Gott kennt für sein Erbarmen keine Vorzugskriterien.
Gott kennt für sein Erbarmen keine Vorzugskriterien.
Beate Mayerhofer-Schöpf schreibt zum Evangelium zum 4. Sonntag im Jahreskreis (31.1.2016)
Jesus liest im Synagogengottesdienst aus der Schriftrolle des Propheten Jesaja und legt diese aus: „Heute hat sich das Schriftwort erfüllt.“
Wie die Menschen in der Synagoge seiner Heimatstadt seine Auslegung aufnehmen, hören wir heute.
Zunächst ist von staunendem Beifall die Rede. Die gute Nachricht für die Armen, Gefangenen, Blinden und Zerschlagenen nehmen sie wohlwollend an.
Dann kommen Zweifel auf: In diesem Jesus soll sich das alles erfüllen? Er ist ja bloß der Sohn des Josef!
Jesus spürt, dass man von ihm verlangt, seinen Anspruch mit einem Wunder zu beweisen. Das verweigert Jesus: „Kein Prophet wird in seiner Heimat anerkannt.“
Wie Jesus ihnen damit den Spiegel vorhält, das wird den Nazarenern nicht gefallen haben. Was aber das Fass zum Überlaufen bringt, ist Jesu Begründung: Er ist nicht nur zum Haus Israel gesandt, sondern seine Sendung weist in die Fremde hinaus.
Schon Elija wurde nach Sarepta (im heutigen Libanon) zu einer Witwe gesandt (1 Kön 17) und Elischa nach Syrien zum an Aussatz erkrankten Naaman (2 Kön 5).
Gott fragt nicht nach der Zugehörigkeit zu einem Volk oder zu einer Glaubensgruppe, bevor er sich erbarmt.
Da kocht die Wut in Nazaret hoch. Der Messias soll schließlich zuerst zum eigenen Volk kommen! Also, Jesus, tu ein Wunder, hier bei uns, in deiner Heimat!
Ähnliche Gedanken höre ich auch heute immer wieder: zuerst „unsere Leute“, an erster Stelle die Österreicher, zunächst die Christen …
Wie schwer ist es, die eigenen Hoffnungen und Möglichkeiten mit denen zu teilen, die uns wie „Fremdlinge“ vorkommen: Ausländer, Flüchtlinge, Moslems, Andersgläubige…
Gott kennt für sein Erbarmen keine Vorzugskriterien.
Und ich?
Dr. Beate Mayerhofer-Schöpf
leitet im Pastoralamt der Erzdiözese Wien das „Referat für Spiritualität“.
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at
Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien