„Wohin sollen wir gehen?“
„Wohin sollen wir gehen?“
Generalvikar Nikolaus Krasa: Evangeliumsauslegung zum 21. Sonntag im Jahreskreis (30.08.2015): - Die Frage des Herrn an die Zwölf gilt ebenso uns und die Antwort wird uns von Petrus vorbuchstabiert: „Wohin sollen wir gehen?“
Eigentlich begann die Sache ja recht harmlos: eine hungernde Menschenmenge am Ufer des Sees und ein Zeichen Jesu. Fünf Gerstenbrote und zwei Fische reichen ihm, den Hunger der Menge zu stillen.
Dass die Sache nicht so harmlos und idyllisch ist, markiert Johannes durch zwei Bemerkungen: Das Wunder geschieht in unmittelbarer Nähe zum Paschafest und Jesus muss sich vor seinen „Fans“, die ihn zum König machen wollen, in die Einsamkeit zurückziehen. Damit klingt das Pascha Jesu an, das für ihn zunächst tödlich ausgehen wird.
Trotz dieser Reaktion der Menge gibt es danach eine Art zweiten Anlauf. In der Synagoge von Kafarnaum versucht Jesus der Menge beizubringen, worum es ihm beim Zeichen der Brotvermehrung eigentlich ging. Aus dieser sogenannten Brotrede schöpften die Evangelien der vergangenen Sonntage. Das heutige Evangelium beschreibt, was nach dem Ende dieser Rede geschieht.
Ähnlich wie direkt nach dem Wunder der Brotvermehrung gibt es auch jetzt eine heftige Reaktion des Publikums, die so weit geht, dass viele Jünger im wörtlichen Sinn nicht mehr mitkommen, ja nach 7,1 darauf aus sind, Jesus zu töten.
Die Zwölf selbst, von Jesus befragt, bekennen ihre Zugehörigkeit zu ihm: „Wohin sollen wir gehen“ – und doch weiß Jesus bereits, dass diese Zugehörigkeit angefochten sein wird. Die Menge wird ihn verraten, so wie Judas Iskariot. Das Pascha Jesu ist nahe.
„Diese Zeichen sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt und das Leben habt.“ So heißt es im ersten Schluss des Johannesevangeliums (20,31). Im Zusammenhang des 6. Kapitels von Johannes, dessen Schlussworte das heutige Tagesevangelium darstellen, wird deutlich, wie herausfordernd dieser Glaubensweg sein kann.
Niemand ist davor gefeit, Jesus für seine Anliegen zu verzwecken („in seine Gewalt zu bringen“) oder einfach nicht mehr mit Jesus mit zu können.
Die Frage des Herrn an die Zwölf gilt ebenso uns und die Antwort wird uns von Petrus vorbuchstabiert: „Wohin sollen wir gehen?“ Petrus liefert dabei den existenziellen Schlüssel mit, warum er und die anderen (noch) dranbleiben am Weg Jesu: „Du hast Worte ewigen Lebens“.
Wie wäre das, diese Worte des Lebens (etwa in Gestalt der Brotrede im 6. Kapitel des Johannes, die wir an den letzten Sonntagen gehört haben), nochmals zu lesen, oder vielleicht besser – uns von ihnen herausfordern zu lassen: Können wir da mitgehen?
Lic. Dr. Nikolaus Krasa ist Generalvikar der Erzdiözese Wien und Domkapitular von St. Stephan.
Die Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag"