen und verabschieden müssen, wenn man Mitarbeiter vor Überforderung schützen will. Dabei muss man achtgeben, dass mit der Vergangenheit wertschätzend und dankbar umgegangen wird! Wenn sich eine Pfarre entschließt, eine Veranstaltung zum letzten Mal in der gewohnten Form zu machen (sei es einen Bittgang oder einen Pfarrball), so heißt das nicht, dass in der Vergangenheit etwas schiefgelaufen ist. Nein, ganz und gar nicht! Aber jede Zeit hat ihre Formen, und wir gehen eben in eine neue Zeit, die neue Formen braucht. Ich hoffe, dass Pfarren wertschätzende Ritualien des Abschiedes finden, mit denen man das Eine oder Andere würdig beenden kann, um Ressourcen für Neues frei zu bekommen. Zugleich hoffe ich, dass Pfarren mit viel Phantasie Lust auf neue Formen der Seelsorge bekommen, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren (Mission first) bzw. die Beziehung zu Jesus vertiefen (Jüngerschaft).
Ehrenamtliche werden in Zukunft unbedingt Aus- und Weiterbildung brauchen. Wir sind diesbezüglich im Vikariat auf einem guten Weg, und ich danke allen, die sich für die Begleitung Ehrenamtlicher engagieren! Bei einem PGR-Treffen wurde deutlich eingemahnt, dass es Sehnsucht nach geistlicher Vertiefung unter den Pfarrgemeinderäten gibt, dafür stünden im Vikariat aber zu wenige Angebote (eigentlich nur die liturgischen Ausbildungen) zur Verfügung. Das hat mich nachdenklich gemacht, und ich hoffe, dass wir auf Vikariatsebene in Zukunft diesbezüglich mehr anbieten können werden.
Ich schließe: Vergelt’s Gott für Ihr ehrenamtliches Engagement, ohne das es die Kirche im Land Unter dem Manhartsberg nicht gäbe!
Ihr Bischofsvikar
+ Stephan Turnovszky
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