Wenn es irgendwie geht, sollten wir nicht in der Stube bleiben. Öffnen wir unsere Augen für die Schönheit der Natur. Nehmen wir das Licht der Frühlingssonne als ein Geschenk Gottes an, dann wird es auch in unserer Seele ein wenig heller werden.
Wenn es irgendwie geht, sollten wir nicht in der Stube bleiben. Öffnen wir unsere Augen für die Schönheit der Natur. Nehmen wir das Licht der Frühlingssonne als ein Geschenk Gottes an, dann wird es auch in unserer Seele ein wenig heller werden.
Pater Karl Wallner im SONNTAG: Die Fastenzeit ist nicht nur dazu da, auf etwas zu verzichten. Es geht nicht nur um das Weglassen, sondern auch darum, etwas dazuzugewinnen. Ich möchte Sie dazu einladen, sich einen neuen Blick auf die Welt zu erobern.
Unsere Sinne sind ja das Tor zu unserer Seele. Besonders intensiv nehmen wir die Welt durch unser Schauen auf. Aber man muss richtig schauen können. Viele Menschen sind irgendwie blind geworden, obwohl sie mit den Augen sehen können. Jesus hat mehrfach Blinde geheilt. Die Fastenzeit soll dazu dienen, dass er auch bei uns blinde Flecken beseitigt. So möchte ich Sie zu einem dreifachen „Öffne Deine Augen" einladen:
Das erste „Augen auf!" gilt der Schönheit der Natur. Gott hat alles wunderbar geschaffen. Die Welt ist sein Werk. Die Natur legt Zeugnis ab für die Größe und Schönheit unseres Schöpfers. Es ist kein Zufall, dass die Fastenzeit in den Frühling fällt, wo alles wieder zum Leben erwacht.
Wenn es irgendwie geht, sollten wir nicht in der Stube bleiben. Öffnen wir unsere Augen für die Schönheit der Natur. Nehmen wir das Licht der Frühlingssonne als ein Geschenk Gottes an, dann wird es auch in unserer Seele ein wenig heller werden. Wir wären ja undankbare Kinder, wenn wir uns nicht an der Farbenpracht freuen würden, mit der unser himmlischer Vater die Natur schmückt.
Achtung: Es geht nicht bloß darum, wohlige Frühlingsgefühle zu genießen, – das tun ja auch die Nichtgläubigen. Wir Gläubige schauen durch die Schönheit des Frühlings hindurch die Größe des Schöpfergottes und danken ihm dafür.
Mein Tipp bezieht sich auf das Schauen auf Jesus. Mein Kloster liegt im Wienerwald, einer der schönsten Naturlandschaften Österreichs. An einer romantischen Wanderroute in der Nähe des Klosters steht ein Wegkreuz. Unter dem Gekreuzigten ist folgender Spruch zu lesen: „Willst du die Größe Gottes sehen, musst du in die Wälder gehen. Doch willst du die Liebe Gottes sehen, bleibe vor dem Kreuze stehen."
Die Schönheit der Natur ist nicht alles. Die Natur kann auch grausam sein, daran hat uns die Katastrophe in Japan erinnert. Ich möchte Sie dazu einladen, in dieser Fastenzeit vor allem unserem Erlöser Jesus Christus in die Augen zu schauen. Darum hängen ja in vielen Kirchen Fastentücher, von denen uns meist das Antlitz Christi entgegenstrahlt.
Jesus schaut uns mit liebenden Augen an. Lassen wir diesen Blick bewusst auf uns wirken. Der Blick des Herrn ist wissend, tröstend, manchmal herausfordernd, immer liebe-voll... Gönnen wir uns eine stille Meditation des Uns-Anblicken-Lassens. Das kann auch vor einem Kreuz sein, vor einer Christus-Ikone, vor einem Herz-Jesu-Bild, vor dem Tabernakel ...
Ich garantiere, dass das keine verlorene Zeit ist. Wenn wir von Aug zu Aug mit dem Heiland sind, sind wir es bald auch von Herz zu Herz. Dann entsteht ein Dialog.
Die Kirche will übrigens ausdrücklich, dass wir in der Fastenzeit tiefer auf Jesus schauen. Darum gibt es den Brauch, die Kreuze in den Gotteshäusern ab dem 5. Fastensonntag mit Tüchern zu verhüllen. Es geht nicht um ein Verstecken, sondern um einen Appell, genauer hinzuschauen.
Nie haben sich die Menschen mehr für den Berliner Reichstag interessiert als im Sommer 1995, als das Künstlerehepaar Christo und Jeanne-Claude das Gebäude pompös verhüllte. Gerade die verhüllten Kreuze rufen uns zu: „Schaut auf den Herrn!" Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass wir an einen Gott glauben, der uns liebt; der uns liebevoll anschaut.
Und dann brauchen wir noch ein drittes Hinschauen: Wir müssen wieder lernen, unseren Mitmenschen in die Augen zu schauen. Oder fällt das nur mir auf, dass wir uns immer weniger in die Augen schauen?
Jeder Blickkontakt ist zugleich ein Seelenkontakt. Es bedrückt mich, wenn mir jemand die Hand gibt, dabei aber an mir vorbeischaut. Leider geschieht das oft sogar beim Friedensgruß in der Heiligen Messe. Gerade dort geht es aber nicht um ein flüchtiges „Shake-Hands", sondern um den Frieden Christi, der vom Altar weg bis in unsere Herzen und Beziehungen hineinstrahlen soll.
Mein Tipp: Fangen Sie damit an, dem Nachbarn beim Friedensgruß einmal kurz in die Augen zu schauen, das ist schon ein Anfang. Und dann trainieren Sie zu Hause weiter: Schenken Sie Ihren Lieben daheim einen tiefen Blick in die Augen.
Sie werden staunen, wie sehr das eine Beziehung vertieft. Den Kreis können Sie dann sukzessive erweitern. Aber Achtung: Wer am Mitmenschen nicht vorbei, sondern in seine Augen schaut, wird bald merken, wo der andere Hilfe braucht ...
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Herr Jesus Christus,
ich erbitte von Dir in dieser Fastenzeit
offene Augen und ein dankbares Herz.
Lass mich über die Größe des himmlischen
Vaters staunen,
der die Welt so wunderbar erschaffen hat;
tröste mich mit Deinem liebevollen Blick
vom Kreuz herab,
mit dem Du mir und allen Menschen
Deine barmherzige Liebe zusagst.
Und lass es mich wagen,
meinen Mitmenschen in die Augen zu schauen,
damit ich sie besser lieben kann.
Amen.
(P. Karl Wallner)
Pater Karl Wallner
ist Rektor der Hochschule „Benedikt XVI.“ in Heiligenkreuz.
Mit 40 Rezepten aus Orden durch die Fastenzeit
Fastenzeit - 40tägige Vorbereitungszeit auf Ostern