Wir feiern (immer) noch Ostern, „damit das Ostergeheimnis, das wir in diesen fünfzig Tagen feiern, unser ganzes Leben prägt und verwandelt“.
Wir feiern (immer) noch Ostern, „damit das Ostergeheimnis, das wir in diesen fünfzig Tagen feiern, unser ganzes Leben prägt und verwandelt“.
Generalvikar Nikolaus Krasa schreibt über das Evangelium zum 6. Sonntag der Osterzeit (1.5.2016)
Vor einigen Jahren habe ich jemandem etwa um diese Zeit per Mail in einem offiziellen Schreiben frohe Ostern gewünscht.
Zurück kam ein erbostes Mail: Das sei wieder typisch Erzdiözese! Wie immer sei man zu spät dran. Seit Ostern seien doch schon fünf Wochen vergangen.
Richtig – seit dem Ostersonntag sind fünf Wochen verstrichen, Ostereier und Osterhasen sind aus den Regalen der Märkte verschwunden, und die Osterdekoration zu Hause ist vermutlich schon weggeräumt.
Von Osterstimmung ist nicht mehr viel zu spüren. Nur die Kirche, könnte man leicht zynisch sagen, ist wieder einmal hinten nach.
Zumindest liturgisch gesehen stimmt es: Wir feiern noch Ostern, bis die Pentekoste, die 50-tägige Osterzeit, am Pfingstfest endet.
Warum 50 Tage kirchlich Ostern feiern, wenn im Alltag Ostern wohl mit den Osterferien, spätestens jedenfalls am Weißen Sonntag endet?
Das Tagesgebet dieses Sonntags liefert in wunderbarer Kürze die Antwort – und es ist gerade deshalb eines meiner Lieblingsgebete aus dem Messbuch: Wir feiern (immer) noch Ostern, „damit das Ostergeheimnis, das wir in diesen fünfzig Tagen feiern, unser ganzes Leben prägt und verwandelt“.
Jetzt schon und nicht erst nach dem Tod. Mit uns soll also jetzt schon jene Veränderung geschehen, die Paulus mit „neuem Leben“ umschreibt, jene Veränderung, die aus den feigen, verängstigten Jüngern zu Pfingsten Zeugen der Auferstehung macht.
Wie geht das?
Die Abschiedsreden Jesu (eine lange Rede Jesu im Johannesevangelium unmittelbar nach dem Abendmahl und der Fußwaschung) versuchen genau darauf eine Antwort zu geben: Wie können wir in der Kirche, lange nach dem historischen Ostern, als „vom Ostergeheimnis Verwandelte“ leben?
Die Antworten des heutigen Evangelienabschnittes sind einfach: Es geht darum, in Kontakt mit Gottes Wort zu bleiben (aus der Bibel zu leben) und offen zu sein für Gottes auferweckenden heiligen Geist („Unterscheidung der Geister“ nennt das die ignatianische Tradition).
Der Evangelienabschnitt sagt aber auch, wie sich das in unserem Leben bemerkbar macht: Wir beginnen seinen Frieden zu spüren.
Im Hören auf sein Wort, offen für seinen Geist, beginnt der Auferstandene unser Herz zu verwandeln. Das geht nicht von heute auf morgen, das braucht, wie alle tiefen Veränderungsprozesse, Zeit: 50 Tage Osterzeit, jedes Jahr neu 50 Tage Ostern, ein ganzes Leben lang.
Lic. Dr. Nikolaus Krasa
ist Generalvikar der Erzdiözese Wien und
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