Christen folgen nicht der Autorität eines Gesetzes, sondern der Person Jesu.
Christen folgen nicht der Autorität eines Gesetzes, sondern der Person Jesu.
Dr. Ingeborg Gabriel schreibt in der Zeitung der Erzdiözese Wien "Der SONNTAG" ihre Gedanken zum Evangelium vom 12. Sonntag im Jahreskreis (30.6.2019)
zum 12. Sonntag im Jahreskreis; Lukas 9, 51–62
mit Impuls - Inspiriert vom Evangelium
Die Vertrautheit mit der Nachfolgegeschichte soll uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier etwas Ungeheuerliches, ja scheinbar Anstößiges geschieht.
Da kommt einer, ruft Menschen aus ihren Lebensumständen heraus, trennt sie von ihrer Familie und führt sie auf einem neuen, gänzlich unbekannten Weg.
Was berechtigt Jesus dazu? Kann das gut gehen? Das Ja auf diese Frage ist das Zentrum des christlichen Glaubens.
Das heutige Evangelium bringt mehrere knappe Berufungserzählungen hintereinander. Einer, der sich Jesus anschließen will, wird zurückgewiesen; zwei andere ruft er in seine Nachfolge, und zwar ohne den eigenen Vater zu begraben oder von ihrer Familie Abschied zu nehmen. Ob sie ihm gefolgt sind, erfahren wir nicht. Doch wenn wir ehrlich sind: Geht das nicht zu weit? Ist das menschlich und familiär vertretbar?
Das Evangelium beschreibt hier urchristliche Erfahrungen dessen, was Christsein ausmacht. Jesus ruft einzelne Menschen, sich ihm anzuschließen, seine Botschaft von der Herrschaft Gottes zu verkündigen.
Das Christentum ist eine Religion der individuellen Berufung und Nachfolge. Dies war für die Christen in den ersten Jahrhunderten ganz klar und ist es auch heute in vielen Weltgegenden, vor allem dort, wo Christen unter Benachteiligungen leiden und verfolgt werden. Für uns hat eine lange Zeit des Staatskirchentums, wo jeder dazu gehören musste, das verschleiert.
Folge mir nach! Ein jüdischer Professor sagte mir einmal im Gespräch: Das Christentum ist eine mystische Religion. Er drückte damit eben das aus: Christen folgen nicht der Autorität eines Gesetzes, sondern der Person Jesu. Doch widerspricht das nicht der eigenen Würde? Ist es schlicht gesagt nicht infantil zu tun, was ein anderer mir sagt? Das Erstaunliche ist, dass das Gegenteil der Fall ist.
Die Nachfolge Jesu als Sohn Gottes führt nicht zur Entfremdung, sondern zur Freiheit, so die heutige Lesung aus dem Galaterbrief. Gerade durch den Ruf Jesu finden Christen und Christinnen zu sich selbst. Die Autobiographie von Bruder David Steindl-Rast trägt den wunderbaren Titel, der diese Erfahrung zum Ausdruck bringt: Durch Dich bin ich so ich.
Damit das Ganze Sinn macht, muss man freilich auf das ganze Leben schauen. Denn die Geschichten enden ja nicht mit der von Gott ausgehenden Initialzündung. Sie muss Tag für Tag mit Vernunft und Kreativität im Alltag umgesetzt werden. Dafür gibt es keine Patentrezepte. Erstaunlich ist nur, dass Christsein aus diesem Ruf heraus überhaupt gelingen kann, auch unter den großen Schwierigkeiten.
nach Lukas 9, 51–62
Als sich die Tage erfüllten, dass er hinweggenommen werden sollte, fasste Jesus den festen Entschluss, nach Jerusalem zu gehen. Und er schickte Boten vor sich her. Diese gingen und kamen in ein Dorf der Samaríter und wollten eine Unterkunft für ihn besorgen. Aber man nahm ihn nicht auf, weil er auf dem Weg nach Jerusalem war.
Als die Jünger Jakobus und Johannes das sahen, sagten sie: Herr, sollen wir sagen, dass Feuer vom Himmel fällt und sie verzehrt? Da wandte er sich um und wies sie zurecht. Und sie gingen in ein anderes Dorf.
Als sie auf dem Weg weiterzogen, sagte ein Mann zu Jesus: Ich will dir nachfolgen, wohin du auch gehst. Jesus antwortete ihm: Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann.
Zu einem anderen sagte er: Folge mir nach! Der erwiderte: Lass mich zuerst weggehen und meinen Vater begraben! Jesus sagte zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh und verkünde das Reich Gottes!
Wieder ein anderer sagte: Ich will dir nachfolgen, Herr. Zuvor aber lass mich Abschied nehmen von denen, die in meinem Hause sind. Jesus erwiderte ihm: Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.
Inspiriert vom Evangelium
Was bedeutet für mich meine Berufung zum Christen/zur Christin?
Welches Profil will ich ihr geben?
Was heißt das für den Alltag:
macht es ihn einfacher oder schwieriger?
Ist diese Berufung für mich
eine Quelle der Freiheit und des Selbstseins?
zur Person:
Universitätsprofessorin Dr. Ingeborg Gabriel
leitet das Fach Sozialethik an der Universität Wien.
"Das Wort zur Schrift" - Gedanken zum Evangelium
Kardinals Gedanken zum Evangelium
Wir bieten hier den Pfarren die Doppelseite des SONNTAG mit den Schriftstellen und dem Evangeliumskommentar zum Ausdruck als *pdf an.
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