Ohne Dankbarkeit hilft auch die beste Gesundheit nichts. Erst der Dank Gott und dem Nächsten gegenüber macht uns zu glücklichen Menschen.
Ohne Dankbarkeit hilft auch die beste Gesundheit nichts. Erst der Dank Gott und dem Nächsten gegenüber macht uns zu glücklichen Menschen.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 9.Oktober 2022.
Mich hat dieses heutige Evangelium ganz unmittelbar angesprochen. Es hat in mir die Frage ausgelöst: Habe ich für meine Heilung genügend gedankt? Gewiss, ich bin sehr dankbar, dass ich genesen bin. Ich bin mir auch bewusst, dass es ganz anders hätte ausgehen können. Ich bin 2019, wie man so sagt, dem Tod von der Schaufel gesprungen. Ich habe mich von der Erkrankung erholt und weiß, zumindest im Kopf, dass es ganz anders hätte ausgehen können. Aber die Frage, die mir dieses Evangelium stellt, ist viel umfassender: Wie hältst du es mit der Dankbarkeit?
Doch schauen wir uns zuerst das Evangelium von diesem Sonntag näher an. Jesus ist unterwegs nach Jerusalem, zum Osterfest, im Jahr 30. Mit ihm seine Gemeinschaft, die Apostel, die Frauen, die ihn begleiteten, insgesamt eine größere Gruppe. Der Weg von Galiläa nach Jerusalem führt durch Samarien, heute das palästinensische Autonomiegebiet. Zwischen Juden und Samaritern herrschte Feindschaft, durchaus nicht unähnlich der heutigen Feindschaft zwischen Israelis und Palästinensern. So war es für Juden, die in Galiläa lebten nicht ungefährlich, durch das Gebiet der Samariter zu gehen. In einem Dorf im Grenzgebiert von Samarien und Galiläa nähert sich Jesus einer Gruppe von zehn Aussätzigen. Sie müssen deutlich Abstand halten. Die Angst vor der Ansteckung durch die Lepra ist groß. Daher diese strengen Regeln, die die Aussätzigen völlig isolieren. Ihr Leben ist ein einziges Elend. Nur untereinander können sie Kontakt halten. In ihrer Not halten sie zusammen, egal ob Juden oder Samariter. Sie haben wohl von Jesus gehört und von vielen Heilungen, die durch ihn geschehen. So rufen sie laut um Hilfe: „Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!“
Ich werde nie den Anblick des Elends vergessen, als ich in Nigeria am Straßenrand die hilfesuchenden Armen einer Gruppe von Aussätzigen sah. “Hab Erbarmen mit uns!“ Jesus ruft ihnen zu: „Geht, zeigt euch den Priestern!“ Nach dem jüdischen Gesetz hatten die Priester auch medizinische Autorität. Sie mussten feststellen, ob jemand die Lepra hat und deshalb isoliert werden muss oder, ob er von der Lepra geheilt war. Auf dem Weg zum Priester stellen alle zehn fest, dass sie geheilt sind. Nur einer kehrt sofort um und eilt zu Jesus, um ihm zu danken und durch ihn Gott, der allein eine solche wunderbare Heilung bewirken kann. Und dieser eine war ein Fremder, ein Samariter.
Wie halten wir es mit der Dankbarkeit? Wenn wir krank sind, gehen wir zum Arzt. Sagen wir ihm Dank, wenn wir wieder gesund sind? Er wird ja dafür bezahlt! Wieso also danken? Weil es selbstverständlich ist, dass wir die Gesundheit wiedererlangen. Mich bewegt diese Frage: Haben wir die Kultur des Dankes verlernt, weil wir glauben, dass es genügt, wenn wir die Kosten beglichen haben? Wieso soll ich dem Kellner danke sagen, wenn er mir das Bestellte bringt? Er wird ja dafür bezahlt. Diese Haltung macht unsere Gesellschaft so kalt. In der Not bitten wir sofort um Hilfe. Sobald die Not vorbei ist, vergessen wir auf das „Danke“. Die Kultur des Dankes beginnt schon mit dem rechten „Bitte“ sagen. Warum dem Kellner nicht „Bitte“ sagen, wenn wir etwas bestellen?
Jesus sagt zu dem dankbaren Samariter: „Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gerettet.“ Die anderen sind auch geheilt worden. Doch ohne Dankbarkeit hilft auch die beste Gesundheit nichts. Erst der Dank Gott und dem Nächsten gegenüber macht uns zu glücklichen Menschen.
Und es geschah auf dem Weg nach Jerusalem: Jesus zog durch das Grenzgebiet von Samarien und Galiläa. Als er in ein Dorf hineingehen wollte, kamen ihm zehn Aussätzige entgegen. Sie blieben in der Ferne stehen und riefen: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns! Als er sie sah, sagte er zu ihnen: Geht, zeigt euch den Priestern! Und es geschah, während sie hingingen, wurden sie rein. Einer von ihnen aber kehrte um, als er sah, dass er geheilt war; und er lobte Gott mit lauter Stimme. Er warf sich vor den Füßen Jesu auf das Angesicht und dankte ihm. Dieser Mann war ein Samariter. Da sagte Jesus: Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind die neun? Ist denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren, außer diesem Fremden? Und er sagte zu ihm: Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gerettet.