Termine statt.
Termine statt.
Bei einem Studientag konnten 400 Priestern, Diakone und Laien im pastoralen Dienst – „Schlüsselpersonen des Wandels“ - aus erster Hand die Ergebnisse der großen Seelsorge-Umfrage der Erzdiözese Wien erfahren. Und gleich erste Gedanken und Vorschläge dazu einbringen. Der Bogen der Untersuchung spannt sich von Lebenszufriedenheit über Gesundheit, Engagement, Spiritualität und die Einschätzungen der Zukunft der Seelsorge.
Weitere Informationen zur Seelsorgestudie unter www.apg21.at/seelsorgestudie
„In einer Kirche im Wandel stehen die Seelsorger besonders unter Druck. Daher wollten wir genau hinschauen, wie es unseren Seelsorgenden geht, und herausfinden, wie wir sie am besten unterstützen können.“ So beschreibt Veronika Prüller-Jagenteufel, Pastoralamtsleiterin der Erzdiözese Wien, den Beweggrund, eine umfangreiche Befragung aller 1361 hauptberuflichen Seelsorgenden der Erzdiözese zu beauftragen.
Die wichtigsten Ergebnisse der im Spätherbst 2016 durchgeführten Studie wurden am Freitag den Seelsorgenden selbst präsentiert und auch den Medien vorgestellt. Über 400 Seelsorgende – Priester, Diakone und Laien im pastoralen Dienst – hatten sich in der Aula der Alten Universität in Wien eingefunden.
Die Rücklaufquote von 55 Prozent bezeichnete der Paderborner Pastoralpsychologe Prof. Christoph Jacobs vom Studienteam als sehr hoch. Die Ergebnisse seien daher von hoher Aussagekraft. (siehe Basisinformation zur Studie)
In Arbeitsgruppen haben die mehr als 400 anwesenden Seelsorger erste Gedanken und viele Vorschläge erarbeitet – für den Erzbischof, die Diözesanleitung, die Standesvertretungen der Priester, Diakonen und Laien. Aber auch in der Kategorie „Was ich selber tun kann“ gab es viele Eingaben.
Diese ersten Reaktionen sowie die Studienergebnisse selbst werden in den kommenden Wochen und Monaten in den Gremien und Dienststellen der Erzdiözese weiter behandelt und als Input dienen, etwa in den Standesvertretungen der Seelsorgenden, aber auch in der Personalentwicklung, der Priesterbegleitung usw.
Erzbischof Kardinal Schönborn dankte in seiner Schlussansprache allen, die sich an der Umfrage beteiligt haben: „55 Prozent Teilnahmequote ist weit mehr, als ich zu hoffen gewagt habe.“ Der Zweck dieser Umfrage sei, „dass sich Dinge verändern“. In einer Periode des gesellschaftlichen Umbruchs habe sich auch die Erzdiözese auf den Weg gemacht – im Bewusstsein, „dass wir in einer Gemeinschaft sind, die unerschöpfliche Ressourcen hat: unseren Glauben und den, dem dieser Glaube gilt“.
Nach einer Phase, die vor allem unter dem Zeichen der Strukturentwicklung gestanden sei, „müssen wir uns jetzt fragen: Gelingt Mission first?“ Dass laut der Umfrage noch knappe 60 Prozent skeptisch seien, beunruhige ihn nicht. „Das heißt ja, dass schon 40 Prozent an Bord sind. Als wir angefangen haben, waren es noch bei weitem nicht so viele.“ Das ermutige ihn.
Und es sei eine Ermutigung, dass durch die gesellschaftliche Entwicklung „die Erwartungshaltung der Menschen so groß geworden“ sei: „Wir haben es mit so vielen Menschen zu tun, die auf der Suche sind. Das ist eine große Chance!“ Und er habe aus der Studie gelernt, wie wichtig es sei, in spirituelle Ressourcen und in die Gesundheit zu investieren. „Das wollen wir noch viel stärker tun.“ Zum Abschluss rief der Kardinal den Seelsorgenden zu: „Gehen wir unseren Weg gemeinsam – gehen wir ihn offen und ehrlich miteinander. Der Herr ermutigt uns dazu.“
Generalvikar Nikolaus Krasa hatte zuvor gegenüber Journalisten darauf verwiesen, dass vieles schon begonnen worden sei: „Unsere Leute haben da schon einen guten Riecher gehabt.“ Er nannte etwa die Förderung von Priesterexerzitien oder das Bibelteilen in Teams (Stichwort „Spiritualität“) oder Gesundheitsförderung. Es gelte aber, dabei nicht stehenzubleiben und nachzujustieren bzw. auch mit Hilfe der Studienergebnisse zielgruppenspezifische Angebote auszubauen und neu zu schaffen. An manchen Maßnahmen müsse die Diözesanleitung auch mehr dranbleiben.
Wesentlicher Raum werde der ressourcenorientierte Einsatz der Seelsorgekräfte haben. Krasa: „Wir nehmen aber auch die Kritik an der Organisation und andere genannte Problemfelder ernst. Wir sehen beispielsweise deutlich, dass es in der Zusammenarbeit der zentralen Dienststellen mit den Seelsorgern noch Verbesserungspotenzial gibt.“
Auch im Diözesanen Entwicklungsprozess sieht der Generalvikar die Notwendigkeit, noch mehr zu informieren und vor allem den Dialog über die vielfältigen Bilder zur Zukunft der Seelsorge zu führen. „Auch die Erfahrung von best-practice-Beispielen kann uns dabei helfen, einen gemeinsamen Blick auf die Zukunft zu entwickeln.“
Der Studientag in der Akademie der Wissenschaften bot den Seelsorgenden aber nicht nur Auszüge aus den Umfrageergebnissen, dargeboten in 12 Thesen von Mitautor Christoph Jacobs (Paderborn), sondern auch gemeinsames Gebet, Austausch, das „offene Mikrofon“ und eine Podiumsdiskussion mit Andreas Brandstetter, Vorstandschef der Uniqa-Versicherungsgruppe, und Elisabeth Burgis, Personalchefin bei Bipa.
Brandstetter gratulierte der Erzdiözese für „den Mut, eine solche Untersuchung in Auftrag zu geben und sich ihren Ergebnissen zu stellen“. Aus den Erfahrungen seines eigenen Unternehmens komme es jetzt darauf an, „die Ergebnisse nicht versickern zu lassen“. Die Uniqa-Gruppe hatte vor wenigen Jahren eine ähnliche Befragung in vier Ergebniskapitel eingeteilt und dazu Arbeitsgruppen eingerichtet, die To-Do’s zu entwickeln hatten. Die Kirche solle sich aber auch bewusst sein, dass sie eine „tolle Marke“ sei: „Niemand in Österreich macht eine sinnstiftendere Arbeit als die Kirche. Die Versicherungen kommen allerdings ziemlich bald dahinter.“
Brandstetter wies darauf hin, dass Privatwirtschaft und Kirche vor sehr ähnlichen Herausforderungen stünden. „Weil unsere Kunden heute in einer anderen Welt leben als früher.“ Auch die Mitarbeiter: „Die jungen Menschen wollen wachsen und dazugehören. Da komme es darauf an, welche Vision ein Unternehmen oder eine Institution habe.“ Und: „Es gibt für mich keinen Unterschied zwischen bestehender Kirche und Change.“ Das sei beides eins. Zuletzt sagte er: „Sucht euch Partner! Wir müssen uns alle ständig adaptieren und optimieren, da gibt es so viel Erfahrung. Sie sind sicherlich nicht alleine!“
Elisabeth Burgis griff ein Einzelergebnis auf: „Wenn ein Unternehmen feststellt, dass 18 Prozent der Mitarbeiter in ,Schonhaltung‘ verharren, würde es als erstes feststellen, was im Einzelfall dahinter steckt – ist es das Wollen oder das Können des Mitarbeiters?“ Dann gelte es, an den Ursachen im Detail zu arbeiten. Personalarbeit hat keine Wirkung, wenn sie nicht gemeinsam mit der Führungsriege gemacht wird: „Das muss Hand in Hand gehen.“
Burgis lobte auch das bereits umfangreiche Begleitungs- und Coaching-Programm der Erzdiözese. „Sie haben auch einen wunderbaren Leitfaden für Mitarbeitergespräche – die führen einen wirklich durch! Jetzt kommt es nur noch darauf an, das Gespräch auch zu führen.“ Gelebte Feedback-Kultur helfe, Talente zu entdecken und Menschen an der richtigen Stelle einzusetzen. Gute, bunt zusammengesetzte Teams, in denen Menschen einander stärken seien dafür wichtig.
Zum Ausklang haben die Seelsorgenden in freier Form gemeinsam gebetet und einander gesegnet. Und viele blieben dann noch auf ein Fluchtachterl.
Einige Stimmen des Abends aus dem „offenen Mikrofon“, die die Bandbreite der Anliegen, Sorgen und Ideen der Seelsorgenden an diesem Freitag aufzeigen:
„Ich nehme mir vom heutigen Tag mit, dass wir viel stärker an einer Kultur der Anerkennung und Wertschätzung arbeiten müssen.“
„Wichtig ist: Wie kommen wir, was unsere eigenen menschlichen Ressourcen betrifft, zu einer realistischen Selbsteinschätzung, die nicht stigmatisiert?“
„Ich weiß, wie wichtig funktionierende Teams sind: Ich war Burnout-Kandidatin, und das Team hat mich da durchgetragen.“
„Die Diözese müsste einen Changeprozess starten, der darauf schaut, immer mehr ins Boot des Entwicklungsprozesses zu holen.“
„Alkoholkrankheit eines Mitarbeiters wird immer noch viel zu spät erkannt und angesprochen. Es müsste viel früher Gespräche dazu geben.“
„Wir dürfen nicht vergessen, auch die Frage zu stellen: Wie geht es unseren ehrenamtlichen Mitarbeitern – und wie geht es den Gläubigen mit uns?“