Predigt Weihnachten 2020
Liebe Schwestern und Brüder, in der vergangenen Nacht haben wir die „Frohe Botschaft“ gefeiert, dass Gott als ein Kind zu uns gekommen ist. Heute ist Christtag, Weihnachten, das Fest der Geburt Jesu Christi. Das Evangelium vom heutigen Tag berichtet uns: „Als die Engel von den Hirten in den Himmel zurückgekehrt waren, sagten die Hirten zueinander: Lasst uns nach Betlehem gehen, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr kundgetan hat! So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag.“ Also die Hirten waren die Ersten, die zum Jesuskind gekommen sind. Interessant ist, dass nicht die Hohepriester, nicht die Schriftgelehrten, nicht angesehene Personen, sondern die einfachen, armen Hirten als Erste berufen waren, dem Geheimnis der Heiligen Nacht nahe zu sein. Warum ausgerechnet die Hirten? Wer waren eigentlich die Hirten damals? Sie waren vor allem arme und in der Gesellschaft sicher nicht angesehene Menschen. Die meisten von ihnen vielleicht sogar nicht einmal die Besitzer der Schafe, sondern nur als Hirten angestellt. Und diese einfachen Menschen haben die Ehre, die ersten Zeugen der Geburt des Sohnes Gottes zu sein. Es war, denke ich, auch kein Zufall. Was könnte uns das sagen? Jesus kommt zu allen Menschen, vor allem zu den armen. Wenn wir Jesus erkennen wollen, sollen wir „bloß“ vor ihm dastehen, also ohne Reichtum, ohne Stolz, auch ohne Titel, die uns manchmal hochmutig machen. Vielleicht ist es ein Zeichen, dass die Würde des Menschen nicht im Reichtum oder in gesellschaftlicher Position liegt. Zweitens: Die Hirten waren einfache Menschen, sie haben nur ein Kind in der Krippe gesehen, die Engel haben ihnen offenbart, dass das Kind der „Retter der Welt“ ist. Um in Jesus den Sohn Gottes zu erkennen, brauchen wir das Licht des Glaubens und noch etwas: Um den Sohn Gottes in der Krippe zu erkennen, müssen wir wie die Hirten oder die Kinder sein: offen für das Neue und ohne Vorurteile. Drittens: Die Hirten lagerten außerhalb der Stadt auf den Feldern. Dort waren sie zwar arm und ohne jegliche Bequemlichkeit der Stadt, aber sie waren frei. Wenn man in der Stadt lebt, lebt man bequem, aber das hat seinen Preis: Man muss sich einfügen und anpassen. Man muss sich an bestimmte Regeln halten. Nicht jedes Unrecht kann man beim Namen nennen. Man muss „politisch korrekt“ sein, wenn nicht, ist man ausgeschlossen. Die Hirten waren frei davon, wie der heilige Franz von Assisi und vielleicht dadurch näher am Geheimnis Gottes. Nur wenn man frei ist, ist man imstande das Geheimnis Gottes zu entdecken. Vielleicht brauchen wir die Freiheit vom Druck unserer Gesellschaft und von unserem Besitz, um das Geheimnis der Menschwerdung zu verstehen. Vielleicht können wir wie die Kinder sein und zur Krippe kommen und vielleicht die Figuren in der Krippe streicheln, wie es einmal ein Kind bei uns gemacht hat. Nicht umsonst hat Jesus gesagt: „Werdet wie die Kinder!“ Also wir sollen wie die Hirten und die Kinder sein, um in die Nähe des Geheimnisses der Heiligen Nacht zu kommen. Wenn wir schon diese Etappe hinter uns haben, wenn wir schon ganz nahe dem Geheimnis der Menschwerdung Gottes sind, folgt der nächste Schritt. „Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für alles, was sie gehört und gesehen hatten, so wie es ihnen gesagt worden war.“ Wir können nicht ewig bei der Krippe bleiben. Wir kommen nach Hause, viele von uns kehren zurück an ihren Arbeitsplatz. Wie die Hirten sollen wir die „Frohe Botschaft“ unter den Menschen verbreiten. Das schönste Zeugnis wäre, wenn wir Weihnachten als eine Begegnung des Gottessohnes mit uns erlebt haben, wenn die Menschen bemerken und denken oder sogar sagen würden: Er oder sie verhält sich jetzt anders. Er oder sie hat sich geändert. Da muss zu Weihnachten etwas passiert sein. Das wäre das schönste Zeugnis unserer Begegnung mit dem neugeborenen Kind in der Krippe in diesen Tagen. Das wünsche ich euch allen und auch mir. Amen.