Evangelist Matthäus.
Evangelist Matthäus.
Das Matthäus-Evangelium prägt das neue Kirchenjahr (Lesejahr A): Pfarrer Roland Schwarz (Referat für Bibelpastoral im Pastoralamt) im Gespräch.
Was hat uns Matthäus heute für unser Kirche-Sein zu sagen?
Schwarz: Das Thema „Kirche" ist für Mt ganz wichtig. Ist er doch der einzige Evangelist, bei dem das griechische Wort für Kirche (ekklesía) zweimal vorkommt (16,18; 18,17). Die Jüngergemeinschaft um Jesus soll als Vorbild für authentisches Christsein dienen. Dazu gehört etwa, sich zu Jesus als Sohn Gottes zu bekennen, wie dies die Jünger im Anschluss an den Seewandel Jesu tun, anders als bei Markus, dessen Evangelium Mt bereits gekannt und verwendet hat (vgl. Mk 6,52 mit Mt 14,33). Mt betont, dass in einer Gemeinde keiner den anderen beherrschen darf („… ihr alle seid Geschwister“ 23,8). Trotz der geforderten Bereitschaft zur Vergebung überliefert er auch eine konkrete Regelung für den Fall, dass ein Christ in grober Weise die Anordnungen Jesu missachtet (18,15-18).
Wie zeigt Matthäus, dass Jesus der im AT verheißene Messias, der Sohn Gottes ist?
Schwarz: Öfter als bei den anderen Evangelisten wird Jesus bei Mt „Sohn Davids“ genannt. Im Judentum erwartete man den Messias aus dem Haus Davids. Petrus bekennt ausdrücklich, dass Jesus „der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ sei (16,16). Da dies als Anspruch auf weltliche Macht missverstanden werden konnte, sollten die Jünger dies aber nicht weitersagen (16,20). Mit Hilfe der so genannten Reflexionszitate, d.h. Sätze aus dem AT, die durch Formeln wie „damit erfüllt werde, was vom Herrn durch den Propheten gesagt wurde“ erkennbar sind (1,23; 2,15.18.23; u.a.), zeigt Mt, dass in Jesus sich das im Volk Israel begonnene Handeln Gottes fortsetzt.
Welche Rolle spielt das Gesetz, nicht nur in der Bergpredigt, für ein authentisches Christsein?
Schwarz: Jesus wollte das in den fünf Büchern Mose enthaltene Gesetz (die Tora) nicht außer Kraft setzen, sondern erfüllen. Das steht ganz ausdrücklich am Beginn der Bergpredigt (5,17-19). Die Erfüllung bedeutet für Jesus allerdings kein buchstabengetreues Einhalten einzelner Vorschriften. Es geht vielmehr darum, nach jüdischem Vorbild alle Lebensbereiche nach dem Willen Gottes zu gestalten. Zentrale Bedeutung für ein Leben nach der Tora hatten die Gebote der Gottes- und Nächstenliebe, die in der konkreten Situation über einer wörtlichen Erfüllung einer Vorschrift standen (22,34-40). So hat Jesus etwa angesichts der Hartherzigkeit seiner Zeitgenossen die in der Tora durchaus erlaubte Ausstellung eines Scheidebriefes eines Ehemannes an seine Frau abgelehnt (19,8) und damit – wie auch sonst durchgehend – eine entgrenzte Liebe als Ideal vorgegeben.
Welche Bedeutung haben die großen Reden Jesu im Matthäusevangelium?
Schwarz: Bei Mt finden wir fünf bis sechs große Redekompositionen. Diese sind: die Bergpredigt (5-7), die Jüngerrede (10), die Gleichnisrede (13), die Gemeindeunterweisung (18) und die Endzeitrede (24-25). Ob die Wehe-Rede (23) als eigene Rede zu betrachten ist, ist umstritten. Mt erweist sich als Katechet, denn Jesus hat diese Reden – wie die übrigen Evangelien zeigen – wohl nie genau in dieser Abfolge gehalten, sondern Mt hat gleichartige Texte im Dienst der Unterweisung seiner Gemeinde zusammengestellt. Genaueres zu Matthäus unter www.pastoralamt.at – Bibelpastoral
Interview: Stefan Kronthaler