Nun sagt uns aber der Evangelist in etwas geschraubten Worten, dass Jesus eigentlich nicht der Davidssohn ist, weil Josef gar nicht sein leiblicher Vater war. Maria war seine Mutter. Daran konnte kein Zweifel bestehen. Wer war dann sein Vater?
Nun sagt uns aber der Evangelist in etwas geschraubten Worten, dass Jesus eigentlich nicht der Davidssohn ist, weil Josef gar nicht sein leiblicher Vater war. Maria war seine Mutter. Daran konnte kein Zweifel bestehen. Wer war dann sein Vater?
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 18. Dezember 2022
„Mit der Geburt Jesu Christi war es so.“ Diese etwas umständliche Einleitung lässt aufhorchen. Sie steht am Ende der Genealogie Jesu, mit der Matthäus sein Evangelium beginnt. Mit Abraham anfangend listet er 42 Generationen auf, an deren Ende der Name Jesus steht. Dort aber findet sich eine seltsame Formulierung: „Mattan zeugte Jakob. Jakob zeugte Josef, den Mann Marias; von ihr wurde Jesus geboren, der der Christus genannt wird.“ Es heißt also nicht „Josef zeugte Jesus“, sondern nur, dass er der Mann Mariens war, der Mutter Jesu.
Genau diese überraschende Aussage erklärt Matthäus im heutigen Abschnitt seines Evangeliums, das er mit den Worten begonnen hat: „Buch des Ursprungs Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams.“ Um den Ursprung Jesu geht es also. Wer ist er, dessen Geburt wir in wenigen Tagen feiern und nach dessen Geburtsjahr in den meisten Teilen der Welt die Jahre gezählt werden, bisher 2022 an der Zahl? Jesus galt als „der Sohn des Zimmermanns“, als Sohn Josefs, der von der inzwischen verarmten Nachkommenschaft des großen Königs David abstammt. Jesus wurde deshalb auch oft als „Sohn Davids“ angesprochen. In dieser Bezeichnung lag damals die ganze Hoffnung vieler Juden, dass Jesus der verheißene Messias sein könnte.
Nun sagt uns aber der Evangelist in etwas geschraubten Worten, dass Jesus eigentlich nicht der Davidssohn ist, weil Josef gar nicht sein leiblicher Vater war. Maria war seine Mutter. Daran konnte kein Zweifel bestehen. Wer war dann sein Vater? Schon früh haben sich Gerüchte gebildet, die ihn als Kind eines Ehebruchs ansahen. Matthäus verschweigt nicht, dass es im Stammbaum Jesu Ehebrüche gegeben hat. Den schlimmsten beging David selber, mit der Frau eines seiner Offiziere. Jenen Urija ließ David umbringen, um seinen Ehebruch zu vertuschen. Den großen König Salomon zeugte David mit der Frau des Urija. Eine polemische Schrift, gegen Ende des ersten Jahrhunderts, behauptete, auch Jesus sei das Kind eines Fehltritts der Maria mit einem römischen Soldaten. Sicher kam solches damals vor, wie bei uns in der Besatzungszeit nach dem Krieg.
Josef musste damit fertig werden, dass seine Verlobte schwanger war, aber nicht von ihm. Man möge versuchen, sich in seine Situation hineinzudenken! Am meisten beeindruckt, dass er alles versucht, um Maria nicht des Ehebruchs für schuldig zu erklären, was für Maria die Todesstrafe nach sich gezogen hätte. Im Traum bekommt er eine Botschaft: „Fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist.“ Und Josef erhält den Auftrag, dem Kind den Namen Jesus zu geben und es damit als seines anzunehmen.
Josef tut, was ihm gesagt wurde: Er glaubt und vertraut, dass es wirklich so ist: Dieses Kind ist von Gott! Er nimmt Maria zu sich und wird dem Kind Vater. Damit ist er der erste, der im Glauben angenommen hat, was seither das Herz des christlichen Glaubensbekenntnisses darstellt: dass Jesus, von Maria geboren, der Sohn Gottes ist, ein Menschenkind, das wahrer Gott und wahrer Mensch ist. Oft frage ich mich: Was war schwerer? Für Josef zu glauben, dass das Kind im Schoß seiner Verlobten von Gott kommt, oder für uns, ehrlich anzunehmen und zu glauben, dass Jesus, der Mann aus Nazareth, wirklich Gottes Sohn ist? Irgendwie fast zu schön, um wahr zu sein. Und doch ist genau das die Botschaft von Weihnachten: Jesus ist der Immanuel, der Gott mit uns.
Matthäus 1,18-24
Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete – durch das Wirken des Heiligen Geistes. Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen. Während er noch darüber nachdachte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen;
denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen. Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Siehe: Die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären und sie werden ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott mit uns. Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte,´ und nahm seine Frau zu sich.