Von seinen Eltern nicht verstandenen, vom Spannungsfeld von elterlicher bzw. menschlicher und göttlicher Ordnung gezeichnet.
Von seinen Eltern nicht verstandenen, vom Spannungsfeld von elterlicher bzw. menschlicher und göttlicher Ordnung gezeichnet.
Generalvikar Nikolaus Krasa schreibt über das Evangelium zum Fest der Heiligen Familie (27.12.2015)
Das Fest der heiligen Familie war für mich das unpopulärste der Feste der Weihnachtszeit.
Meist hörte ich nach dem Gottesdienst einen entsprechenden Kommentar meiner Eltern. Dem Tagesevangelium drängte sich eine dezente Aufforderung zum Gehorsam der nicht immer ganz braven Kinder auf.
So schließt ja dieses Evangelium: Nach einer kurzen Episode pubertären Ungehorsams ist Jesus wieder bei seinen Eltern und ihnen gehorsam.
Ist die Geschichte vom zwölfjährigen Jesus also nur eine Episode eines pubertären Entwicklungsromans?
Heranwachsende waren ab dem 13. Lebensjahr, nach der Bar Mitzwa, als Erwachsene zum Halten des ganzen Gesetzes verpflichtet.
Diese Ebene der Textinterpretation greift zu kurz: Das heutige Evangelium stellt den letzten Abschnitt der sogenannten „Kindheitsgeschichten“ des Lukasevangeliums dar, einer Art Ouvertüre, einer Einleitung in eben dieses Evangelium.
In diesen ersten beiden Kapiteln von Lukas klingen daher Themen an, die für das gesamte Lukasevangelium zentral sein werden. In unserem heutigen Evangelium sind das etwa der Weg nach Jerusalem, die Zeitangabe der drei Tage, das Thema „Vater“, das göttliche „Muss“.
Im Blick auf diesen Gesamtzusammenhang wird deutlich , dass die Geschichte vom zwölfjährigen Jesus kein (spät)pubertärer Entwicklungsroman ist, sondern ein Hineinnehmen der LeserInnen und HörerInnen in Grundthemen des 3. Evangelisten.
Ein erster Hinweis dazu: Das heutige Evangelium beginnt mit einer Zeitangabe: Es ist Pascha. Diese Zeitangabe findet sich im Lukasevangelium erst wieder am Beginn des 22. Kapitels, dort wo vom Verrat des Judas die Rede ist. Danach durchzieht dieses Wort die Passionsgeschichte. Mit dem Wort Pascha klingt also die Passion Jesu an.
Eine zweite Beobachtung: Eigentlich gipfelt unser Text in einer unaufgelösten Spannung: Zunächst sagt Jesus, dass er zu seinem (himmlischen) Vater gehört, eigentlich noch dringlicher: gehören muss. Dann schließt aber das Evangelium damit, dass Jesus seinen Eltern gehorsam war (wörtlich „untergeordnet“).
Eine Grundspannung, die Josef und Maria (und damit der/die LeserIn an dieser Stelle des Evangeliums) nicht verstehen, wie Lukas 2,50 bemerkt. Jesus wird also im von seinen Eltern nicht verstandenen Spannungsfeld von elterlicher bzw. menschlicher und göttlicher Ordnung gezeichnet.
Diese Grundspannung findet ihren Höhepunkt in der Passion Jesu, manifest etwa in Ringen Jesu in der Ölbergnacht. Sie beginnt sich drei Tage danach, zu Ostern, zu lösen, genauer gesagt in einem 50-tägigen Weg, den Lukas skizziert, von Ostern bis Pfingsten.
Zu Pfingsten werden Jesu JüngerInnen seinen spannungsvollen Weg verstehen und verstehend ganz in diese Spannung eintauchen.
Lic. Dr. Nikolaus Krasa
ist Generalvikar der Erzdiözese Wien und
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