Ich bin froh, dass Jesus uns den Idealfall zeigt. Und dass es eine Gesetzesordnung gibt, die bis zum Eintreten des Idealfalls für Gerechtigkeit sorgt.
Ich bin froh, dass Jesus uns den Idealfall zeigt. Und dass es eine Gesetzesordnung gibt, die bis zum Eintreten des Idealfalls für Gerechtigkeit sorgt.
Elisabeth Birnbaum schreibt in der Zeitung der Erzdiözese Wien "Der SONNTAG" ihre Gedanken zum Evangelium zum 7. Sonntag im Jahreskreis (23.2.2020)
zum 7. Sonntag im Jahreskreis
mit Impuls - Inspiriert vom Evangelium; Matthäus 5, 38-48
Ich gebe zu, der Text ist kein bequemer, angenehmer Text für mich. Er fordert mich in mehrerer Hinsicht heraus: Da ist zum einen natürlich die Herausforderung eine Form der Vollkommenheit zu erlangen, der ich mich nicht gewachsen fühle. Meine „Feinde“ zu lieben und die andere Wange hinzuhalten, das fällt mir nicht leicht. Vor allem, wenn mir etwas wirklich Schlimmes angetan wurde.
Mir wird auch ein wenig mulmig bei diesem Evangelium, gerade angesichts der großen Missbrauchsdiskussion der letzten Jahre. Ist es wirklich immer die richtige Entscheidung den Tätern keinen Widerstand zu leisten? Wie ist es dann mit Bonhoeffers Aufruf, dem „Rad in die Speichen“ zu fallen?
Doch die größte und ganz anders geartete Herausforderung liegt für mich als Alttestamentlerin in der herkömmlichen Auslegung dieses Textes. Sie speist sich aus der Gegenüberstellung von „früher“ und „jetzt“.
Früher, also im Alten Testament, so sagt diese Auslegung, gab es nur „Auge um Auge“ – und meist schwingt dabei mit: „Auge um Auge“ sei die rachsüchtige, brutale Sichtweise des alttestamentlichen (jüdischen??) Volkes, während wir Christen friedfertig und barmherzig seien.
Diese Auslegung ist so unzutreffend wie beständig. Und ich leide darunter. In jeder Erwachsenenbildung, in der Pfarre, in gesellschaftlichen Zusammenkünften jeglicher Art begegne ich diesem Stereotyp und versuche dagegen zu argumentieren. Meist gelingt mir das auch, aber beim nächsten Kurs und beim nächsten Gespräch beginnt alles wieder von vorn.
Dass „Auge um Auge“ nicht Rache bedeutet, sondern einen angemessenen (finanziellen!) Schadenersatz für eine Untat, will sich offenbar nicht vermitteln lassen.
Dabei dient das Prinzip dazu, dass sich einerseits die Mächtigen nicht von einer Wiedergutmachung dispensieren können („Auge um Hosenknopf“) und andererseits, damit es genau nicht zu einer unverhältnismäßigen Eskalierung der Gewalt kommt („Auge um ganzer Mensch“). Ein Dieb muss anders bestraft werden als ein Massenmörder, unabhängig von seiner Position und Macht. Darum geht es.
Doch offensichtlich lässt sich der Satz zu gut als Slogan nützen, um die „Vor“- oder „Nichtchristen“ ins böse Brutal-Eck zu stellen und das ganze Alte Testament als grausam zu verunglimpfen.
Doch wenn Jesus zur Überbietung dieses Prinzips aufruft, dann nicht, weil das Prinzip brutal oder ungerecht wäre. Sondern weil er zu einem „noch mehr“ aufrüttelt.
Für mich heißt das: Nicht ausruhen auf der eigenen „Rechtschaffenheit“, weiter gehen bis zur Grenze des Machbaren, auf ein Ziel zu, dass wir hier auf Erden nie ganz erreichen werden.
Ich bin froh, dass Jesus uns den Idealfall zeigt. Und dass es eine Gesetzesordnung gibt, die bis zum Eintreten des Idealfalls für Gerechtigkeit sorgt.
nach Matthäus 5, 38 - 48
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:
Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin!
Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel! Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm! Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab!
Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.
Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden?
Seid also vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.
Wem kann ich etwas geben,
ohne Vorteile oder Dank dafür zu erwarten?
Wie kann ich mich so festigen,
dass mich Anfeindungen nicht treffen?
Feinde zu lieben ist schwer.
Gelingt es mir, sie wenigstens nicht zu hassen?
Elisabeth Birnbaum
ist Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerkes
Wir bieten hier den Pfarren die Doppelseite des SONNTAG mit den Schriftstellen und dem Evangeliumskommentar zum Ausdruck als *pdf an.
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E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at