Durch die bedingungslose Hingabe und die feste Hoffnung, in die Hände des Vaters zu fallen, überwindet Jesus jegliche Angst.
Durch die bedingungslose Hingabe und die feste Hoffnung, in die Hände des Vaters zu fallen, überwindet Jesus jegliche Angst.
Interview mit Pfarrer Dr. Roland Schwarz über das Markus-Evangelium.
Was sind die theologischen Schwerpunkte des Markus-Evangeliums?
Schwarz: Ein Schwerpunkt ist darin zu sehen, dass Markus (Mk) Jesus als Sohn Gottes bekennt.
In vielen Handschriften lautet der Beginn des Buches: „Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes“ (1,1). Jesus wird Sohn Gottes speziell bei seiner Taufe (1,11), der Verklärung (9,7) und im Winzergleichnis (12,6f) genannt. Schließlich erkennt der Hauptmann angesichts des Sterbens Jesu: „Dieser Mensch war Gottes Sohn“ (15,39).
Ob das ganz im Sinne des späteren kirchlichen Bekenntnisses verstanden wurde, ist unsicher. Denn dann müsste es heißen: „Dieser ist Gottes Sohn.“ Überdies war „Sohn Gottes“ ein vieldeutiger Begriff.
In der neueren Literatur wird die Gottessohnschaft Jesu bei Mk als provokante Alternative zur behaupteten göttlichen Abstammung der römischen Kaiser interpretiert, speziell zur Vergottung des Kaisers Vespasian, der mit seinem Sohn Titus 70 n. Chr. Jerusalem erobert hat.
Auch der Begriff „Evangelium“ selbst erscheint als Protest gegen den Machthaber. Dieses Wort wurde im Sinne einer „frohen Botschaft“ etwa bei der Thronbesteigung des Kaisers verwendet.
Also: Nicht der brutale Bezwinger, sondern der aus Liebe dienende Sklave, der sogar sein Leben opfert, bringt nach Mk echten Lebenssinn! Die Göttlichkeit Jesu leuchtet in der Erzählung vom Seewandel auf: Hier geht es nicht um die Frage „Wie konnte Jesus über das Wasser gehen?“, sondern die Bilder vom Sturm, vom Vorübergehen Jesu, vom Gang auf dem See, weiters seine Worte „Ich bin es, fürchtet euch nicht!“ (6,50) beschreiben Jesus so, wie dies jüdische und hellenistische Schriften von Gott selbst tun.
Was sind die Hauptprobleme der Gemeinde, für die der Evangelist schreibt?
Schwarz: Die Gemeindemitglieder mussten mit Feindseligkeiten wegen ihres Bekenntnisses zu Jesus und der Verkündigung des Evangeliums von der Gottesherrschaft (im Kontrast zum Kaiserkult) fertig werden (8,35).
Ein weiteres Problem war die Erfahrung, dass viele ihrer Nachbarn der Botschaft Jesu völlig unverständig gegenüberstanden: Das schlägt sich in jenen Texten nieder, in denen Jesus seine Jünger abseits von der Menge belehrt (4,10-12). Auch unterschiedliche Einschätzungen bezüglich des mehr oder weniger nahen Weltendes dürften für Spannungen gesorgt haben (13. Kapitel).
Welche Rolle spielt die Angst bei Markus?
Schwarz: Vergleicht man das Werk des Mk mit den anderen Evangelisten, so ist darin eine verstärkte Auseinandersetzung mit der Angst zu erkennen. Charakteristisch dafür ist der ursprüngliche Schluss: „Da verließen sie (die Frauen) das Grab und flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemand etwas davon; denn sie fürchteten sich sehr“ (16,8).
Auch in anderen Passagen ist bei Mk ein besonderer Schwerpunkt auf der Furcht zu beobachten (vgl. 4,40f; 6,50f; u.a.). Selbst Jesus wird in Getsemani von massiver Angst ergriffen (14,33); am Kreuz fühlt er sich von Gott verlassen (15,34), er stirbt aber mit dem Triumphschrei des Vertrauens (15,37). Durch die bedingungslose Hingabe und die feste Hoffnung, in die Hände des Vaters zu fallen, überwindet Jesus jegliche Angst.
Welche Literatur, welche Kommentare empfehlen Sie als Vertiefung?
Schwarz: Ganz neu ist ein Themenheft der Zeitschrift „Bibel und Kirche“ zu Markus (Heft 2/2011). Darin werden auch zahlreiche weitere Veröffentlichungen besprochen. Darüber hinaus halte ich den Kommentar von Wilfried Eckey (Neukirchener Verlag 1998) für kompetent, knapp und informativ.
Pfarrer Dr. Roland Schwarz
Referat Bibelpastoral.
Weitere Literatur und Informationen unter Pastoralamt, Refarat für Bibelpastoral/ die Evangelien.
Wilfried Eckey
Orientierung am Weg Jesu. Ein Kommentar
2008, Neukirchener Theologie
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591 Seiten
ISBN: 978-3-7887-2318-7
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