Dienstag 23. Juli 2024

Fronleichnam feiern – und was ist normal?!

Wenn Pfarren zusammenwachsen

Jede Pfarre ist irgendwie anders. Was in der einen „normal“ ist, würde in einer anderen vielleicht gar nicht funktionieren. Wie kann es da gelingen, einen Pfarrverband oder eine Pfarre mit Teilgemeinden zu entwickeln? Unsere Kollegen Armin und Martin erzählen hier von ihren Erfahrungen.

 

Der Weg in einen Pfarrverband oder eine Pfarre mit Teilgemeinden mag anfangs anspruchsvoll erscheinen, geprägt von Personalrochaden und der möglichen Hinterfragung des eigenen Pfarrprofils. Doch in dieser Herausforderung liegt eine tiefe Erkenntnis: Der Pfarrverband schafft Raum für eine neue Normalität, ohne die alten Rituale und Traditionen zu verdrängen. Ganz im Gegenteil, er bereichert sie um neue Elemente, die zu festen Bestandteilen der Gemeinschaft werden.

 

Besonders im Miteinander entfaltet sich die Dynamik der neuen Normalität. Konflikte und Reibereien sind unvermeidlich, aber sie beleben das tägliche Pfarrleben. Hier liegt eine wichtige Chance für die verschiedenen Felder der Pastoral. Anstatt im Konkurrenzkampf um junge Menschen zu stehen, erleben wir die Schönheit einer gemeinsamen Normalität. Gemeinsame Veranstaltungen und Projekte sind keine Ausnahme mehr, sondern die Regel.

 

Notlösung oder Initialzündung?

 

Es ist unbestreitbar, dass der Gedanke an einen Pfarrverband bei vielen zunächst einen faden Beigeschmack von Sparmaßnahmen hinterlässt. Doch gerade in diesem vermeintlichen Dilemma verbirgt sich eine Chance, Pfarrkultur wiederzubeleben. Der Pfarrverband erweckt Synergien, die möglicherweise in den Einzelpfarren eingeschlafen sind. Die Auseinandersetzung mit den Ideen der Nachbargemeinden kann zu einem regelrechten Ideenfeuerwerk führen, das die eigene Pfarre mit neuem Leben erfüllt.

 

Beispiele anhand verschiedener erlebter Situationen in zwei Wiener Dekanaten geben einen Einblick, wie das Zusammenwachsen zu neuen Strukturen gelingen kann.

 

Firmvorbereitung neu belebt

 

Das Wachsen in Armins Pfarrverband, Weinberg Christi im Dekanat 23, hat gezeigt, dass das Zusammenführen von Ressourcen und Ideen zu einer florierenden Kinder- und Jugendpastoral führt. Diese neue Normalität bedeutet nicht, Altes aufzugeben, sondern es mit Neuem zu bereichern. Es ist eine Chance, die Vielfalt der Talente und Ideen zu nutzen, um die jungen Menschen in unserer Gemeinschaft besser zu erreichen.

 

Besonders spannend gestaltet sich die Entwicklung der Jugendbewegung im Pfarrverband. Eine Pfarre mag mit zehn Firmlingen noch recht überschaubar sein, aber durch den Zusammenschluss können es plötzlich 30 werden. Dies eröffnet nicht nur die Möglichkeit für lebendigere und vielfältigere Gruppenaktivitäten, sondern stärkt auch die Gemeinschaft und den Glaubensweg der jungen Menschen.

 

Bei Martin, in der Pfarre Währing, Dekanat 18, hat das Zusammenwachsen geholfen, Problemfelder in der Sakramentenpastoral abzudecken. Vorher gab es in jeder Pfarre eine eigene Firmvorbereitung, die zunehmend mit „Personalproblemen“ zu kämpfen hatte. Die Pfarre mit Teilgemeinden bietet die Möglichkeit, die in ihren eigenen Pfarren vielleicht überforderten Firmbegleiter*innen zu einem neuen Pfarrfirmteam zusammen zu holen. Dies bringt neue Energien, Synergien und auch mehr Spaß für das gesamte Team.

