Herr, öffne mir die Lippen, damit mein Mund dein Lob verkünde!
Herr, öffne mir die Lippen, damit mein Mund dein Lob verkünde!
Dr. Jacob Osundu Nwabor schreibt über das Evangelium vom 23. Sonntag im Jahreskreis (6.9.2015)
Bei den Wundern, die Jesus gewirkt hat und noch wirkt, geht es darum, die Herrlichkeit und Liebe Gottes sichtbar zu machen.
Sie werden von den Anwesenden stets begrüßt und gut geheißen. So auch bei der Wunderheilung eines Taubstummen, die uns der Evangelist Markus schildert. Außer sich vor Staunen sagten die Leute: „Er hat alles gut gemacht; er macht, dass die Tauben hören und die Stummen sprechen“.
Ausführlich wird beschrieben, wie Jesus den Mann beiseite nimmt, ihm die Finger auf die Ohren legt und dann dessen Zunge mit Speichel berührt; danach blickt er zum Himmel auf und seufzt… (v. 33). – Auch bei der Heilung des blinden Mannes von Betsaida (Mk 8, 22-26) wird Speichel verwendet, aber die Genesung passierte dort nicht sofort. Der Befehl Jesu nach den Ritualen: „Öffne dich“ erinnert an den Schöpfungsprozess.
Die Heilung ist eine Wiederherstellung dessen, was durch Krankheit kaputt gemacht wurde.
Wir sind von Gott mit verschiedenen Fähigkeiten ausgestattet worden, um hier auf Erde zu leben und in Kontakt mit ihm und der ganzen Schöpfung zu treten.
Die Fähigkeiten zu sehen, zu hören und zu reden sind dafür unabdingbar. Darum ist die Freude des Volkes leicht zu verstehen, als Jesus den Taubstummen heilte.
Wer einmal Probleme mit dem Gehör oder mit dem Sprechen gehabt hat, kann auch besser die Freude des Mannes und dessen Reaktion verstehen, die leider nicht überliefert ist. Alle Eltern, besonders die Mütter kennen die Situation, wenn sie auf das erste Wort ihrer Kinder warten.
Wir Priester aus dem Ausland, die hier in den Pfarren tätig sein dürfen, wissen, wie schwierig es war, bevor wir unsere ersten Sätze in deutscher Sprache bilden konnten. Und wie die Leute uns Mut gemacht haben, es zu wagen und etwas zu sagen. Wir waren quasi „taub und stumm“, aber durch die Gastfreundschaft und die Geduld der Leute haben wir sprechen gelernt. Großes Lob an alle Mutmacher, die uns auf diesem Weg begleitet haben!
Der Befehl Jesu „Öffne dich“ gilt uns allen, obwohl wir weder taub noch stumm sind.
Er sagt uns heute noch, öffne dich für das Gute, das in jedem Menschen und in der Schöpfung zu finden ist, öffne dich für das Wort Gottes und seine Lenkung.
Leider sind wir heute in großer Gefahr, unsere Sprachfähigkeit zu verlieren. Wie oft wird noch in den Familien geredet? Alles geht über die modernen Kommunikationsmittel.
Öffne dich für das Gute, du Mensch! Nicht umsonst ist diese Stelle aus dem Markusevangelium ein Teil des Taufritus, den der Priester bei der Taufe eines Kindes betet.
Es geht aber nicht nur um Reden und Hören, sondern auch um den Inhalt. Was reden wir und was sollen wir reden? Nur das, was den Mitmenschen aufbaut und Gott die Ehre bringt, ist brauchbar.
Herr, öffne mir die Lippen, damit mein Mund dein Lob verkünde!
Dr. Jacob Osundu Nwabor
ist seit zwei Jahren Moderator in den Pfarren Drasenhofen und Schrattenberg.
Die Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag"