Wenn wir an der Eucharistie teilnehmen, dürfen wir wissen, dass wir hier den Beweis der Liebe des guten Hirten empfangen.
Wenn wir an der Eucharistie teilnehmen, dürfen wir wissen, dass wir hier den Beweis der Liebe des guten Hirten empfangen.
Dr. Marianne Schlosser schreibt über das Evangelium zum 4. Sonntag der Osterzeit (26.4.2015)
Es war Glaubensüberzeugung Israels, dass Gott einst einen vollkommenen Hirten für sein Volk senden werde, ja dass „er selbst kommen“ und sich um sein Volk kümmern werde (Ez 34; Ps 80).
Im heutigen Evangelium sagt Jesus, dass er diese Verheißung erfüllt. Aber er geht noch darüber hinaus: Er spricht von dem besonderen, vertrauten Verhältnis, das zwischen dem Hirten und seinen Schafen besteht – zwischen ihm und „den Seinen“.
Sie kennen einander – der Hirt kennt jedes „mit Namen“, jedes ist für ihn einzigartig.
Und die Schafe erkennen „seine Stimme“. Sie haben ein Gespür für ihn, weil sie ihm vertrauen. „Kennen“ bedeutet im Sprachgebrauch der Bibel oftmals so viel wie in Liebe verbunden sein, ähnlich wie wir im Deutschen sagen: Ich „verstehe“ mich mit jemandem, wir vertrauen einander.
Aber Jesus überbietet auch dies noch einmal, wenn er sagt: „Der gute Hirte gibt sein Leben für seine Schafe.“ Ja, auch Freunde können das Leben für den anderen geben – aber am Ende kann doch keiner dem anderen das Sterben-Müssen ersparen.
Wenn Jesus sein Leben gibt, ist es anders: Sein im Tod hingegebenes Leben ist die eigentliche „Weide“ für die Schafe, ihre Nahrung für das ewige Leben.
Das Evangelium spricht hier verhüllt von der Eucharistie. Darum heißt es in Offb 7,17, dass „das Lamm“ [die Erlösten] weiden und zu Wasserquellen führen wird“.
Damit klingt noch ein weiterer biblischer Text an, Ps 23: „Der Herr ist mein Hirte … er füllt mir reichlich den Becher“. Diesen Psalm kann man sehr gut zusammen mit dem heutigen Evangelium meditieren.
Wir dürfen dabei auch an das österliche Evangelium denken, in dem Maria von Magdala den Herrn erkennt, als er sie mit ihrem Namen anspricht – noch bevor sie ihn mit den Augen erkennt.
Auch wir sehen Christus nicht mit den leiblichen Augen. Aber seine Stimme können wir doch vernehmen: im Wort des Evangeliums, und auch in unserem Inneren, wenn wir versuchen, im Alltag aus dem Evangelium heraus zu leben. Und wenn wir an der Eucharistie teilnehmen, dürfen wir wissen, dass wir hier den Beweis der Liebe des guten Hirten empfangen.
Universitätsprofessorin für Theologie der Spiritualität an der Uni Wien. 2014 wurde sie von Papst Franziskus in die internationale Theologenkommission in Rom berufen.
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