Solange das innere Wort aber nur in unserem Geist ist, kommt es niemand anderem zur Kenntnis.
Solange das innere Wort aber nur in unserem Geist ist, kommt es niemand anderem zur Kenntnis.
Marianne Schlosser schreibt zum Evangelium zum 2. Sonntag nach Weihnachten (3.1.2016)
Heute hören wir noch einmal das Evangelium, das bereits am Weihnachtstag gelesen wurde: ein Weihnachtsevangelium ohne Krippenromantik, ohne Hirten, Engel, Stern. Nichts, was der Fantasie Nahrung gäbe, nichts „fürs Gemüt“.
Der Beginn des Johannes-Evangeliums versucht das in Worte zu kleiden, was mit menschlichem Denken nicht vorstellbar ist: Dass Er, der da geboren wurde wie ein Mensch, nicht anfing zu existieren, sondern dass er immer schon war.
Dass er das „Wort“, d.h.: das Wissen und die Weisheit Gottes ist, nichts Geringeres als Gott selbst. Dass ohne ihn überhaupt nichts existierte, nichts Bestand hätte, ja, dass er der verborgene Sinn von Allem ist.
Und dass er in die Welt kam, „Fleisch annahm“, um in seiner Person „die Gnade und Wahrheit“ zu bringen.
Die Bezeichnung des Sohnes Gottes als „das Wort“, das „bei Gott ist“, lässt uns zunächst verstehen, dass der Sohn aus Gott Vater auf geistige Weise hervorgeht. Es war v. a. Augustinus, der die innergöttliche Zeugung des Sohnes mit einem Vorgang im menschlichen Geist verglich:
Wenn wir aus dem Wissen, das wir im Gedächtnis tragen, einen Gedanken formen oder ein inneres Wort bilden, dann ist „dieses Wort von gleicher Art wie das Wissen, aus dem es hervorgeht“, nämlich geistig.
Solange das innere Wort aber nur in unserem Geist ist, kommt es niemand anderem zur Kenntnis.
Wenn wir uns mitteilen wollen, bekleiden wir das geistige Wort sozusagen mit einem sprachlichen Körper, dem Wort-Klang: „Das Wort, das nach außen klingt, ist das Zeichen des Wortes, das im Innern verborgen ist.“ Dabei entfernt sich das innere Wort nicht aus dem Herzen des Sprechenden.
Wir sprechen, um verstanden zu werden.
Auch Gott will erkannt werden – das Wort will „aufgenommen werden“.
Und dann wird es wirksam: „Allen, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden“ (v.12), „aus Gott geboren zu sein“ (v.13), teilzuhaben an dem Leben des Sohnes Gottes selbst.
Universitätsprofessorin für Theologie der Spiritualität an der Uni Wien. 2014 wurde sie von Papst Franziskus in die internationale Theologenkommission in Rom berufen.
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