 

Eine Pfarre mit wenigen Firmlingen mag vergleichsweise klein erscheinen, aber durch den Zusammenschluss können plötzlich viel mehr Firmlinge erreicht werden. Dies geht über eine simple Zahlensteigerung hinaus. Es schafft eine lebendige, dynamische Jugendbewegung, die nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ wächst.

 

Diese Vielfalt an Ideen, Perspektiven und Talenten, die durch den Pfarrverband zusammengeführt werden, bereichert die Jugendpastoral auf einzigartige Weise. Gemeinsame Aktivitäten und Projekte werden nicht nur zahlreicher, sondern auch kreativer. Die Jugendlichen haben die Möglichkeit, sich in größeren Gruppen auszutauschen, voneinander zu lernen und gemeinsam zu wachsen.

 

Gemeinsam neu feiern

 

Auch die gemeinsame Gestaltung von Festen, wie etwa Fronleichnam, veranschaulicht diese Dynamik. Statt isoliert zu feiern, hat der Pfarrverband Weinberg Christi eine große gemeinsame Messe (zum Beispiel unter freiem Himmel) organisiert, die alle Mitglieder vereint. Diese scheinbar kleine Veränderung birgt das Potenzial, die Bindungen innerhalb des Verbandes zu stärken und eine gemeinsame Identität zu schaffen.

 

In der Pfarre Währing wurde der gemeinsame Weg zur Pfarre mit Teilgemeinden dazu genutzt, um das Fest neu aufzustellen. Drei Gemeinden, die zusammen eine gemeinsame Prozession gestalten. Dies bedeutet das Entwickeln eines gemeinsamen Weges, genauso wie das Zusammenführen der unterschiedlichen Teams. Aber auch das Loslassen bestimmter – vielleicht überholter – Traditionen bewirkt eine positive Veränderung. So gibt es mittlerweile in Währing 3 verschiedene (aber gemeinsame) Fronleichnamsvarianten, die von allen drei Gemeinden gleichartig unterstützt wird.

 

Die neue Struktur bedeutet somit nicht zwangsläufig das Ende individueller Messen, sondern eröffnet die Möglichkeit, gemeinsame Feste zu feiern.

 

Auch beim nicht-liturgischen Feiern bieten sich gute Möglichkeiten.

 

Eine Pfarre plant einen Pfarrball, hat jedoch nicht genügend Gläser für alle Gäste. Im Pfarrverband gibt es sicherlich welche zum Ausborgen. Dieses unkomplizierte Teilen von Ressourcen ist ein greifbares Beispiel für die Vorteile eines Pfarrverbandes.

 

Auch das Feiern kleinerer Feste bietet die Möglichkeit zum Zusammenwachsen. Ein gemeinsames Fest des Dankes für alle Mitarbeiter auf Pfarr(verbands-)ebene ist eine sehr gute Möglichkeit, um den Austausch zu fördern. Oft genug wachsen aus diesen gemeinsamen Festen, die den Austausch fördern, neue gemeinsame Projekte in einem Feld der Pastoral.

 

Die Frage nach dem Mehrwert einer neuen Struktur auf Dekanatsebene, das Zusammenwachsen von ehemaligen Nachbarpfarren, lässt sich nicht pauschal mit Ja oder Nein beantworten. Es ist eine individuelle Abwägung, die von verschiedenen Faktoren abhängt. Doch die Implementierung sinnvoller Strukturen im Pfarrverband kann auf vielen Ebenen Erleichterung bringen.

 

Insgesamt zeigt sich, dass der Pfarrverband oder eine Pfarre mit Teilgemeinden mehr ist als nur eine strukturelle Veränderung. Es ist eine Reise durch die Vielfalt der Normalität.

 

Armin Hinrichs und Martin Krizek

Armin (Pfarre Weinberg Christi) und Martin (Pfarre Währing) sind beide ehrenamtlich stellv. PGR-Vorsitzende. Beide sind hauptamtlich im Team Regionale Arbeit der Jungen Kirche.

 

Aus: Movi – Zeitschrift der Jungen Kirche Wien, Ausgabe 2024/2 „Total normal“. Online-Version.

Junge Kirche
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1010 Wien

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