Aber was bleibt, wenn man aus Anpassung alles verleugnet, was wirklich wichtig ist? Was lohnt sich noch zu „retten“ – wenn man die ganze Welt gewonnen hätte, aber sich selbst verloren hat?
Aber was bleibt, wenn man aus Anpassung alles verleugnet, was wirklich wichtig ist? Was lohnt sich noch zu „retten“ – wenn man die ganze Welt gewonnen hätte, aber sich selbst verloren hat?
Dr. Marianne Schlosser schreibt zum Evangelium zum 12. Sonntag im Jahreskreis (19.6.2016)
Der Text klingt vertraut – und ist doch erschreckend. Da ist wirklich von „Selbstverleugnung“ die Rede. Und noch dazu sagt Jesus dies nicht zu einigen besonders Berufenen, sondern „zu allen“ (v.23), die zu ihm gehören wollen.
Jesus ist mehr als einer der großen Propheten, bei denen man auch in die Schule gehen konnte. Zu Beginn der Szene hatte er seine Jünger gefragt, was man im Volk über ihn sage. Sie selber sollten ihn besser verstehen.
Das ganze Gespräch findet statt, nachdem Jesus einsam im Gebet verweilt hatte (v.18) – wie immer vor entscheidenden Ereignissen. Was nun kommt, ist also nicht nebenbei gesagt, sondern die erste Ankündigung, wie es ihm, dem „Messias Gottes“ und „Menschensohn“, ergehen wird, ja ergehen „muss“. Damit korrigiert Jesus das Bekenntnis des Petrus, indem er offenbart, was es einschließt.
Lukas erzählt nicht, wie die Jünger darauf reagiert haben. Sie werden zu Tode erschrocken sein und verstanden haben, dass sie darüber zunächst schweigen sollten.
Die Worte von der Selbstverleugnung und dem täglichen Kreuztragen sind verbunden mit dem Bekenntnis zu Jesus als „dem Christus Gottes“, der von den Autoritäten dieser Welt gekreuzigt wurde, aber auferstanden ist.
Damit geschieht ein Urteil von Gott her über die Welt und ihre Wertmaßstäbe. Das gilt auch für die, welche im Glauben ihr Leben an den Auferstandenen binden; denn das Bekenntnis zu ihm ist keine Theorie.
Lukas wusste es, und wir wissen es auch: Das Bekenntnis zu Christus kann konkret Verfolgung und leiblichen Tod bedeuten.
Aber das kleine Wort „täglich“ weist darauf hin, dass viele Entscheidungen jeden Tag fallen, die manchmal unseren ganzen Mut erfordern: Man will nicht gern ein Spielverderber sein, man möchte seine Ruhe, einen respektablen Ruf und sich nirgends einmischen, nicht belächelt oder verschrien werden…
Aber was bleibt, wenn man aus Anpassung alles verleugnet, was wirklich wichtig ist?
Was lohnt sich noch zu „retten“ – wenn man die ganze Welt gewonnen hätte, aber sich selbst verloren hat?
Denn paradoxerweise kann man sich verlieren, wenn und weil man nur an sich selbst denkt; während derjenige, der sich im Blick auf Christus „verleugnet“ oder „sein Leben um seinetwillen verliert“, sich selbst gewinnt.
Universitätsprofessorin für Theologie der Spiritualität an der Uni Wien. 2014 wurde sie von Papst Franziskus in die internationale Theologenkommission in Rom berufen.
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