Die Zisterzienserin Dinkelbach in Mitten der österreichischen Bischofskonferenz.
Die Zisterzienserin Dinkelbach in Mitten der österreichischen Bischofskonferenz.
Zum „Weltgebetstag für geistliche Berufe“: Eine Meditation der früheren Äbtissin von Marienkron, Mirjam Dinkelbach OCist, über die Vielschichtigkeit von „Gerufen-Werden“ und „Berufung“.
Ich habe großen Respekt vor dem Thema „Berufung“. Wer oder was ruft wen, wo, wann und wie zu was oder wohin?
Manchmal wird ein Dichter geboren, der Worte findet. Derzeit in aller Munde ist Shakespeare:
„Du aber sollst in ewgem Sommer blühn, / Nie deiner Schönheit Eigentum veralten; / Nie soll dich Tod in seine Schatten ziehn, / Wenn ewge Zeilen dich der Zeit enthalten. / Solange Menschen atmen, Augen sehn, / so long lives this, and this gives life to thee – Solang lebt dies, und heißt dich fortbestehn ...“ (Sonett 18).
Dies ist es. Genau!
Lass ihn „schmoren“
Auch sein Zeitgenosse John Donne weiß, wovon er spricht:
„Und wächst auch alles dem Zerfall entgegen, / Nie kommt die Zeit, da unsere Lieb’ verdorrt. / Sie kennt kein Gestern und sie kennt kein Morgen, / Und, fließt sie auch, / nie fließt sie von uns fort …“.
Wieder einmal die Liebe. Sie ruft. Unverfügbar, ausschließlich, unbegrenzt, stark wie der Tod und sicher wie der Tod. Hart wie die Unterwelt. Ihre Gluten sind Feuergluten, singt das Hohelied, gewaltige Flammen. Auch mächtige Wasser können die Liebe nicht löschen; auch Ströme schwemmen sie nicht weg...
Benedikt wusste das und suchte erst gar nicht nach Worten:
„Wenn einer neu ankommt, um Mönch zu werden, dann soll ihm der Eintritt nicht ohne weiteres gewährt werden“; man lasse ihn ordentlich schmoren und sage ihm, wie schwer der Weg ist (Benediktusregel 58). Lapidarer geht es nicht. Aber er wusste: wen sie erwischt hat, der lässt sich von so was nicht abwimmeln.
Bernhard von Clairvaux ließ sich nicht abwimmeln: „Mich treibt die Sehnsucht, nicht die Vernunft“. Nicht einmal Argumente hatte der adlige, edle, studierte Mann.
Irgendwie peinlich. Aber es muss ihm egal gewesen sein. Nicht jeder spricht gern übers Brautgemach.
Paulus fühlte sich wohl eher ferngesteuert: „Ein Zwang liegt auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde…“, schreibt er den Korinthern in seinem ersten Brief. Was um alles in der Welt hätte ihm denn passieren können? Voraussichtlich hätte er keine Ruhe mehr gehabt. Weder innerlich, noch äußerlich.
So wie Jona auf dem Schiff und im Fisch. Das war nicht nur „keine Ruhe mehr“. Das war Unruhe. Und nicht nur das unruhige Herz. Das war ein Alptraum. Lieber ab nach Ninive. Man kann sicher sein: der liebe Gott erreicht, was er will. Und wen er will (Jesaja 55). „Wie Regen und Schnee vom Himmel fallen und die Erde tränken, so bewirkt sein Wort, was er will und wozu er es ausgesandt hat.“ Das Küken schlüpft, die Knospe geht auf, das Feuer verzehrt… Wen es erfasst, der wird es schon merken. Dann ist es aber schon längst um ihn geschehen.
Warum und wozu also noch beten und bitten? „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenige Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Lukas 10). In Ordnung. Jesus weiß, was er sagt.
„Bleibt hier und wacht mit mir … denn der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.“. Er weiß auch, wovon er spricht (Matthäus 26). Wenn es ihm so ging, dann uns erst recht (Maleachi 3): „Wer erträgt den Tag, an dem er kommt? Wer kann besteh’n, wenn er erscheint? Denn er ist wie das Feuer.“
Darum: Gebet um Arbeiter und Gebet für die Arbeiter. Mit Inbrunst! Aber (Hohelied), um aller Gazellen und Hirsche der Welt willen: „Weckt die Liebe nicht, bevor es ihr selbst gefällt.“ Mit dem Feuer spielen darf nur einer.
Der Weltgebetstag für geistliche Berufungen am 11. Mai erinnert daran, dass Gesellschaft und Kirche Menschen brauchen, die als „Leuchttürme“ und „Wegweiser“ fungieren, die ihr Leben in den Dienst für andere stellen.
Hinaus ins Weite! Aus dem Motto des Vorjahres – „Glauben leben, Türen öffnen“ – erwächst eine neue Perspektive. Im gelebten Glauben wandert unser Blick über die Weite, die vor uns liegt. Es geht darum, Herausforderungen anzunehmen, die Freiheit zu spüren, sich auf Unbekanntes einzulassen – getragen von Vertrauen: „Er führte mich hinaus ins Weite, er befreite mich, denn er hatte an mir Gefallen“ (Psalm 18,20).
Auch Papst Franziskus ermutigt uns, keine Angst vor Neuem zu haben: „Daher erfordert jede Berufung stets ein Herausgehen aus sich selbst“, schreibt er in seinem Brief zum Weltgebetstag 2014. Und: Es ist „ein Auszug, der uns auf einen Weg der Anbetung des Herrn und des Dienens an ihm in den Brüdern und Schwestern führt“. Schon beim Ad-limina-Besuch der österr. Bischöfe im Jänner 2014 wies er darauf hin, dass jede und jeder gerufen und gesandt sei: „Aber es ist nicht gesagt, dass der Ort dieses Rufs nur das Pfarrzentrum ist. Es ist nicht gesagt, dass sein Moment notwendig die gemütliche Pfarrveranstaltung ist. Der Ruf Gottes kann uns genauso erreichen am Fließband und im Büro, im Supermarkt, im Stiegenhaus, also an den Orten des alltäglichen Lebens.“
Berufung ist kein Zwang. Sie ist Liebesangebot Gottes, und wir sind frei, ja oder nein zu sagen. Das freie „Ja“ des Menschen scheint riskant. Aber so lernen wir, die Perspektiven Gottes einzunehmen – ein Weg, der uns immer wieder „Hinaus ins Weite“ führt und unsere kleinen persönlichen Horizonte übersteigt. Davon geben im Werkheft des Canisiuswerks „Hinaus ins Weite“ (siehe »www.canisius.at«) Menschen Zeugnis, die ihrer Berufung gefolgt sind: Ein Priesteramtskandidat mit seinem persönlichen Weg; eine Ordensfrau, die die Welt mitgestalten möchte und eine junge Volontärin in Brasilien.
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