„wie ein Senfkorn …“ Jesus fordert dazu auf, nicht auf eine Ergänzung und Vermehrung des Glaubens zu warten, sondern stattdessen auf die Macht selbst des schwächsten Glaubens zu vertrauen.
„wie ein Senfkorn …“ Jesus fordert dazu auf, nicht auf eine Ergänzung und Vermehrung des Glaubens zu warten, sondern stattdessen auf die Macht selbst des schwächsten Glaubens zu vertrauen.
Mag. Josef Grünwidl schreibt im "SONNTAG" zum Evangelium zum 27. Sonntag im Jahreskreis (2.10.2016)
Je näher Jesus nach Jerusalem kommt, desto deutlicher wird der Konflikt, dem er entgegengeht und der scheinbar Unmögliches von ihm abverlangen wird: Leid, Kreuz und Tod.
Auf diesem Hintergrund gewinnt der Maulbeerbaum mit seinen besonders festen und tiefen Wurzeln eine auf die nachöster-liche Zeit verweisende Bedeutung.
„Heb dich aus dem Boden!“ Menschlich gesehen ist es paradox und unsinnig, einen Maulbeerbaum auszugraben und ins Meer zu verpflanzen.
Menschlich gesehen ist es auch unmöglich, dass einer von den Toten aufersteht und dass der Gekreuzigte lebt. Menschlich gesehen geht Jesus in Jerusalem seinem Ende entgegen.
Der Glaube jedoch sieht weiter und kapituliert nicht angesichts von Kreuz, Leid und Tod.
„wie ein Senfkorn …“ Jesus fordert dazu auf, nicht auf eine Ergänzung und Vermehrung des Glaubens zu warten, sondern stattdessen auf die Macht selbst des schwächsten Glaubens zu vertrauen.
„Könnte ich nur so glauben wie die Heiligen … Hätte ich ein so festes Gottvertrauen wie …“. Nein: Schon mein Senfkorn-Glaube trägt und kann wachsen.
„Stärke unseren Glauben!“ Die Stärkung des Glaubens, die Jesu Jünger erbitten, geschieht nicht zuerst durch Anstrengungen oder Leistungen unsererseits, sondern dadurch, dass wir uns von Gott stärken und beschenken lassen.
An Gott glauben heißt, ihm vertrauen, sich ganz in seine Hand geben und sich an Gott binden, wie Sklaven an ihren Herrn gebunden waren.
„Wir sind unnütze Sklaven.“ Sklaven waren nicht unabhängig und frei. Sie gehörten nicht sich selbst, sondern ihrem Herrn.
Der Vergleich mit den unnützen Sklaven aus Jesu Mund mag befremdlich klingen.
Dabei geht es jedoch weder um die Willkür oder das autoritäre Gehabe des Herren, noch um die Würde- oder Wertlosigkeit eines Sklaven.
Aus dem Zusammenhang mit der Bitte „Stärke unseren Glauben!“ wird klar: Mit diesem Bild beschreibt Jesus den Glauben als totale Abhängigkeit des Menschen von Gott. Wie ein Sklave an seinen Herrn gebunden ist, so weiß sich der gläubige Mensch existentiell von Gott getragen und geliebt, gerufen und beauftragt.
Das Wort „Religion“ wird oft vom lateinischen „re-ligare“ (rück-binden) hergeleitet. Religiös sein meint: sich ganz an Gott binden.
Glauben meint: Gott vertrauen und sich von ihm geliebt wissen.
Herr, stärke meinen Senfkorn-Glauben!
Mag. Josef Grünwidl,
seit 1. September 2014 Pfarrer in Perchtoldsdorf.
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at
Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien