„Seht, das Lamm Gottes!“ Dieser Ruf gilt nicht bloß den damals Umstehenden, sondern allen, die das Evangelium hören oder lesen.
„Seht, das Lamm Gottes!“ Dieser Ruf gilt nicht bloß den damals Umstehenden, sondern allen, die das Evangelium hören oder lesen.
Dr. Marianne Schlosser schreibt über das Evangelium zum 2. Sonntag im Jahreskreis (19. 1. 2014)
Bei der Taufe Jesu im Jordan (vergangenen Sonntag) hat sich für einen Augenblick der Schleier über der Existenz Jesu gehoben: Er ist der vom Vater geliebte Sohn, auf dem der Heilige Geist ruht – nicht nur so, wie Gottes Geist die Propheten für eine bestimmte Zeit oder Aufgabe ergriffen hatte, sondern bleibend und in ganzer Fülle.
Zum ersten Mal im Evangelium leuchtet das Geheimnis der Dreifaltigkeit Gottes klar auf. Johannes dem Täufer wurden dafür die Augen geöffnet. Und davon gibt er Zeugnis. Weil er „sah“ und sich ganz dem WORT als „Stimme“ zur Verfügung stellte, galt Johannes seit frühester Zeit als Vorbild für alle, die das Evangelium verkünden.
Was er zu sagen hat, kommt nicht aus natürlicher Einsicht oder familiärer Bekanntschaft mit Jesus. Johannes – mit Jesus verwandt! – bekennt vielmehr überraschend: „Auch ich kannte ihn nicht“. Man kann Jesus als Menschen „nach irdischen Maßstäben einschätzen“
(2 Kor 5,16). Aber man „kennt“ ihn erst, wenn man sieht, wer er in den Augen des Vaters ist.
In äußerster Verdichtung fasst Johannes sein Zeugnis in den Ausruf: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!“ In dieser Bezeichnung Jesu verbinden sich das geheimnisvolle Zeichen des Pessachlammes (vgl. Joh 19,36) und die Prophezeihung vom Gottesknecht, der nicht nur Israel, sondern allen Völker Gottes Heil bringen wird (1. Lesung).
„Seht, das Lamm Gottes!“ Dieser Ruf gilt nicht bloß den damals Umstehenden, sondern allen, die das Evangelium hören oder lesen.
Durch das Zeugnis des Johannes sollen wir die sehenden Augen des Glaubens bekommen. Wenn wir diese Worte in jeder Eucharistiefeier hören, sehen wir mit leiblichen Augen die gebrochene Hostie – wie auch die Jünger des Johannes leiblich den Menschen Jesus sahen.
Aber mit den Augen des Glaubens sehen wir im Sakrament den Erlöser der Welt, gesandt, um „im Heiligen Geist durch seinen Tod der Welt das Leben zu schenken“ (vgl. v.33).
Dr. Marianne SchlosserUniversitätsprofessorin für Theologie der Spiritualität an der Uni Wien. 2014 wurde sie von Papst Franziskus in die internationale Theologenkommission in Rom berufen. |
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