Sonntag 6. Oktober 2024

Die samaritische Frau am Brunnen


Ein römischer Brunnen mit seinen vielen Schalen, das ist ein Bild, das viele vor Augen haben, wenn sie das Wort Brunnen hören. Dazu passen die bekannten Verse des Dichters Conrad Ferdinand Meyer:

 

„Auf steigt der Strahl,

und fallend gießt er voll der Marmorschale Rund,

die, sich verschleiernd,

überfließt in einer zweiten Schale Grund.

Die zweite gibt,

sie wird zu reich,

der dritten wallend ihre Flut,

und jede nimmt und gibt zugleich

und strömt und ruht“.

 

(„Der römische Brunnen“, 1882)

 

Soweit die Worte des Dichters von einem Brunnen mit vielen Schalen, die das Wasser auffangen und weiterfließen lassen.

 

Manche von uns kennen darüber hinaus noch den alten Hausbrunnen im Garten, an dem sie selber noch nach Wasser gepumpt haben. Brunnen bedeutet Wasser, und Wasser bedeutet Leben. Das gilt ganz bes. für jene Länder, die wasserarm sind, wie z.B. Palästina. Und zum Allerkostbarsten gehören jene Brunnen, die nicht nur Grundwasser haben, sondern auf deren Grund Quellwasser fließt, also ein Brunnen von lebendigem Wasser. Auf Grund seiner Bedeutung für die Menschen war der Brunnen im alten Orient auch ein Treffpunkt der Leute. So wie man sich heute beim Einkaufen im Geschäft trifft, so traf man sich damals beim Brunnen, wenn man das kostbare Wasser holte.

 

Der Jakobsbrunnen, der heute Schauplatz des Szene nach dem Johannes-Evangelium ist, war ein Brunnen, den der Patriarch Jakob seinem Sohn Josef gegeben hatte am Fuß der Berges Garizim, 2 km östlich des heutigen Nablus, 32 m tief. Dorthin kam Jesus, der müde von der Reise gewesen ist, zur Mittagsstunde und setzte sich an den Brunnen.

 

Erstaunlich war, dass die Samariterin zu dieser Tageszeit an den Jakobsbrunnen kam, denn idR  hat man das nicht zu Mittag getan, sondern zu kühleren Zeiten; es liegt also die Vermutung nahe, dass die Frau den anderen Menschen, die an den Brunnen kamen, ausweichen bzw. nicht begegnen wollte.

 

„Gib mir zu trinken“, so spricht Jesus, der Jude die Frau an. Ein doppelter Tabubruch, denn es war damals in der Öffentlichkeit nicht üblich, dass ein erwachsener Mann eine fremde Frau angesprochen bzw. sie um etwas gebeten hat. Noch dazu hat sich damals ein Jude nicht mit einer Samariterin abgegeben, wie aus der Antwort der samaritanischen Frau hervorgeht. Bald wird in diesem Gespräch deutlich, dass es um eine tiefere Ebene geht als um den Alltagsdurst an einem heißen Tag, auch wenn das Wasser als Element wichtig und kostbar gewesen ist. Jesus sagt, dass er mehr zu geben hat, nämlich lebendiges Wasser, das nicht in diesem Jakobsbrunnen fließt, aus dem die Frau schöpfen möchte. Außerdem spricht Jesus einen wunden Punkt im Leben der Frau an: er weist auf die verschiedene, gescheiterten Beziehungen in ihrem Leben hin, die sich in ihr Herz, in ihre Seele eingegraben und wohl auch Wunden und Verletzungen hinterlassen haben.

 

Weil Jesus dieser Frau nicht verurteilend, sondern annehmend begegnet, kommt sie mit der tiefsten Sehnsucht ihres eigenen Herzens in Berührung, für die das Wasser des Brunnens nur ein Symbol und Gleichnis darstellt.  Es ist die Sehnsucht danach, umfassend und total angenommen und geliebt zu sein, Geborgenheit zu erfahren – und diese Geborgenheit kann umfassend und für immer nur einer vermitteln und das ist Gott. In Jesus ist diese Annahme und Liebe für die Frau erfahrbar und menschlich/göttlich vermittelt worden, das wird ihrem irdischen Dasein einen neuen Sinn, eine veränderte Zukunft geben.

 

Schließlich erweitert sich das Gespräch noch um die Frage, wo man Gott anbeten soll: in Jerusalem, im Tempel oder auf dem Berg Garizim, wo es die Bewohner von Samaria getan haben. Jesus antwortet darauf: Weder in Jerusalem, noch auf dem Berg Garizim, sondern im Geist und in der Wahrheit soll man Gott anbeten. Und es kommt der berühmte Satz, der auch sonst im Johannes-Evangelium eine zentrale Rolle spielt, wenn Jesus sagt: „Ich bin es“. Ich bin der Christus, der Messias, in mir ist der wahre Tempel, durch mich kommt der Geist und die Wahrheit in diese Welt, in mir habt ihr Zugang zum Vater.

 

Jesus gießt auch heute das Wasser des Lebens über den Brunnen unserer Welt aus. Begonnen hat es schon mit unserer Taufe, wo wir benetzt worden sind vom Lebensstrom Gottes. Aber es geht noch weiter, in dem Maß wie sich ein Mensch seinem Geist und seiner Liebe öffnet. Den Durst nach Anerkennung und Liebe, den Durst nach einem Sinn im Leben möchte er stillen und uns seinen Geist vermitteln, durch den wir selber zur Quelle werden können, die andere zu tränken vermag, zur Schale, aus der andere das Wasser des Glaubens schöpfen können.

 

Auf dem Weg durch diese Fastenzeit, die für manche von uns auch eine Wüste sein kann, bietet sich uns Jesus auch heute als Quelle des Lebens an, indem er ruft: „Wen dürstet, der komme zu mir und es trinke/wer an mich glaubt“.

Amen.

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