Dienstag 26. November 2024

Bunt wie der Regenbogen

„Jetzt ist es bald soweit: In vier Wochen heiratet mein Sohn“, erzählt mir ein Bekannter. „Die standesamtliche Trauung findet im kleinen Kreis statt und eine Woche danach dann die große Feier“, setzt er fort, während seine Augen vor Freude strahlen. „Es ist eine Regenbogenhochzeit, eine frei Trauungszeremonie, denn eine kirchliche Hochzeit ist ja für gleichgeschlechtliche Paare nicht möglich. Und eine Segensfeier ist auch nicht erlaubt.“ In den Augen, die vorher noch voll Freude waren, erkenne ich eine gewisse Traurigkeit. Wir kommen länger ins Gespräch, aus dem ich mit vielen Gedanken und Fragen herausgehe.

Eine ernst gemeinte Beziehung

 

Der Wunsch nach einer kirchlichen Trauung oder einem „offiziellen“ Segen für die Partnerschaft ist wohl Ausdruck dafür, dass es mit dieser Beziehung ernst gemeint ist! Wo eine Feier oder ein Segen verweigert wird, wird aber genau diese Ernsthaftigkeit in Frage gestellt. Mehr noch: Es wird die Würde jener Menschen in Frage gestellt, die um den Segen für ihre gleichgeschlechtliche Liebe und Beziehung bitten. Denn im Grunde wird unterschieden zwischen: Wer ist würdig und wer nicht?

 

Sich verstecken zu müssen ist entwürdigend

 

Ich erinnere mich an die Geschichte einer Freundin, die mittlerweile standesamtlich verheiratet mit ihrer Frau eine Regenbogenfamilie gegründet hat. Sie hat Kinder und erfährt das Familienleben mit all den schönen Seiten und Herausforderungen wie das andere Familien auch tun. Ihre Beziehung zu einer Frau öffentlich zu machen, war ein schwieriger Schritt. Von Zustimmung und Wohlwollen über Ablehnung bis zu Anfeindungen hat sie vieles erlebt. „Ich überlege mir auch heute noch“, erklärt sie, „wem ich was sage und wem ich wie viel zumuten darf. Besonders in der Pfarre und der Kirche überhaupt – und da habe ich meine Heimat – muss ich meine Beziehung eigentlich oft verstecken. Das ist entwürdigend für mich. Ich frage mich schon, was ich denen als Person wert bin, wenn ein Teil meiner Identität ignoriert wird.“

Traurig ist: Was ignoriert wird, kann auch nicht gewürdigt und gut-geheißen (bene-dicere), also gesegnet werden.

 

Gesandt zu den Menschen in ihrer Vielfalt

 

Die Pluralität menschlicher Lebens- und Beziehungsformen ist eine Tatsache; und damit eine Aufgabe für eine kirchliche Beziehungs-. Ehe-, und Familienpastoral. Besonders in einer Kirche, die sich zu den Menschen in ihrer Vielfalt gesandt, als allumfassend, als katholisch versteht. Die Vielfalt ist ein Wesensmerkmal der Kirche und sie ist eine echte Bereicherung.

Im Ringen um einen guten Weg, so ist mein Eindruck, werden unterschiedliche Lebensformen oft als Gefährdung und als gegenseitige Konkurrenz gesehen. Da gibt es dann nur mehr ein Entweder-oder statt eines Sowohl-als-auch, Uniformität statt Pluralität, Monokultur statt lebensfördernder Vielfalt.

 

Beziehung und Familie stehen immer im historischen Kontext

 

Das Beziehungs- und Familienleben ist und war, wie alles andere auch, immer von den Gegebenheiten der jeweiligen Zeit und Kultur beeinflusst sowie historischen Entwicklungen unterworfen. Im Laufe der Zeit haben sich ein „Erfahrungsschatz“ von Bewährtem und weniger Bewährtem sowie Regeln des Miteinanders gebildet. Das reicht z.B. vom Verständnis der partnerschaftlichen Beziehungsgestaltung über Erziehungsfragen bis zur Frage von Trennung und Scheidung und vieles mehr. Jedenfalls spiegeln sich all diese Erfahrungen auch in kirchlichen Texten und Dokumenten wider. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften und Regenbogenfamilien kommen dabei, wenig überraschend, jedoch nicht vor, da diese Thematik für die Kirche relativ neu ist; zumindest, dass man offen und halbwegs unaufgeregt darüber reden darf und kann.

 

Voneinander profitieren

 

Eine Regenbogenpastoral kann von dem reichen Erfahrungsschatz aber durchaus profitieren. Insbesondere, wenn es um Familie, um Partnerschaft, um die Beziehungs-Gestaltung und ein gelingendes Miteinander geht.

Und umgekehrt können Regenbogenfamilien ein Impuls sein, die Vielfalt jeglichen familiären Lebens und die Einzigartigkeit jeder Beziehung deutlicher zu sehen. Beziehungen, Ehen und Familien sind keine Monokulturen und waren es auch nie, sondern sind bunt wie der Regenbogen. Jede Beziehung, jede Ehe und jede Familie hat ihre jeweiligen Facetten und ist unverwechselbar einzigartig, da jeder Mensch unverwechselbar einzigartig von Gott gewollt ist.

 

Die Würdigung ist ein Gebot der Stunde

 

Die Einzigartigkeit und Pluralität von Beziehungen und Familien muss gesehen werden. Die Ernsthaftigkeit und Verantwortung, mit der Paare eine Partnerschaft eingehen, um als Familie zu leben, ist zu respektieren, zu würdigen und gutzuheißen. Dies gilt genauso hinsichtlich der Regenbogenbeziehungen und -familien. - All das ist ein Gebot der Stunde.

 

von Johannes Ojak

 

Hinweis: Regenbogenpastoral Österreich

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