Ohne Umkehr sieht die Zukunft düster aus: Klimawandel, Wirtschaftskrise, Kriegsgefahr, bedrohliche Szenarien überall. Aber lässt sich der Lauf der Dinge noch umkehren?
Ohne Umkehr sieht die Zukunft düster aus: Klimawandel, Wirtschaftskrise, Kriegsgefahr, bedrohliche Szenarien überall. Aber lässt sich der Lauf der Dinge noch umkehren?
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 20. März 2022
Umkehr ist das Schlüsselwort, im heutigen Evangelium und in Jesu Botschaft überhaupt. Eigentlich müsste dieses Wort uns allen in den Ohren klingen. Es ist das Schlüsselwort unserer Zeit. Die bloße Vernunft sagt es uns und auch das Gespür, das Bauchgefühl. Ohne Umkehr sieht die Zukunft düster aus:
Klimawandel, Wirtschaftskrise, Kriegsgefahr, bedrohliche Szenarien überall. Aber lässt sich der Lauf der Dinge noch umkehren? Geht nicht alles in Richtung eines großen Crashs, einer globalen Katastrophe? Was kann da die Mahnung Jesu
ausrichten? „Ihr werden alle genauso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt.“
Selten war die Mahnung Jesu so ernst. Und doch schwingt in seinen Worten die Hoffnung mit, die gerade heute so lebenswichtig ist. Wenn eh alles schon verloren ist, wenn alles unerbittlich auf die Katastrophe zuläuft, dann hat das Wort von der Umkehr keinen Sinn, dann ist wirklich nichts mehr zu retten. Jesus ist aber gekommen, „nicht um zu richten, sondern zu retten“, wie er von sich selber sagt. Was ist also die Umkehr, auf die Jesus seine Hoffnung setzt? Hat sie auch heute eine Chance, im persönlichen Leben und im Gang der Welt?
Zwei aktuelle Nachrichten beschäftigten die Menschen damals, so wie uns heute die Tagesnachrichten aus der Ukraine. Ein blutiges Massaker, das der römische Gouverneur Pontius Pilatus unter Landsleuten Jesu, unter galiläischen Pilgern, in Jerusalem angerichtet hat. Es ist anzunehmen, dass diese Galiläer ihr Opfer im Tempel mit einem Protest gegen die römische Besatzungsmacht verbunden hatten, gegen den verpflichtenden Kaiserkult, der gläubigen Juden als Götzendienst galt. Pilatus war bekannt für seine Grausamkeit. Das Niedermetzeln von Pilgern im Tempel war besonders brutal. War es eine Strafe Gottes? Die Frage taucht bei jedem schlimmen Unglück auf. Jesus geht erst gar nicht auf die Frage ein. Er erinnert vielmehr an ein zweites Unglück, über das damals viel geredet wurde: Ein Turm am Teich Schiloach ist eingestürzt. Achtzehn Menschen kamen dabei ums Leben. Waren sie schuldig? War es Gottes Strafe?
Jedes Unglück, von dem wir hören, ist Anlass zur Besinnung. Das biblische Wort „Umkehr“ hat auch die Bedeutung „Umdenken“, „Ändern der eigenen Einstellung“. Es ist ein nüchterner und vernünftiger Vorgang, er kann auch sehr emotional sein: die Einsicht, dass dieses Unglück jederzeit mir widerfahren könnte. „Umkehr“ bedeutet einfach das Wissen, dass nichts selbstverständlich ist, weder meine Gesundheit noch mein Wohlergehen, auch nicht der Frieden und die geordneten Verhältnisse. Wer diese Einsicht im Herzen trägt, wird vor allem eine Haltung der Dankbarkeit erleben und mit ihr verbunden das Mitgefühl mit denen, die Unglück erleben.
Jesus liebt die Gleichnisse. Was für ihn Umkehr bedeutet, sagt er im Gleichnis vom Feigenbaum im Weingarten. Wenn dieser schon drei Jahre keine Früchte trägt, ist es besser, ihn umzuhauen. Der Winzer bittet den Besitzer des Weinbergs um Geduld. Ein Jahr noch! Mit Dünger wird er vielleicht doch noch Früchte tragen. Das ist, bei allem Ernst der Warnung Jesu, der Hoffnungsschimmer. Jesus glaubt, dass wir Menschen umkehren können. Er vertraut, dass Herz und Vernunft stark genug sind, umzudenken und den Weg zu wenden. Aber sein Vertrauen hat viel zu tun mit seiner großen, liebevollen Geduld, dass wir endlich doch zur Einsicht kommen und wirklich umkehren.
Lukas 13,1-9
Zur gleichen Zeit kamen einige Leute und berichteten Jesus von den Galiläern, deren Blut Pilatus mit dem ihrer Opfertiere vermischt hatte. Und er antwortete ihnen: Meint ihr, dass diese Galiläer größere Sünder waren als alle anderen Galiläer, weil das mit ihnen geschehen ist? Nein, sage ich euch, vielmehr werdet ihr alle genauso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt. Oder jene achtzehn Menschen, die beim Einsturz des Turms am Schiloach erschlagen wurden - meint ihr, dass sie größere Schuld auf sich geladen hatten als alle anderen Einwohner von Jerusalem? Nein, sage ich euch, vielmehr werdet ihr alle ebenso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt. Und er erzählte ihnen dieses Gleichnis: Ein Mann hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum gepflanzt; und als er kam und nachsah, ob er Früchte trug, fand er keine. Da sagte er zu seinem Winzer: Siehe, jetzt komme ich schon drei Jahre und sehe nach, ob dieser Feigenbaum Früchte trägt, und finde nichts. Hau ihn um! Was soll er weiter dem Boden seine Kraft nehmen? Der Winzer erwiderte: Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen. Vielleicht trägt er in Zukunft Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen.