Warum brauchen wir die Taufe? Warum taufen wir gar Kinder, die noch keine Schuld begangen haben? Weil Gott selber vor jedes Menschenleben ein positives Vorzeichen setzen will: „Du bist mein geliebtes Kind!“
Warum brauchen wir die Taufe? Warum taufen wir gar Kinder, die noch keine Schuld begangen haben? Weil Gott selber vor jedes Menschenleben ein positives Vorzeichen setzen will: „Du bist mein geliebtes Kind!“
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 8. Jänner 2023.
Es kommt ganz auf das Vorzeichen an. Wenn auf meinem Bankkonto vor der Endsumme ein Minuszeichen steht, dann weiß ich, dass ich in den roten Zahlen bin. Ganz anders sieht es aus, wenn da ein Pluszeichen zu lesen ist. Besonders erfreulich ist es, wenn aus dem Minus ein Plus wird. Schmerzlich, ja zum Verzweifeln kann es sein, wenn es nicht und nicht gelingt, das quälende Minuszeichen vor meinen Kontozahlen loszuwerden. Die Schuldenfalle ist ein Leiden, das das Leben zur Qual werden lässt. Gott will nicht, dass vor unserem Leben dauernd ein Minus steht. Dafür hat er sich Wege ausgedacht, die uns aus der Schuldenfalle befreien sollen.
Heute feiert die Kirche das Fest der Taufe Jesu. „In jener Zeit kam Jesus von Galiläa an den Jordan, zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen.“ Jesus war damals etwa dreißig Jahre alt. Es war geradezu eine Massenbewegung im jüdischen Volk geworden, sich von Johannes im Jordan taufen zu lassen. Johannes tauchte die Menschen ins Jordanwasser, nachdem sie ihre Sünden bekannt hatten. Es war ein Reinigungsritus, wie ihn viele Religionen kennen. Wir erleben unsere Verfehlungen wie eine Verunreinigung, sie sind eine Art Schmutz, den loszuwerden ein Urbedürfnis des Menschen ist. Schuld loszuwerden ist mindestens so wichtig, wie Bankschulden wegzubekommen. Daher kamen so viele zu Johannes, weil sie alle ihre Schuld als Last empfanden.
Eine notwendige Zwischenbemerkung: Schuldgefühle sind nicht dasselbe wie Schuldbewusstsein. Viele Menschen leiden an Schuldgefühlen, weil ihnen von anderen Schuld eingeredet wurde, die nicht der Wirklichkeit entspricht. Darum ist es für die eigene Seelenhygiene so wichtig, unterscheiden zu lernen, wo es sich um echte Schuld und wo um falsches Schuldgefühl handelt.
Johannes ist völlig überrascht, dass Jesus sich von ihm taufen lassen will. „Ich müsste von dir getauft werden und du kommst zu mir?“ Für Johannes ist klar: Jesus braucht doch keine Reinigung von Schuld! Hat er falsche Schuldgefühle? Johannes weiß, dass er selber nicht ohne Sünden ist. Aber Jesus? Der gibt ihm eine rätselhafte Antwort: „Lass es nur zu! Denn so können wir die Gerechtigkeit ganz erfüllen.“ Ob Johannes dieses Wort verstanden hat? Auf jeden Fall hat er nachgegeben und Jesus getauft. Was Jesus dabei erlebt hat, dürfte auch Johannes mitbekommen haben: Der Himmel öffnet sich und der Geist Gottes kommt wie eine Taube auf ihn herab. Und eine Himmelsstimme ist zu hören: „Dieser ist mein geliebter Sohn.“
Gibt das dem Johannes und uns eine Antwort, warum Jesus unbedingt getauft werden wollte? Welche Reinigung hat er gebraucht? Warum wollte er so „die Gerechtigkeit ganz erfüllen“?
Ich sehe nur eine Antwort auf diese Frage, die schon Johannes gestellt hat: Jesus hat die Taufe nicht für sich verlangt, sondern für uns. Später wird Jesus selber seinen bevorstehenden Tod als Taufe bezeichnen, die er bald bekommen werde. Nicht seine, sondern unsere Schuld abzuwaschen war der Sinn seiner Taufe. Dazu ist er gekommen, deshalb nennt ihn Gott seinen geliebten Sohn. Weil wir es nie schaffen, alle unsere Schuld durch ein positives Vorzeichen zu ersetzen, hat er alle unsere Schuld auf sich genommen. Wenn das so ist, warum brauchen wir dann noch die Taufe? Warum dann gar Kinder taufen, die noch keine Schuld begangen haben? Weil Gott selber vor jedes Menschenleben ein positives Vorzeichen setzen will: „Du bist mein geliebtes Kind!“
Matthäus 3,13-17
In jener Zeit kam Jesus von Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen. Johannes aber wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm: Ich müsste von dir getauft werden und du kommst zu mir? Jesus antwortete ihm: Lass es nur zu! Denn so können wir die Gerechtigkeit ganz erfüllen. Da gab Johannes nach. Als Jesus getauft war, stieg er sogleich aus dem Wasser herauf.
Und siehe, da öffnete sich der Himmel und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen. Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.