Die Osterferien verlaufen bei uns etwas anders als die Weihnachtsferien. Nüchtern betrachtet wird das Religiöse wenig bis kaum beachtet, die freie Zeit eher fürs Vergnügen genützt. Doch ich kann mich noch gut erinnern, als ich Kind war und in Mangalore in Südindien lebte. Wie gerne wäre ich die ganze Woche in der Kirche geblieben, so faszinierend waren die Tage der Karwoche. Inhaltlich habe ich damals nicht alles begriffen, aber das kindliche Staunen war prägend bis heute. Was gab es nicht alles zu bewundern: Den Palmsonntag mit echten Zweigen von Dattelpalmen, die Fußwaschung am Gründonnerstag, eucharistische Prozession in der Kirche und Anbetung die ganze Nacht, die Trauer des Karfreitags mit strengem Fasten, Kreuzweg und Passionen, die spontane Grabwache solange man wollte oder durchhielt, und endlich die Osternacht und ihre Faszination mit Osterfeuer, Taufe und feierlicher Liturgie. An jedem dieser Tage waren die Kirchen mit Gläubigen überfüllt – was übrigens bis heute so ist, mittlerweile finden viele Feiern aus Platzmangel nur noch im Freien statt.
Später durfte ich als Seelsorger Erfahrungen beim Begräbnisdienst sammeln und lernte so im Lauf der Zeit, mit dem Tod umzugehen. Kein Sterbefall gleicht dem anderen, jeder Verstorbene und seine zu tröstenden Hinterbliebenen hinterlassen ihre persönlichen Spuren. Nicht einmal die Armenbegräbnisse, wo ich nur mit dem Kreuzträger unterwegs bin, bleiben ohne einen Eindruck. Die Worte des Trostes, des Abschieds sind nur ein begrenzter Ausdruck für das Unbegreifliche. Sie führen zum Nachdenken über den Sinn des Lebens und das eigene Lebensziel. Darum bleibt auch jedes Begräbnis ein unvergessliches Ereignis und beschäftigt mich manchmal noch viele Tage danach. Man kann nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Dann kommt die Erkenntnis …
Jeder Mensch sucht einen Platz, wo er hingehört, wo er sein darf, wie er ist, wo er niemanden stört und von niemandem gestört wird. Jeder ist auf der Suche nach diesem Platz. Und wenn ich meinen Platz noch nicht gefunden habe, muss ich wenigstens davon träumen können. Ein Platz, wo alles stimmt, wo ich zur Ruhe komme und in Ruhe gelassen werden kann.
Jesus hat uns Platz gemacht. Der Platz ist dort, wo Jesus ist, bei Gott. Jesus selbst ist der Platz, und er lädt uns ein, bei ihm Platz zu nehmen. Wenn ich Jesus finde, kann ich schon in dieser Welt meinen ewigen Platz einnehmen.
Der „unsichtbare“ Gott ist Mensch geworden; er kommt als „Jesus“ auf uns zu, damit wir in Jesus alles finden: den Weg, die Wahrheit und das Leben, und unseren ewigen Platz bei Gott. Jesus braucht uns Gott nicht eigens zu zeigen, weil Gott sich selbst zeigt in der irdischen Jesus-Gestalt, aber wir müssen hinschauen mit den Augen des Herzens, das offen ist für die Liebe.
Denn der Zugang Gottes zu uns Menschen ist die Liebe. Der Zugang des Menschen zu Gott ist auch die Liebe. Jesus ist die Verkörperung der Liebe. Jesus ist die Tür zu den Menschen und die Tür zu Gott. Der Mensch hat sich eingeschlossen und abgeschlossen von Gott; in Jesus ist die Tür wieder aufgegangen: durch die Auferstehung. Frohe Ostern!
Euer Pfarrer Cliff Pinto