Die Beichtenden sollten sich im Dialog mit dem Beichtvater „gehört fühlen, nicht verhört“.
Die Beichtenden sollten sich im Dialog mit dem Beichtvater „gehört fühlen, nicht verhört“.
Im Mittelpunkt des neuen Interview-Buches mit Papst Franziskus stehen zwei „B“: die „Barmherzigkeit“ und das „Buß-Sakrament“. Ein Beitrag im SONNTAG
Die zentrale Stellung der Barmherzigkeit, die für mich die wichtigste Botschaft Jesu ist, hat sich in meinem Leben als Seelsorger ganz allmählich herauskristallisiert, eigentlich als Konsequenz meiner Erfahrung als Beichtvater“, erzählt Papst Franziskus in dem großen Interview, das der Vatikan-Insider Andrea Tornielli mit dem Bischof von Rom im Sommer 2015 geführt hat („Papst Franziskus. Der Name Gottes ist Barmherzigkeit“, Kösel-Verlag).
Ein Schlüsselerlebnis für Franziskus war eine Beichte im Alter von 17 Jahren. Der Papst weiß noch das Datum, es war der 21. September 1953. Seine Erfahrung: „Ich habe mich wirklich von der Barmherzigkeit Gottes angenommen gefühlt.“
Überhaupt hatte er es ein Leben lang mit vielen guten Beichtvätern zu tun. Franziskus erinnert in dem Interview auch daran, dass das „Gefühl für die Sünde verloren“ gegangen sei. Viele würden meinen, dass die Sünde etwas sei, „das weder geheilt noch vergeben werden kann.
Es fehlt die konkrete Erfahrung der Barmherzigkeit“. Den Beichtvätern empfiehlt der Papst das „Apostolat des Hörens“: „Redet, hört geduldig zu und vor allem: Sagt den Menschen, dass Gott sie liebt.“ Die Beichtenden sollten sich im Dialog mit dem Beichtvater „gehört fühlen, nicht verhört“. Das meine das Bild, dass der Beichtstuhl keine „Folterkammer“ sei dürfe.
Die Sünde sei mehr als ein Fleck, sie sei „eine Wunde“, die „versorgt und verarztet“ werden müsse.
Franziskus: „Gott erwartet uns, er wartet darauf, dass wir diesen winzigen Türspalt öffnen, damit er in uns wirken kann mit seiner Vergebung, seiner Gnade.“
Franziskus: „Die Kirche verurteilt die Sünde, indem sie die Wahrheit sagt: Das ist eine Sünde. Aber gleichzeitig umarmt sie den Sünder, der sich als solcher erkennt, sie nähert sich ihm und spricht zu ihm von der unendlichen Barmherzigkeit Gottes.“
Der Bischof von Rom wünscht sich im „Jahr der Barmherzigkeit“ eine „hinausgehende Kirche“: „Hinauszugehen aus den Kirchen und Pfarrhäusern, hinauszugehen und die Menschen dort zu suchen, wo sie leben, wo sie leiden, wo sie hoffen.“
Denn, so Franziskus: „Das Wichtigste ist, wieder aufzustehen, nicht liegen zu bleiben und sich die Wunden zu lecken.“
Aufgabe der Kirche sei es, „den Menschen klarzumachen, dass es keine Lage gibt, aus der man sich nicht mehr erheben kann“.
Und weiter: „Gott vergibt alles. Er gibt allen eine neue Chance. Er schenkt seine Barmherzigkeit jedem, der darum bittet. Wir sind es, die nicht verzeihen können.“
Franziskus spricht von „Korruption“: „Korrumpiert zu sein heißt, dass die Sünde nicht als solche erkannt wird und uns deshalb nicht demütig macht.“ Ein von der Sünde korrumpierter Mensch „hört auf, um Vergebung zu bitten und glaubt am Ende sogar, dass er das nicht nötig hat“.
Die Familie sei die „erste Schule der Barmherzigkeit“, „weil man dort geliebt wird und zu lieben lernt, weil man dort Vergebung findet und vergeben kann“.
Für das „Jahr der Barmherzigkeit“ empfiehlt Franziskus: „Sich für die Barmherzigkeit Gottes zu öffnen, sich selbst und das eigene Herz zu öffnen. Zu erlauben, dass Jesus ihm entgegenkommt, und sich voller Vertrauen auf die Beichte zu stützen.
Und barmherzig zu den anderen Menschen zu sein.“
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Im Interview-Buch erzählt Papst Franziskus viel über gute Beichtväter, die er erlebt hat, darunter auch ein Kapuziner: „Eines Tages kam er zu mir, weil er mit mir reden wollte.
Er sagte mir: ,Ich möchte dich um Hilfe bitten. Ich habe ständig so viele Leute vor dem Beichtstuhl, die unterschiedlichsten Menschen, einfache Leute und weniger einfache Leute, aber auch viele Priester...
Ich vergebe häufig, und manchmal habe ich Skrupel, dass ich vielleicht zu viel vergeben könnte.’“
Auf die Frage Bergoglios, was er denn tue, wenn er diese Skrupel verspüre, antwortete der Kapuziner: „Ich gehe in unsere kleine Kapelle, stelle mich vor den Tabernakel und sage zu Jesus: ,Herr, vergib mir, weil ich zu viel vergeben habe.
Aber schließlich warst es ja du, der mir dieses schlechte Beispiel gegeben hat.’“
Papst Franziskus
Ein Gespräch mit Andrea Tornielli
2015, Kösel; Edizioni Piemme S.p.a.
Auflage: 4. Auflage
Sonstiger Urheber Andrea Tornielli
Fester Einband
128 Seiten
ISBN: 978-3-466-37173-0
Dieses Buch online bei der Wiener Dombuchhandlung "Facultas" erstehen
Alles zum Jahr der Barmherzigkeit
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