Das erste, was Jesus macht, ist: Er setzt bei der Wirklichkeit an und weitet dann den Blick auf eine andere, uns noch verborgene Welt.
Das erste, was Jesus macht, ist: Er setzt bei der Wirklichkeit an und weitet dann den Blick auf eine andere, uns noch verborgene Welt.
Sr. Lic. Gudrun Schellner SSM schreibt zum Evangelium zum 32. Sonntag im Jahreskreis (6.11.2016)
In den vergangenen Monaten war meine Mutti sehr krank. Ich erinnere mich gut, dass ich zwei Tage vor ihrem Tod neben ihr saß und Überlegungen zum heutigen Evangelium anstellte.
Wie anders ist es, neben einem schwerkranken Menschen zu sitzen und diese Zeilen zu lesen, als wenn ich das auf meinem gewohnten Arbeitsplatz mache.
Plötzlich kommt mir die ganze Situation der Fragesteller fast lächerlich vor. Die Frage nach der Auferstehung ist in der heutigen Bibelstelle in einen Kontext gestellt, der eine reine Konstruktion ist. Wann passiert es, dass sieben Brüder ein- und dieselbe Frau heiraten?
Ich bewundere Jesus, dass er nicht bei der Unwahrscheinlichkeit dieses Beispiels hängen bleibt. Er erwähnt mit keinem Wort die völlig unrealistische Situation und stellt die Fragenden nicht bloß, sondern er filtert die echte Sehnsucht nach unendlichem Leben heraus und geht darauf ein – und das schrittweise.
Das erste, was Jesus macht, ist: Er setzt bei der Wirklichkeit an und weitet dann den Blick auf eine andere, uns noch verborgene Welt. Es wird kein Heiraten mehr geben, keine Bindung an einen Menschen allein und vor allem wird es keinen Tod mehr geben, keine Trennung von anderen, geliebten Menschen. Wir werden auf vollkommene Weise das sein, was wir jetzt schon sind: Kinder Gottes. – Und zwar in einer ganz umfassenden Weise.
Dann weist Jesus auf die den Fragenden bekannte Heilsgeschichte hin und macht deutlich: Ihr habt in euren Schriften schon eine Ahnung dieses lebendigen Gottes. Er ist ein Gott für alle Generationen.
Gott ist ein Gott der Lebenden, weil er ein Gott der Liebe ist. Liebe kennt keinen Tod, sondern findet immer einen Weg, dem Tod zu entrinnen. Das hoffe ich für meine Mutti, aber darüber hinaus für alle Menschen.
Sr. Lic. Gudrun Schellner SSM (Franziskanische Schwestern von der Schmerzhaften Mutter) ist AHS-Lehrerin und in der Pastoral tätig.
"Das Wort zur Schrift" - Gedanken zum Sonntagsevangelium
von Kardinal Christoph Schönborn
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