Der Weg zwischen einer guten Absicht und der entschlossenen Verwirklichung ist doch manchmal lang
Der Weg zwischen einer guten Absicht und der entschlossenen Verwirklichung ist doch manchmal lang
Dr. Marianne Schlosser schreibt über das Evangelium zum 26. Sonntag im Jahreskreis (28. September 2014)
Das 21. Kap. des Mt-Evangeliums, aus dem der heutige Abschnitt stammt, beginnt mit dem Einzug Jesu in Jerusalem: Er hatte die aufsehenerregende Tempelreinigung vollzogen, gepredigt, Lahme und Blinde geheilt. Viele im Volk sind begeistert.
Die Hohenpriester und Ältesten fordern Jesus auf, sich zu legitimieren (21,23-27). Jesus erwidert zunächst mit einer Gegenfrage: Sie sollen Stellung nehmen zu Johannes dem Täufer, auf dessen Predigt hin sich viele, die als schier „unbekehrbar“ galten – „Zöllner und Dirnen“ – neu an Gottes Geboten ausrichteten. Doch die Fragesteller weichen aus: „Wir wissen nicht“, ob das Wirken des Täufers einem göttlichen Auftrag entstammte oder nicht. Denn sie wollen die Konsequenzen nicht tragen.
Daraufhin legt Jesus ihnen die Geschichte von den beiden Söhnen vor, deren Verhalten für zwei Gruppen von Menschen steht. Da sind die einen, die keine Lust haben, den Willen des Vaters zu tun – die es aber später aufrichtig reut, so dass sie „umstecken“. Und die anderen, die zwar „Ja, Herr“ sagen, aber nichts dergleichen tun (vgl. Mt 7,21), sich nicht einmal erschüttern lassen durch die Umkehr anderer (vgl. Lk 15,7). Wer meint, selber keine Hinkehr zu Gott nötig zu haben, wird Jesus und seine Botschaft vom Reich Gottes nicht verstehen, während die anderen ihre ganze Hoffnung auf ihn setzen.
Und wir? Vielleicht, hoffentlich, liegt kein Abgrund zwischen Worten und Taten; aber der Weg zwischen einer guten Absicht und der entschlossenen Verwirklichung ist doch manchmal lang (vgl.1 Joh 3,18). Wer JA sagt, wird es immer wieder neu „einholen“ müssen – und verstehen, dass nicht nur die Reue des „zweiten Sohnes“ Gnade ist, sondern auch die gelebte Treue, das Durchtragen des „Ja“.
Dr. Marianne SchlosserUniversitätsprofessorin für Theologie der Spiritualität an der Uni Wien. 2014 wurde sie von Papst Franziskus in die internationale Theologenkommission in Rom berufen. |
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