Die Versorgung mit einwandfreiem Trinkwasser war seit vorgeschichtlicher Zeit stets eine erstrangige Aufgabe der menschlichen Gemeinschaften. Viele Jahrhunderte hindurch erfolgte sie fast ausschließlich durch Brunnen. In der Antike entwickelten zwar die Römer eine große Fertigkeit im Wasserleitungsbau; auch im Wiener Raum bauten sie eine Wasserleitung, die von den Quellen bei Brunn am Gebirge, Perchtoldsdorf und Laab im Walde gespeist und über Liesing, Schönbrunn und durch die heutigen Bezirke 15 und 6 zum Militärlager Vindobona führte.
Mit dem Untergang des Römischen Reiches geriet die Technik des Wasserleitungsbaus in Vergessenheit. Erst wieder ab dem 16. Jahrhundert wurden im Wiener Raum einige kleine Wasserleitungen gebaut. Noch zur Zeit Maria Theresias wurden mehr als 90 Prozent des benötigten Trinkwassers den Hausbrunnen entnommen. Diese Situation war problematisch, denn die Gefahr einer Verunreinigung war groß. Es gab nur wenige Kanäle. Die Ausscheidungen von Menschen und Tieren landeten in der Regel auf der Straße, im Rinnsal entlang der Häuser, oder in irgendwelchen offenen Gruben oder in den offenen Gewässern. Andere Abfälle kamen zumeist in Gruben, die, wenn sie voll waren, mit Erde bedeckt wurden. Es gab Ärzte und andere Experten, die vor der Gefahr der Wasserverschmutzung warnten und in der Wasserverschmutzung einen Hauptgrund für die immer wieder auftretenden Seuchen erkannten.
Aber es geschah so gut wie nichts – bis Marie Christine (1742 –1798), das fünfte Kind von Kaiser Franz I. Stefan und Maria Theresia, die Initiative ergriff. Sie war der erklärte Liebling Maria Theresias unter ihren Kindern. Die Bilder zeigen eine auffallend schöne Frau, die nichts typisch Habsburgisches an sich hat, mit ebenmäßigen Gesichtszügen und einer attraktiven Figur. Marie Christine war aber nach allem, was wir über sie wissen, eine kluge und ambitionierte Frau. Sie heiratete 1766 in Pressburg den gleichaltrigen Herzog Albert Kasimir von Sachsen-Teschen – nach Meinung der Chronisten die einzige Liebesheirat, die Maria Theresia einem ihrer Kinder erlaubte. Maria Theresia machte Albert zum Statthalter in Ungarn mit dem Sitz in der ungarischen Hauptstadt Pressburg (ungarisch Pozsony). Nach Maria Theresias Tod war Josef II. bestrebt, alle von seiner Mutter geförderten Familienmitglieder auszuschalten. Deshalb ernannte er Marie Christine und Albert zu Statthaltern in den Niederlanden ohne politische Vollmachten, als reine Vollzugsorgane. Nach schweren Unruhen und schließlich Napoleons Einmarsch mussten sie die Niederlande verlassen und lebten in Wien. Gemeinsam hatten sie die größte grafische Sammlung der Welt aufgebaut, die heute die Grundlage der nach Albert benannten Albertina ist.
Zu den vielen Ideen, die Marie Christine hatte, gehörte der Bau einer Wasserleitung aus dem wasserreichen Hütteldorf nach Wien. Wieso sie die Gegend zwischen Halterbach und Rosenbach so gut kannte und die Qualität des Wassers aus Hütteldorf so schätzte, ist nicht mehr feststellbar, doch hat sie vermutlich mit ihrem Gatten nach der Rückkehr nach Wien im Jahre 1792 öfter an Jagdgesellschaften in dieser Gegend teilgenommen.
Marie Christine hatte keine Gelegenheit, ihre Idee zu verwirklichen. Sie hinterließ sie jedoch in ihrem Testament als Auftrag an ihren Gatten. Albert (1738-1822) überlebt seine Gattin um fast 24 Jahre und hat nicht mehr geheiratet (was in diesen Kreisen ungewöhnlich war und aufgefallen ist). Er hat das Vermächtnis des Wasserleitungsbaues erfüllt. Dazu waren allerdings langwierige Studien, Planungen, technische Vorarbeiten und vor allem rechtliche Klärungen notwendig. 1803 wurde der Stadtoberkämmerer, also der oberste Finanzbeamte von Wien, Stefan Wohlleben (der dann von 1804 bis 1823 Wiener Bürgermeister war), zum Bauleiter bestellt. 1804 war der Rohbau fertig, 1805 begann die Lieferung von Hütteldorfer Wasser nach Osten. Aus zwölf Brunnen im Bereich der heutigen Bezirke 6, 7 und 8 konnte das Wasser entnommen werden. Nach dem Initiator des Werkes, das für jene Zeit als Großtat zu bewerten ist, erhielt es den Namen Albertinische Wasserleitung.
1808 wurde die Wasserleitung wegen ihrer Bedeutung der Stadthauptmannschaft unterstellt, nach der Einführung der Gemeindeautonomie infolge der Revolution von 1848 wurde sie 1851 Eigentum der Gemeinde Wien. Nach dem Bau der Ersten Hochquellenwasserleitung, die ab 1873 Wasser nach Wien lieferte, blieb die Albertinische Wasserleitung noch einige Zeit in Betrieb, weil erst schrittweise das Versorgungsnetz aufgebaut werden musste. Dann dient sie noch als Reserve für die Zeiten, in denen die Hochquellenleitung zu wenig Wasser lieferte – was fast jedes Jahr im Winter, von Jänner bis zur Schneeschmelze, der Fall war, mehrmals auch während einer sommerlichen Trockenperiode. Erst nach Fassung weiterer Quellen verlor die Leitung aus Hütteldorf ihre Bedeutung, nach 1890 wurde sie nicht mehr betreut.
Auf dem Grundstück Hüttelbergstraße 30, neben den beiden Otto-Wagner-Villen, steht noch das Haus des Wasserbehälters der Albertinischen Wasserleitung, ein Monument früher Ingenieurarbeit im Wiener Raum. Es wird von der Magistratsabteilung 31, den Wasserwerken, als Baudenkmal erhalten und für Lagerzwecke genutzt.
Quelle: „Penzing – vom Wienfluss zum Wienerwald“ von Christine Klusacek und Kurt Stimmer, Mohl Verlag 1993
Bilder: Martin Vollmost