Ein faszinierendes Gedankenexperiment. Wie stelle ich mir Gottes Stimme vor? Wie klingt Gott?
Ein faszinierendes Gedankenexperiment. Wie stelle ich mir Gottes Stimme vor? Wie klingt Gott?
Elisabeth Birnbaum schreibt in der Zeitung der Erzdiözese Wien "Der SONNTAG" ihre Gedanken zum Evangelium zum Fest Taufe des Herrn (12.1.2020)
zum Fest Taufe des Herrn:
mit Impuls - Inspiriert vom Evangelium; Matthäus 3, 13-17
Gott offenbart sich bei der Taufe Jesu mit seiner Stimme. In der Bibel ist auch an vielen anderen Stellen davon die Rede, dass Gottes Stimme hörbar wird und er dem Menschen etwas sagt. Und das führt mich zu einer Frage, die mich schon lange beschäftigt: Wie hört es sich an, wenn Gott zu uns spricht? Wie wird Gottes Offenbarung hörbar?
Für mich ist das ein faszinierendes Gedankenexperiment. Wie stelle ich mir Gottes Stimme vor? Wie klingt Gott? Als ehemalige Musikerin haben mich die Antworten von Musiker/innen interessiert und inspiriert. Denn Komponist/innen müssen sich dieser Frage spätestens dann stellen, wenn sie in einem musikalischen Werk Gottes Erscheinen hörbar machen möchten und einiges vorweg entscheiden: Spricht er überhaupt selbst oder lässt er etwas ausrichten? Wenn zweiteres, dann von wem? Von einer Prophetenstimme? Einer Engelsstimme?
Und wenn er selbst spricht: Offenbart er sich mit seiner Stimme oder durch Töne, Klänge oder Geräusche? Klingen diese furchteinflößend wie ein Donner, sozusagen mit Pauken und Trompeten, oder sind es sanfte leise Töne – oder gar die üblichen Klänge, die wir aus so vielen BBC-Dokumentationen kennen: die Klänge eines pathetischen Frauenchors?
Und wie würde seine Stimme klingen, wenn er tatsächlich spräche: wie ein hoher Sopran oder ein dunkler Bass?
In Oratorien ist die Vielfalt groß: Engelsterzette (natürlich Frauenstimmen), eifernde Bass-Stimmen, jubelnde Chöre, dramatische Instrumentalstücke künden vom Erscheinen des Göttlichen oder – weniger einfallsreich: Gott spricht mit väterlicher, dunkler, majestätisch getragener Bassstimme.
Meine persönliche Vorstellung ist am ehesten angelehnt an die Weise, die Arnold Schönberg in „Moses und Aaron“ ausgeführt hat, einem Werk, das sich sehr intensiv mit der Frage auseinandersetzt, wie Gott überhaupt erfahrbar sein kann.
In der Szene mit dem brennenden Dornbusch wird die Stimme Gottes nicht von einer Person gesprochen oder gesungen, sondern von einem Sprechchor und einem Gesangsensemble zeitgleich. Gott spricht und singt zugleich, ist sowohl Sopran, Alt, Tenor als auch Bass und Sprechstimme in allen Höhen. Der Unvorstellbare wird dadurch in seiner Uneindeutigkeit und seinem Geheimnis belassen.
Und das ist auch im heutigen Evangelium so: Wir erfahren, dass eine Stimme aus dem Himmel spricht, aber wie sie klingt, lässt Matthäus dankenswerterweise offen. Damit er auch in seinem Offenbarwerden noch der Geheimnisvolle bleibt.
nach Matthäus 3,13-17
In jener Zeit kam Jesus von Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen.
Johannes aber wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm: Ich müsste von dir getauft werden, und du kommst zu mir?
Jesus antwortete ihm: Lass es nur zu! Denn nur so können wir die Gerechtigkeit, die Gott fordert, ganz erfüllen. Da gab Johannes nach.
Kaum war Jesus getauft und aus dem Wasser gestiegen, da öffnete sich der Himmel, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen.
Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe.
Wie stelle ich mir Gottes Stimme vor?
Rechne ich überhaupt damit, dass Gott etwas zu mir sagt?
Habe ich schon einmal erlebt, dass ich mir ganz sicher war,
dass Gott zu mir gesprochen hat?
Wie hat sich das angefühlt oder angehört?
Warum war ich mir so sicher, dass es Gott war?
Elisabeth Birnbaum
ist Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerkes
Wir bieten hier den Pfarren die Doppelseite des SONNTAG mit den Schriftstellen und dem Evangeliumskommentar zum Ausdruck als *pdf an.
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