Das christliche Brauchtum ist Ausdruck des Glaubens und vermag auch die Gläubigkeit zu stützen.
Das christliche Brauchtum ist Ausdruck des Glaubens und vermag auch die Gläubigkeit zu stützen.
Dr. Marianne Schlosser schreibt über das Evangelium zum 22. Sonntag im Jahreskreis (30.8.2015) - Denn Glauben ist nicht Brauchtum oder Gewohnheit, sondern eine Überzeugung des Herzens (Tertullian).
Das Evangelium führt uns wieder einmal in ein Streitgespräch: Was taugt Brauchtum im religiösen Leben? Solche Bräuche und überlieferte Verhaltensweisen kennen wir auch: z.B. eine althergebrachte jährliche Wallfahrt, Bräuche um Hochzeit und Begräbnis, Brauchtum im Kirchenjahr: Alles belanglos? Nur äußerliche Formen? Gar Heuchelei, die – wie es Jesu Beispiel vor Augen führt (vv. 9 ff., in der Perikope ausgelassen) – sogar bis zur Aushebelung des Gebotes Gottes führen kann?
Die Veräußerlichung des religiösen Tuns hatten bereits die Propheten des AT immer wieder scharf kritisiert, gerade der Prophet Jesaja: Die Hände, die sich im Gebet zu Gott erheben, müssen „rein“ sein.
Dazu genügt es nicht, dass sie mit Wasser gewaschen sind. Vielmehr ist im Verhalten Treue zu Gottes Bund gefordert, das Herz muss rein sein.
Jesus greift also auf die prophetische Kritik zurück, wenn er das „Herz“ als Ort des Wollens und Planens, als Ort der Gottesbeziehung oder der Verstocktheit, ins Zentrum rückt.
Es gehört zum Glauben, dass er sich nach außen ausdrückt; aber wenn Brauchtum den Bezug zum Glauben verliert, wenn Bräuche sich lösen von dem, was sie ausdeuten sollen, ist eine Gewissens-erforschung angesagt.
Sind das Dreikönigwasser oder der Kräuterbüschel an Mariä Himmelfahrt wichtiger als die Mitfeier des Gottesdienstes an diesem Tag?
Gute religiöse Gebräuche, die oft in langer Erfahrung wurzeln, so meinte ein geistlicher Autor (David von Augsburg, 13. Jh.), seien wie schützende „Mäntel“ für die Tugend, die im Herzen ihren Sitz hat. Sie sind nicht die Heiligkeit selbst. So könnte auch ein Affe einen Mönchshabit anziehen, aber er werde dadurch natürlich kein Mönch!
Das christliche Brauchtum ist Ausdruck des Glaubens und vermag auch die Gläubigkeit zu stützen. Aber zum Christ-Sein genügt es nicht. Denn Glauben ist nicht Brauchtum oder Gewohnheit, sondern eine Überzeugung des Herzens (Tertullian).
Universitätsprofessorin für Theologie der Spiritualität an der Uni Wien. 2014 wurde sie von Papst Franziskus in die internationale Theologenkommission in Rom berufen.
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