Den Kampf mit den Versuchungen kann keiner nur aus eigener Kraft bestehen. Dazu braucht es die Hilfe von oben, den Heiligen Geist. Denn der Ungeist, der Versucher, probiert alles, um unsere Schwächen und Fehler auszunutzen.
Den Kampf mit den Versuchungen kann keiner nur aus eigener Kraft bestehen. Dazu braucht es die Hilfe von oben, den Heiligen Geist. Denn der Ungeist, der Versucher, probiert alles, um unsere Schwächen und Fehler auszunutzen.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 6. März 2022.
Kein Mensch entgeht der Versuchung. Sie begleitet uns ein Leben lang. Und sie kommt in allen möglichen Gestalten daher. Die Fastenzeit war seit jeher die Zeit des Jahres, in der es um den Kampf mit den Versuchungen geht. Viele machen Fastenvorsätze. Meist halten sie nicht lange. Manche schaffen es, jedes Jahr ganz konsequent vom Aschermittwoch bis zum Ostersonntag ein Fastenopfer durchzuhalten, auf etwas zu verzichten, das ihnen lieb ist. Die Fastenregeln helfen dabei, wenn sie von vielen gemeinsam eingehalten werden. Die orthodoxen Christen sind da konsequenter als die meisten Katholiken. Sie halten sich an strenge Fastenbräuche. Die Muslime haben ihren Fastenmonat Ramadan. Ich habe es immer bedauert, dass wir Katholiken beim Fasten sehr nachlässig geworden sind. Früher war es weitgehend selbstverständlich, dass Katholiken am Freitag als Fastenopfer auf Fleischgenuss verzichten. Heute haben wir kaum noch gemeinsame Fastenregeln. Sie würden vielen helfen, gegen die eigene Bequemlichkeit zu kämpfen.
Dass Fasten auch mit Kämpfen zu tun hat, zeigt Jesus selber. Seine 40 Tage in der Wüste sind das Vorbild für die 40-tägige Fastenzeit. Jesus ging dazu nicht in einen teuren Kurort, wo Heilfasten angeboten wird und wo man für viel Geld wenig isst. Er setzt sich der Härte und Einsamkeit der Wüste aus. Er hat es nicht für sich getan, sondern für uns. Da er Mensch war wie wir, ist er auch versucht worden wie wir. Sein Sieg über die Versuchungen soll uns zugute kommen. Den Kampf mit den Versuchungen kann keiner nur aus eigener Kraft bestehen. Dazu braucht es die Hilfe von oben, den Heiligen Geist. Denn der Ungeist, der Versucher, probiert alles, um unsere Schwächen und Fehler auszunutzen.
Der Versucher, der Teufel, greift vor allem in drei Bereichen an. Jesus hat sie selber durchlebt. Fasten, das betrifft zuerst das Essen und Trinken. Wer kennt nicht den täglichen Kampf gegen die Kalorien? Zumindest bei uns, denn wo Hunger herrscht, braucht nicht gefastet zu werden. Dort fehlt es am Nötigsten. Schwieriger ist der Kampf gegen die Süchte, die unwiderstehliche Abhängigkeit von Alkohol, Nikotin, Internet, Pornographie, Spielsucht. Nicht umsonst sprechen wir vom Teufelskreis der Sucht. Und wie groß ist es, wenn jemand mit Jesu Hilfe echte Befreiung erlebt.
Die zweite große Versuchung ist die der Macht. Jesus ist ihr wie kein anderer Mensch ausgesetzt gewesen, denn er hatte die volle Macht Gottes zu seiner Verfügung. Sein ganzes Leben ist aber ein großes Zeugnis dafür, dass die Macht nur dann richtig gebraucht wird, wenn sie sich ganz in den Dienst der anderen stellt. Wir alle haben Macht, größere oder kleinere, und immer ist die Herausforderung die, in der Jesus gesiegt hat: Echtes Herrschen heißt dienen.
Die dritte Versuchung, der Jesus, wie wir alle, ausgesetzt war, ist die der Ehre, des Erfolgs, der Anerkennung. Es ist schön und gut, anerkannt zu sein und Erfolg zu haben. Traurig, ja peinlich ist es, wenn wir danach gieren und ehrsüchtig werden.
Hat Jesus keine sexuellen Versuchungen gekannt? Er war doch ein Mensch. Oft gelten sie als die stärksten. Eines ist sicher: Diese Versuchungen können nur durch echte Liebe besiegt werden. Die liebende Zuwendung zu den Menschen hat Jesus so tief gelebt wie keiner. Darum geht es letztlich in der Fastenzeit!
LK 4, 1–13,
In jener Zeit kehrte Jesus, erfüllt vom Heiligen Geist, vom Jordan zurück. Er wurde vom Geist in der Wüste umhergeführt, vierzig Tage lang, und er wurde vom Teufel versucht. In jenen Tagen aß er nichts; als sie aber vorüber waren, hungerte ihn. Da sagte der Teufel zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden. Jesus antwortete ihm: Es steht geschrieben: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Da führte ihn der Teufel hinauf und zeigte ihm in einem Augenblick alle Reiche des Erdkreises. Und er sagte zu ihm: All die Macht und Herrlichkeit dieser Reiche will ich dir geben; denn sie sind mir überlassen und ich gebe sie, wem ich will. Wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest, wird dir alles gehören. Jesus antwortete ihm: Es steht geschrieben: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen. Darauf führte ihn der Teufel nach Jerusalem, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich von hier hinab; denn es steht geschrieben: Seinen Engeln befiehlt er deinetwegen, dich zu behüten; und: Sie werden dich auf ihren Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt. Da antwortete ihm Jesus: Es ist gesagt: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen. Nach diesen Versuchungen ließ der Teufel bis zur bestimmten Zeit von ihm ab.