Heute zeigt uns das Evangelium, dass Vertrauen Wunder wirken kann. Das gilt nicht nur für außerordentliche Wunder wie das vom sensationellen Fischfang, sondern auch für die vielen wirklichen Wunder des Alltags, die wir meist zu wenig wertschätzen.
Heute zeigt uns das Evangelium, dass Vertrauen Wunder wirken kann. Das gilt nicht nur für außerordentliche Wunder wie das vom sensationellen Fischfang, sondern auch für die vielen wirklichen Wunder des Alltags, die wir meist zu wenig wertschätzen.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 6. Februar 2022.
Trau, schau, wem! – sagt eine alte Redewendung. Johann Strauss Sohn hat sie sogar zum Thema eines Walzers gemacht. Sie will sagen: Schenke niemandem leichtgläubig Vertrauen! Wer in seinem Vertrauen enttäuscht worden ist, wird deshalb eher misstrauisch. Doch ohne Vertrauen wird das Leben trostlos, eigentlich unlebbar, denn im Alltag geht es nicht ohne eine Art Grundvertrauen: Ich gehe aus dem Haus und nehme ohne viel Nachdenken an, dass mich jetzt niemand erschießen wird. Kinder nehmen an, wie Jesus einmal sagt, dass die Eltern ihnen nicht Gift geben, wenn sie um Brot bitten. Unser ganzes Leben baut auf Vertrauen auf, und dennoch gehört es zu einer vernünftigen Lebensgestaltung, ein gesundes Maß an Kontrolle und Überprüfung anzuwenden, um nicht betrogen oder getäuscht zu werden.
Heute zeigt uns das Evangelium, dass Vertrauen Wunder wirken kann. Das gilt nicht nur für außerordentliche Wunder wie das vom sensationellen Fischfang, sondern auch für die vielen wirklichen Wunder des Alltags, die wir meist zu wenig wertschätzen. Die Ausgangslage ist eindrucksvoll. Die Menschenmenge ist riesengroß. Alle drängen sich, um Jesus nahe zu sein und ihm zuzuhören. Um nicht erdrückt zu werden, hat Jesus die Idee, in ein Fischerboot zu steigen, das am Seeufer angelegt hat. Die Fischer unterbrechen ihre Arbeit. Jesus setzt sich nieder und lehrt die vielen Menschen vom Boot aus. Ich kann mir die Szene gut vorstellen, weil ich oft an dieser Stelle des Sees Gennesaret gewesen bin, die als besonders fischreich gilt.
Und nun das Thema Vertrauen. Jesus hat seine Rede beendet und fordert die Fischer auf hinauszufahren, um zu fischen. Simon Petrus: „Wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.“ Wirklich nichts! „Doch auf dein Wort hin werde ich die Netze auswerfen.“ Das ist ein Akt ganz großen Vertrauens! Fischer arbeiten in der Nacht. Ich sehe das jedes Jahr im Urlaub in der Normandie, wenn die Fischerboote in die Nacht hinausfahren und beim Morgengrauen mit ihrem Fang zurückkehren, nachdem sie die ganze Nacht hart gearbeitet haben. Jesus ist ein Zimmermann. Was versteht er vom harten Job des Fischers? Am helllichten Tag die Netze auswerfen? Warum vertraut Simon dem Wort Jesu? Vertrauen ist immer ein Wagnis. Dass es dermaßen belohnt wird, überwältigt Simon. Er und seine Arbeitskollegen können es nicht fassen. So etwas haben sie noch nie erlebt. Simon spürt die göttliche Kraft, die in Jesus wirkt. Erschüttert empfindet er seine Unwürdigkeit: „Ich bin ein sündiger Mensch!“ Aber Jesus macht ihm Mut: „Fürchte dich nicht. Von jetzt an wirst du Menschen fangen.“
Das Vertrauen in Jesus hat ihr Leben verändert. Sie werden seine Jünger für den Rest ihres Lebens. Von jetzt an sollen sie Menschenfischer werden. Sie haben Jesus vertraut, und jetzt vertraut er ihnen und macht sie zu seinen engsten Mitarbeitern. Gute Zusammenarbeit gelingt nur, wenn zwischen allen ein echtes Vertrauensverhältnis besteht. Aber wie entsteht es? Was stärkt es? Es ist kein Zufall, dass wir vom Vertrauen-Schenken sprechen. Vertrauen kann man nicht kaufen, sondern nur geschenkt bekommen und selber schenken.
„Menschenfischer“ wurden die Apostel, weil Jesus ihnen vertraut. Wenn Eltern ihren Kindern Vertrauen schenken, können sie sich entfalten. Das setzt aber voraus, dass die Kinder in ihrem Vertrauen den Eltern gegenüber nicht immer wieder enttäuscht werden. Wer hier viel verletzt worden ist, kann nur durch viele Vertrauenserweise geheilt werden. Das Vertrauen ist wie ein Wunderkraut. Menschen blühen auf, werden heil und stark, wenn sie, trotz aller Fehler, immer wieder Vertrauen geschenkt bekommen. So zieht Jesus bis heute Menschen an und heilt sie.
Lukas 5,1-11
Es geschah aber: Als die Volksmenge Jesus bedrängte und das Wort Gottes hören wollte, da stand er am See Gennesaret und sah zwei Boote am See liegen. Die Fischer waren aus ihnen ausgestiegen und wuschen ihre Netze. Jesus stieg in eines der Boote, das dem Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit vom Land wegzufahren.
Dann setzte er sich und lehrte das Volk vom Boot aus. Als er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: Fahr hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus! Simon antwortete ihm: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Doch auf dein Wort hin werde ich die Netze auswerfen. Das taten sie und sie fingen eine große Menge Fische; ihre Netze aber drohten zu reißen. Und sie gaben ihren Gefährten im anderen Boot ein Zeichen, sie sollten kommen und ihnen helfen. Sie kamen und füllten beide Boote, sodass sie fast versanken.
Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: Geh weg von mir; denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr! Denn Schrecken hatte ihn und alle seine Begleiter ergriffen über den Fang der Fische, den sie gemacht hatten; ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, die mit Simon zusammenarbeiteten. Da sagte Jesus zu Simon: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen. Und sie zogen die Boote an Land, verließen alles und folgten ihm nach.