Gottes Wort wird aufgenommen und weitergegeben in den menschlichen, missverständlichen Worten der Bibel. Deshalb müssen sie im Blick auf ihn gelesen und gedeutet werden: „Gott ist Liebe“ (1 Joh 4,8.16).
Gottes Wort wird aufgenommen und weitergegeben in den menschlichen, missverständlichen Worten der Bibel. Deshalb müssen sie im Blick auf ihn gelesen und gedeutet werden: „Gott ist Liebe“ (1 Joh 4,8.16).
Nur mit der Bibel kann der Code zu unserer Welt geknackt werden, sagt der Bochumer Neutestamentler Thomas Söding. Denn weite Teile der Welt sind durch die Bibel geprägt.
Warum wir die Bibel brauchen? Die Antwort hängt davon ab, wer fragt.
Man kann schnell in Superlativen schwelgen. Die Bibel ist das am meisten gedruckte, das am meisten verkaufte, das am meisten verbreitete Buch der Welt. Allen Unkenrufen zum Trotz, ist es wahrscheinlich auch das Buch, das am meisten gelesen wird. Nicht unbedingt im Ganzen, aber ab und an und Stück für Stück. Die Bibel ist der Bestseller unter den Longsellern. Gewiss steht sie oft im Regal und verstaubt.
Aber wer sie aufschlägt, hat eine große Chance, zu erkennen, was Papst Franziskus im Vorwort zur neuen „Jugendbibel der katholischen Kirche“ fragt: Sie ist ein „Buch wie Feuer“.
Eine erste Antwort kann lauten: Weil wir ohne sie die Welt nicht verstehen, in der wir leben, und weil wir ohne sie auch uns selbst nicht verstehen.
Weite Teile dieser Welt sind durch die Bibel geprägt. Das wird ganz deutlich, wenn man die Bibel der Juden einbezieht, das „Alte Testament“ der Christenheit, und den Koran, der von der Bibel viel aufgenommen, allerdings auch viel weggelassen hat.
Durch die biblischen Geschichten von Adam und Eva, von Abraham und Sara, von Mose und Mirjam, von Rut, David und Ester ist unser Denken und Fühlen, unsere Kultur und Sprache tief geprägt, ganz zu schweigen von den Geschichten über Jesus, aber auch über Petrus und Paulus, über Elisabeth und Maria, die Mutter Jesu.
Barmherzigkeit ist keine Selbstverständlichkeit, aber durch das Gleichnis vom barmherzigen Samariter hat sie sich tief in die moralische DNA der Welt eingeschrieben. Nur mit der Bibel kann der Code zu unserer Welt geknackt werden. Warum es Kirchen in unseren Städten und Dörfern gibt, warum Schulen, in denen nicht nur Technik, sondern auch Religion unterrichtet wird, warum Krankenhäuser, in denen auch „hoffnungslose Fälle“ menschlich behandelt werden (sollen) – es wäre falsch, alle positiven Errungenschaften der menschlichen Zivilisation auf das Konto der Bibel zu buchen; aber wer sie vergisst, wird zum kulturellen und moralischen Analphabeten.
Umso schlimmer, dass die Bibel immer wieder Gewalt und Glaubenshärte, Kriege und Verfolgungen rechtfertigen sollte.
Aus diesem Grund reicht es nicht, bei der ersten Antwort zu bleiben. Es braucht ein tieferes Nachdenken.
Eine zweite Antwort muss Gott ins Spiel bringen. Er ist die entscheidende Gestalt der Bibel – nicht als Figur einer großen Meistererzählung, sondern als ihre Inspirationsquelle, ihr Gegenüber.
Sein Wort wird aufgenommen und weitergegeben in den menschlichen, missverständlichen Worten der Bibel. Deshalb müssen sie im Blick auf ihn gelesen und gedeutet werden: „Gott ist Liebe“ (1 Joh 4,8.16).
Warum wir die Bibel brauchen? Weil wir Gott brauchen – und seine Geschichte mit den Menschen in der Bibel finden können, nicht nur als vergangenes, sondern als gegenwärtiges Wort, das tröstet und befreit.
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Univ.-Prof. Dr. Thomas Söding
lehrt Neues Testament an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum.
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at
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