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05.04.2020 · Glaube · Fastenzeit & Ostern

Keine Sympathie für Pilatus (Mt 27,1-26)

Ein perfektes Beispiel für Massen­manipulation. Pilatus weiß die Empörung dann noch zu steigern, wenn er, wieder scheinbar jovial, fragt, was dann mit diesem „Christus“ geschehen soll.

Elisabeth Birnbaum schreibt in der Zeitung der Erzdiözese Wien "Der SONNTAG" ihre Gedanken zum Evangelium zum Palmsonntag (5.4.2020)

 

 

Das Wort zur Schrift - meine Gedanken zum Evangelium

zum Palmsonntag

 

mit Impuls - Inspiriert vom Evangelium; Matthäus 27,1-26

 

Ich finde Pilatus im Matthäusevangelium erfrischend unsympathisch. Und das macht mir das Matthäusevangelium selbst wiederum sympathisch. Denn dadurch wird die Frage, wer schuld am Tod Jesu ist, differenzierter und vielschichtiger beantwortet als in den anderen Evangelien. Und das hat auch Auswirkungen auf die Rolle, die „das Volk“ dabei spielt.

 

Dass die Oberschicht Jerusalems, die Hohepriester und die Ältesten des Volkes, bei Matthäus nicht gut wegkommt, ist offensichtlich. Vorgeworfen wird den Volksführern List, Hartherzigkeit, Brutalität und Manipulation des Volkes.

 

Aber Matthäus stellt ihnen keinen gutherzigen, schwachen Pilatus gegenüber, sondern versteht es sehr gut, hinter der scheinbaren Jovialität seines Pilatus dieselbe List, Hartherzigkeit, Brutalität und Manipulation des Volkes sichtbar zu machen.


Das fällt mir besonders an einem Detail auf: Anders als in anderen Evangelien gibt der matthäische Pilatus der Menge eine scheinbar freundliche Auswahlmöglichkeit zwischen der Freilassung von Jesus und der des Barabbas. Das erscheint mir verdächtig: Denn wenn die Menge üblicherweise einen beliebigen Gefangenen „verlangen“ darf (vgl. 27,15), warum darf sie dann diesmal nur zwischen einem von zwei vorgegebenen wählen? Und wenn Pilatus sich über den Usus hinwegsetzen wollte: warum dann überhaupt eine Wahl lassen und nicht gleich jemanden bestimmen?


Ich sehe darin eine bewusste Strategie, bei der Jerusalems Mächtige und Pilatus einander perfekt in die Hände spielen. Hätte Pilatus die Menge frei wählen lassen, hätten sie zwar vielleicht trotzdem nicht Jesus gewählt, aber es wäre kein Aufruhr entstanden. So aber hetzen die Mächtigen die Menge gegen Jesus auf und Pilatus sorgt mit seiner scheinbar harmlosen, in Wahrheit höchst provokanten Frage dafür, dass sich die Empörung gegen Jesus auch entlädt.

 

Ein perfektes Beispiel für Massen­manipulation. Die Empörung weiß Pilatus dann noch zu steigern, wenn er, wieder scheinbar jovial, fragt, was dann mit diesem „Christus“ geschehen soll.


Und auch, als er die Hände in Unschuld wäscht, versucht er keineswegs die in Rage gebrachte Menge zu beschwichtigen oder von der Unschuld Jesu zu überzeugen. Vielmehr erreicht er durch sein scheinbares Zögern, dass das „ganze Volk“ in seiner Aufgewühltheit den Rollentausch des Pilatus nicht bemerkt und sich als Entscheidungsträger fühlt. Und plötzlich steht es mit einer Entscheidung da, die es nicht aus sich selbst getroffen hätte und die es auch gar nicht treffen kann, da es die Befugnis dazu gar nicht hat.


Pilatus nützt genau diesen Moment, um, nun wieder in seiner wahren Rolle, Jesus zur Kreuzigung auszuliefern, also das zu tun, was auch Judas tat, nur, dass man das Wort dort oft mit „verraten“ übersetzt hat. Ausbaden muss es „das Volk“, das durch übelste Manipulation dazu getrieben wird, eine Verantwortung zu übernehmen, die es nicht übernehmen hätte dürfen.


Nein, ich kann an diesem Pilatus nichts Sympathisches finden. Und dafür danke ich Matthäus.   

 

 

Evangelium

nach Matthäus  27,1-26

 

Das Leiden unseres Herrn Jesus Christus nach Matthäus

 

Die Übergabe an Pilatus

Als es Morgen wurde, fassten die Hohepriester und die Ältesten des Volkes gemeinsam den Beschluss, Jesus hinrichten zu lassen. Sie ließen ihn fesseln und abführen und lieferten ihn dem Statthalter Pilatus aus.

 

Das Ende des Judas

Als nun Judas, der ihn ausgeliefert hatte, sah, dass Jesus verurteilt war, reute ihn seine Tat. Er brachte den Hohepriestern und den Ältesten die dreißig Silberstücke zurück und sagte: Ich habe gesündigt, ich habe unschuldiges Blut ausgeliefert.

 

Sie antworteten: Was geht das uns an? Das ist deine Sache. Da warf er die Silberstücke in den Tempel; dann ging er weg und erhängte sich. Die Hohepriester nahmen die Silberstücke und sagten: Man darf das Geld nicht in den Tempelschatz tun; denn es klebt Blut daran. Und sie beschlossen, von dem Geld den Töpferacker zu kaufen als Begräbnisplatz für die Fremden. Deshalb heißt dieser Acker bis heute Blutacker. 

 

So erfüllte sich, was durch den Propheten Jeremia gesagt worden ist: Sie nahmen die dreißig Silberstücke - das ist der Preis, den er den Israeliten wert war - und kauften für das Geld den Töpferacker, wie mir der Herr befohlen hatte.

 

Das Verhör vor Pilatus

Als Jesus vor dem Statthalter stand, fragte ihn dieser: Bist du der König der Juden? Jesus antwortete: Du sagst es. Als aber die Hohepriester und die Ältesten ihn anklagten, gab er keine Antwort. 

 

Da sagte Pilatus zu ihm: Hörst du nicht, was sie dir alles vorwerfen? Er aber antwortete ihm auf keine einzige Frage, sodass der Statthalter sehr verwundert war.

 

Jeweils zum Fest pflegte der Statthalter einen Gefangenen freizulassen, den das Volk verlangte. Damals war gerade ein berüchtigter Mann namens Jesus Barabbas im Gefängnis.

 

Pilatus fragte nun die Menge, die zusammengekommen war: Was wollt ihr? Wen soll ich freilassen, Jesus Barabbas oder Jesus, den man den Christus nennt? Er wusste nämlich, dass man Jesus nur aus Neid an ihn ausgeliefert hatte.

 

Während Pilatus auf dem Richterstuhl saß, sandte seine Frau zu ihm und ließ ihm sagen: Habe du nichts zu schaffen mit jenem Gerechten! Ich habe heute seinetwegen im Traum viel gelitten.

 

Inzwischen überredeten die Hohepriester und die Ältesten die Menge, die Freilassung des Barabbas zu fordern, Jesus aber hinrichten zu lassen.

 

Der Statthalter fragte sie: Wen von beiden soll ich freilassen? Sie riefen: Barabbas! 

 

Pilatus sagte zu ihnen: Was soll ich dann mit Jesus tun, den man den Christus nennt? Da antworteten sie alle: Ans Kreuz mit ihm! Er erwiderte: Was für ein Verbrechen hat er denn begangen? Sie aber schrien noch lauter: Ans Kreuz mit ihm! Als Pilatus sah, dass er nichts erreichte, sondern dass der Tumult immer größer wurde, ließ er Wasser bringen, wusch sich vor allen Leuten die Hände und sagte: Ich bin unschuldig am Blut dieses Menschen. Das ist eure Sache!

 

Da rief das ganze Volk: Sein Blut - über uns und unsere Kinder! Darauf ließ er Barabbas frei, Jesus aber ließ er geißeln und lieferte ihn aus zur Kreuzigung.

 

 

Impuls

Inspiriert vom Evangelium

 

Wann versuche ich andere zu manipulieren?

 

Lasse ich mich dazu verleiten,
jemanden zu verurteilen, auch wenn ich ihn für schuldlos halte?

 

Wann wälze ich Verantwortung ab?
Und wie?

 

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erstellt von: Der SONNTAG / Elisabeth Birnbaum
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Weitere Informationen

Elisabeth Birnbaum
ist Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerkes

 

"Das Wort zur Schrift"


 

Gedanken zum Evangelium


 

Wir bieten hier den Pfarren die Doppelseite des SONNTAG mit den Schriftstellen und dem Evangeliumskommentar zum Ausdruck als *pdf an.


 

weitere Informationen zu

 

Der SONNTAG
die Zeitung der Erzdiözese Wien
Stephansplatz 4/VI/DG
1010 Wien
T +43 (1) 512 60 63
F +43 (1) 512 60 63-3970

E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at

 

 

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Spezialkletterer entfernten palästinensische Fahnen von den Türmen der Votivkirche in Wien. Die Erzdiözese prüft rechtliche Schritte.

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