Grüßt der Herr auch heute noch vom anderen Ufer her? Ich glaube, dass es ähnliche Erfahrungen durch alle Zeiten gibt. Er schenkt Zeichen seiner Gegenwart, in ganz unerwarteten Momenten, als Trost, als Stärkung, als Hilfe in mühsamen Tagen.
Grüßt der Herr auch heute noch vom anderen Ufer her? Ich glaube, dass es ähnliche Erfahrungen durch alle Zeiten gibt. Er schenkt Zeichen seiner Gegenwart, in ganz unerwarteten Momenten, als Trost, als Stärkung, als Hilfe in mühsamen Tagen.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 1. Mai 2022
Das Leben ist wie eine Überfahrt über das Meer. Sie endet dann, wenn wir ans Ufer des ewigen Lebens gelangen. Seit eh und je bewegt uns Menschen die Frage, ob die, die schon „drüben“ sind, uns Zeichen geben, gar uns helfen können, dass auch wir die Überfahrt des Lebens gut schaffen.
Das heutige Evangelium gibt darauf eine positive Antwort. Jesus ist durch das Tor des Todes gegangen. Im Glaubensbekenntnis sagen wir, Jesus sei „hinabgestiegen in das Reich des Todes“, ein anderes Bild für die Welt der Verstorbenen. Doch ebenso heißt es, dass er „am dritten Tag auferstanden ist von den Toten“. Diesen Glauben könnten wir nicht begründen und bekennen, wenn Jesus sich nicht gezeigt hätte. Seine Erscheinungen, von denen die Evangelien berichten, sind wie Grüße vom anderen Ufer des Lebens, von „drüben“. Von einem dieser Grüße aus der Ewigkeit spricht das so berührende heutige Evangelium.
Es beginnt ganz alltäglich. Simon Petrus ist zu seinem alten Beruf zurückgekehrt. Das Leben geht weiter. Jesus ist nicht mehr da. Die spannende Zeit mit ihm ist vorbei. Was soll er jetzt tun? „Ich gehe fischen“, sagt er nüchtern einigen seiner Kollegen, die mit Jesus unterwegs gewesen waren. Die Rückkehr in die Fischerei beginnt mit einer herben Enttäuschung: „In dieser Nacht fingen sie nichts.“ So haben sie auch nichts anzubieten, als sie müde vom vergeblichen nächtlichen Arbeiten frühmorgens am Ufer einen Mann stehen sehen, der sie nach Fisch fragt. Der Unbekannte gibt den Rat, es nochmals zu probieren. Das völlig Unerwartete geschieht: das Fischernetz ist randvoll.
Mich bewegt der Ausruf des Johannes: „Es ist der Herr!“ Johannes hat als erster erfasst: Der Fremde am Ufer ist Jesus selbst, aber nicht so, wie sie ihn erlebt hatten, als er noch bei ihnen war. Er grüßt sie gewissermaßen vom anderen Ufer her, aus der Welt, in die er durch Tod und Auferstehung heimgekehrt ist. Als sie ans Ufer kommen, mit dem Netz voller Fische, zählt Petrus ganze hundertdreiundfünfzig große Fische. Bis heute nennt man sie Petrusfische.
Am Ufer erwartet sie eine ganz eigene Atmosphäre. Ein Kohlenfeuer brennt, Fisch und Brot sind darauf zubereitet. Jesus lädt sie ein zu diesem überraschenden Frühstück und bedient sie, indem er selber ihnen Brot und Fisch reicht. Alles ist schlicht und still in dieser Morgenstunde am Seeufer. „Keiner … wagte ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war.“
Erzählt hier Johannes eine einmalige Erinnerung? Oder grüßt der Herr auch heute noch vom anderen Ufer her? Ich glaube, dass es ähnliche Erfahrungen durch alle Zeiten gibt. Er schenkt Zeichen seiner Gegenwart, in ganz unerwarteten Momenten, als Trost, als Stärkung, als Hilfe in mühsamen Tagen. Damals hat Jesus zum morgendlichen Mahl eingeladen. Er tut es bis heute in der Feier der Messe, in der er Brot und Wein reicht, die durch sein Wort er selber geworden sind, sein Leib und sein Blut. Es bleibt geheimnisvoll, wie damals am Seeufer. Aber es ist wohl sein stärkster Gruß an uns, vom anderen Ufer her.
Johannes 21,1-14
Danach offenbarte sich Jesus den Jüngern noch einmal, am See von Tiberias, und er offenbarte sich in folgender Weise. Simon Petrus, Thomas, genannt Didymus, Natanaël aus Kana in Galiläa, die Söhne des Zebedäus und zwei andere von seinen Jüngern waren zusammen. Simon Petrus sagte zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sagten zu ihm: Wir kommen auch mit. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot. Aber in dieser Nacht fingen sie nichts. Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. Jesus sagte zu ihnen: Meine Kinder, habt ihr keinen Fisch zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. Er aber sagte zu ihnen: Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus und ihr werdet etwas finden. Sie warfen das Netz aus und konnten es nicht wieder einholen, so voller Fische war es. Da sagte der Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr sei, gürtete er sich das Obergewand um, weil er nackt war, und sprang in den See. Dann kamen die anderen Jünger mit dem Boot - sie waren nämlich nicht weit vom Land entfernt, nur etwa zweihundert Ellen - und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her. Als sie an Land gingen, sahen sie am Boden ein Kohlenfeuer und darauf Fisch und Brot liegen. Jesus sagte zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt! Da stieg Simon Petrus ans Ufer und zog das Netz an Land. Es war mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen gefüllt, und obwohl es so viele waren, zerriss das Netz nicht. Jesus sagte zu ihnen: Kommt her und esst! Keiner von den Jüngern wagte ihn zu befragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. Jesus trat heran, nahm das Brot und gab es ihnen, ebenso den Fisch. Dies war schon das dritte Mal, dass Jesus sich den Jüngern offenbarte, seit er von den Toten auferstanden war.