Der sich nicht hinter Stacheldraht verbarrikadiert und der den Schutz-Suchenden nicht im Mittelmeer ertrinken lässt, sitzt schon mit IHM am Tisch.
Der sich nicht hinter Stacheldraht verbarrikadiert und der den Schutz-Suchenden nicht im Mittelmeer ertrinken lässt, sitzt schon mit IHM am Tisch.
Beate Mayerhofer-Schöpf schreibt zum Evangelium zum 22. Sonntag im Jahreskreis (28.8.2016).
Zunächst spricht Jesus über die Plätze an einer Festtafel, danach über die rechten Gäste.
Zu beidem bringt er jeweils ein negatives als auch ein positives Beispiel.
Zunächst beim Thema „Ehrenplätze“: Man suche sich nicht den besten Platz aus, um nicht aufstehen und beschämt nach unten rücken zu müssen.
Positiv ausgedrückt: Wer sich auf den untersten Platz setzt, dem wird die Ehre zuteil, aufrücken zu sollen. Denn wer sich erhöht, wird erniedrigt und umgekehrt.
Das klingt nach einem rein praktischen Kalkül und eigentlich ziemlich eigennützig.
Diesen selbstzentrierten Blick weitet Jesus beim Thema „Gäste“:
Man möge nicht Freunde, Verwandte oder reiche Nachbarn einladen, die sich mit einer Gegeneinladung revanchieren würden.
Positiv: Arme, Krüppel und Blinde sollen die Gäste sein. Dann wird man selig sein.
Jesus lebt die Umpolung der gesellschaftlichen Konventionen vor: Wer an den Rand gedrückt wird, den stellt er in die Mitte. Wer nichts gilt, dem wendet er sich zu.
Jesus kippt festgefügte Machthierarchien. Er wirbt für ein Gegenmodell. Es ist üblich, dass die Größten ihre Macht auf Kosten der Schwächeren ausüben.
In Jesu Gefolgschaft sollen die „Ersten“ nicht auf ihre Macht verzichten, sondern ihre Möglichkeiten nutzen. Sie sollen dienen. Sie sollen die Schwächsten der Gesellschaft in die Mitte, sogar ins eigene Haus holen.
Jesus wurde „wie ein Sklave“, „er erniedrigte sich“ (Phil 2,7f). Gott selbst „bedient“ in seinem Sohn den Menschen.
Dienen wird dadurch zu einer göttlichen Tätigkeit. Jesus lädt ein, in diesen Dienst einzutreten. Dann braucht man sich nicht mit einer bloß gleichwertigen „Gegeneinladung“ zufrieden zu geben.
Es entsteht Raum, um etwas Größeres zu erleben: Man wird eingeladen zum Gastmahl mit IHM – denn „was ihr dem geringsten Bruder, der geringsten Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40).
Der sich nicht hinter Stacheldraht verbarrikadiert und der den Schutz-Suchenden nicht im Mittelmeer ertrinken lässt, sitzt schon mit IHM am Tisch.
Wer sich für den anderen hingibt, bleibt selbst nicht auf der Strecke. Eine „win-win“-Situation würde man wohl heute sagen.
Dr. Beate Mayerhofer-Schöpf
leitet im Pastoralamt der Erzdiözese Wien das „Referat für Spiritualität“.
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at
Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien