Jesus hält Thomas nicht für schwach, er blickt nicht auf ihn herab. Er blickt ihm in die Augen, er versteht ihn in seiner Glaubensnot und gibt dem Thomas das, was er jetzt braucht: er lässt sich berühren.
Jesus hält Thomas nicht für schwach, er blickt nicht auf ihn herab. Er blickt ihm in die Augen, er versteht ihn in seiner Glaubensnot und gibt dem Thomas das, was er jetzt braucht: er lässt sich berühren.
Dr. Beate Mayerhofer-Schöpf schreibt im "Sonntag" über das Evangelium zum 2. Sonntag der Osterzeit (12.4.2015)
Der „ungläubige Thomas“ ist sprichwörtlich geworden. Ist es fair, dem Apostel diesen Beinamen zu geben? Versetzen wir uns in seine Lage:
Jesus war wie ein Verbrecher am Kreuz exekutiert worden. Er war tot. Alle Träume und Hoffnungen waren mit einem Schlag vernichtet. Nicht nur Thomas, sondern auch alle anderen Jünger waren verschreckt, verbarrikadierten sich hinter verschlossenen Türen.
Die anderen Apostel jedoch hatten dem Thomas etwas voraus, als sie Jesus eine Woche früher sahen. Nur Thomas war nun mal nicht dabei. Hätten die anderen Jünger an seiner Stelle tatsächlich anders reagiert?
Und dann das Zeugnis der Jünger: „Wir haben den Herrn gesehen“.
Wir Christen heute haben uns vielleicht schon daran gewöhnt – aber für Thomas muss diese Behauptung etwas „Exotisches“ gewesen sein: es war schließlich bisher noch nie jemand von den Toten wiedergekommen. Das würde jeglicher Erfahrung und Logik widersprechen.
Thomas konnte dem Zeugnis der Jünger nicht glauben. So erscheint Jesus acht Tage später nochmals. Man könnte meinen, extra wegen ihm. Allen spricht er den Friedensgruß zu, dann aber wendet er sich ausschließlich dem Thomas zu.
Jesus hält Thomas nicht für schwach, er blickt nicht auf ihn herab. Er blickt ihm in die Augen, er versteht ihn in seiner Glaubensnot und gibt dem Thomas das, was er jetzt braucht: er lässt sich berühren.
Ob Thomas wirklich seine Hand in Jesu Seite gelegt hat, wissen wir nicht. Überliefert ist aber das Glaubensbekenntnis des Überwältigten: „Mein Herr und mein Gott!“
Diese Begebenheit macht mir Mut in meinen Glaubensschwierigkeiten: Jesus lehnt mein Fragen, mein Zweifeln, mein kritisches Nachdenken nicht ab. Meine Versuche zu erklären, zu verstehen, Argumente zu finden, sind für einen reifen, begründeten Glauben unerlässlich.
Zugleich gibt es einen Punkt, über den mein Nachdenken nicht hinauskommen kann. Dann ist es notwendig, dass ich Jesus begegne. Dass ich spüre, er schaut mich an. Was er sieht, stößt ihn nicht ab.
Ich bin mit meinen Licht- und Schattenseiten angenommen. Ein „Thomas-Moment“. Er wird geschenkt. Darauf bereite ich mich vor, dafür will ich offen sein. Ich kann sicher sein, Jesus kommt wie zu Thomas auch extra zu mir.
Dr. Beate Mayerhofer-Schöpfleitet im Pastoralamt der Erzdiözese Wien das Referat "Förderung Geistlichen Lebens". |
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Webseite: "Der Sonntag"
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