Ich frage mich, ob wir unsere Augen offen halten für Menschen, die uns „Wasser geben“, auch wenn sie von Jesus und der Kirche nichts halten.
Ich frage mich, ob wir unsere Augen offen halten für Menschen, die uns „Wasser geben“, auch wenn sie von Jesus und der Kirche nichts halten.
Dr. Beate Mayerhofer-Schöpf schreibt im "Sonntag" über das Evangelium zum 26. Sonntag im Jahreskreis (27.09.2015)
Ich liebe es, auf meinem Balkon meine Pelargonien, mein Zitronenbäumchen, meine Tomatenstauden zu pflegen und ihnen beim Wachsen zuzuschauen.
Das heißt gießen, düngen, Ungeziefer entfernen, Unkraut jäten. Die Vogelmiere, die ich sonst immer eifrig weggezupft habe, lasse ich seit heuer in einem Topf wuchern. Denn ich habe erfahren, dass man daraus einen köstlichen Salat bereiten kann. Tatsächlich, schmeckt ein bisschen wie Maiskölbchen! Also, was ist schon Unkraut? Was soll man stehen lassen, was ausreißen?
Im heutigen Evangelium hören wir von einem Mann, der Jesus zwar nicht nachfolgt, aber Jesu Namen für sein Dämonenaustreibungsritual verwendet. Vielleicht verspricht er sich eine größere Wirkung davon?
Johannes, einer der Zwölf, ist empört. Der hat doch das Anliegen von Jesus gar nicht verstanden und spannt den Namen Jesu für seine eigenen Zwecke ein, ohne Erlaubnis, ohne Auftrag. Das ist ein Skandal! Das muss verhindert werden! Jesus aber entgegnet: lasst diesen Mann doch!
Es ist ganz klar, Jesus möchte, dass die Menschen wirklich seine Botschaft verstehen und in Verbindung mit ihm leben. Er spart nicht an scharfen Worten, wenn das Wort Gottes verstümmelt oder verdreht wird.
Ebenso ist ihm die Gemeinschaft derer, die ihm nachfolgen, ganz wichtig. Trotzdem sagt Jesus: lass diesen Mann doch! Jesus sagt das in großem Glauben an Gottes Macht und Größe.
Ich fühle mich dadurch ermutigt, nicht zuerst das Trennende zu sehen, die Gefahren, die Abweichungen, sondern zuallererst das Positive, die Chance.
Verschwenden wir unsere ganze Energie nicht damit, uns abzugrenzen, etwas zu verhindern. Setzen wir unsere Zeit und Kreativität mehr dafür ein, Anknüpfungspunkte zu finden.
Sogar die kleine Geste, wenn Menschen den Jüngern Wasser zu trinken geben, honoriert Jesus. Auch dann, wenn diese nicht an ihn glauben: Immerhin haben sie euch schon Wasser gegeben, sie sind für euch!
Ich frage mich, ob wir unsere Augen offen halten für Menschen, die uns „Wasser geben“, auch wenn sie von Jesus und der Kirche nichts halten.
Können wir das positiv sehen? Erkennen wir dieses Wohlwollen? Suchen wir das Gemeinsame?
Solange wir nicht vom Gegenteil überzeugt werden: Wer nicht gegen uns ist, ist für uns.
Verschwenden wir unsere Energie nicht in Grabenkämpfen!
Dr. Beate Mayerhofer-Schöpf leitet im Pastoralamt der Erzdiözese Wien das „Referat für Spiritualität“.
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