Manchmal spüren wir ganz deutlich, wie die andere Welt mitten in unserem Alltag da ist, trostvoll, helfend nahe. So wie Jesus damals, beim Frühstück am Seeufer. Deshalb liebe ich das heutige Evangelium so sehr.
Manchmal spüren wir ganz deutlich, wie die andere Welt mitten in unserem Alltag da ist, trostvoll, helfend nahe. So wie Jesus damals, beim Frühstück am Seeufer. Deshalb liebe ich das heutige Evangelium so sehr.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 23. April 2023
Ich liebe dieses Evangelium. Es erinnert mich an unvergessliche Momente am See Genesareth in Galiläa, auch See von Tiberias genannt. Mehrmals konnte ich die Osterwoche dort verbringen, mit Bischofskollegen aus aller Welt, für Tage der Besinnung und Einkehr. Es ist ein besonderes Geschenk, das Evangelium dort zu betrachten, wo es sich abgespielt hat, wo Jesus gelebt, gewirkt hat und wo er nach seiner Auferstehung den Jüngern erschienen ist. Dort ist er immer noch besonders spürbar, so kommt es mir vor.
Das Besondere am heutigen Evangelium ist für mich das Ineinander von zwei Welten, dem schlichten Alltag und der geheimnisvollen Gegenwart Gottes mitten in diesem Alltag. Damals, in der Morgendämmerung, war das greifbar zu spüren, als Jesus unerwartet am Ufer des Sees erschien. Doch ist diese Erfahrung auch heute möglich. Wie sieht sie aus? Begleiten wir die Jünger Jesu und versuchen wir, uns in ihr Erlebnis einzufühlen.
Das Leben geht weiter. Die Jünger Jesu haben dramatische Zeiten erlebt. Sie waren mit Jesus zum Osterfest nach Jerusalem hinaufgezogen. Dort kam es zur großen Krise. Jesus wurde festgenommen, verurteilt und gekreuzigt. Angst und Schrecken seiner Anhänger! Doch dann die Botschaft vom leeren Grab und schließlich Jesus selber, lebend, aber nicht mehr von dieser Welt. Er zeigt sich, doch nur für kurze Momente. Er lebt, aber nicht mehr wie vorher. Er gehört der anderen Welt an, dem Himmel, dem Jenseits. Sie aber leben hier, und dazu braucht es einen Lebensunterhalt. Ganz nüchtern sagt deshalb Petrus: „Ich gehe fischen.“ Das war sein Beruf, damit kennt er sich aus. Die anderen schließen sich ihm an. Der Wiedereinstieg ins Berufsleben erweist sich freilich als schwierig. Sie fangen nichts!
Als der Morgen graut, steht jemand am Ufer und spricht sie an. Will er ihnen frische Fische abkaufen? Da sie nichts zu bieten haben, rät der fremde ihnen, das Fischernetz nochmals auszuwerfen, und jetzt ist es randvoll. „Es ist der Herr!“ Der Lieblingsjünger Johannes hat als erster begriffen, wer der Mann am Ufer ist. Und dann kommt es zu diesem überraschenden Frühstück, zu dem Jesus sie einlädt: „Kommt her und esst!“ Keiner wagt ihn zu fragen, wer er ist, „denn sie wussten, dass es der Herr war“. Bald wird Jesus sich ihren Blicken wieder entziehen. Er ist nicht mehr von dieser Welt, und doch bleibt er ihnen nahe.
Dort, wo dieses geheimnisvolle Morgenmahl stattgefunden hat, am Ufer vom See Genesareth, habe ich immer wieder darüber nachgedacht, was das für mein Leben bedeutet. Ich ahne ein wenig, wie es den Jünger Jesu damals zumute war. Wir leben in zwei Welten, die aber nicht völlig getrennt sind, auch wenn sie sich unterscheiden. Da ist die Welt unseres Alltags, Beruf, Arbeit, Familie, Freunde, tägliche Sorgen, gelegentliche Freuden. Und da ist die andere Welt, die unsichtbare, aber nicht weniger wirkliche Welt der Seele, des Geistigen, des Glaubens. Es ist die jenseitige Welt Gottes, in der die leben, die durch das Tor des Todes gegangen sind. Manchmal spüren wir ganz deutlich, wie die andere Welt mitten in unserem Alltag da ist, trostvoll, helfend nahe. So wie Jesus damals, beim Frühstück am Seeufer. Deshalb liebe ich das heutige Evangelium so sehr.
In jener Zeit offenbarte sich Jesus den Jüngern noch einmal, am See von Tibérias, und er offenbarte sich in folgender Weise. Simon Petrus, Thomas, genannt Dídymus, Natánaël aus Kana in Galiläa, die Söhne des Zebedäus und zwei andere von seinen Jüngern waren zusammen. Simon Petrus sagte zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sagten zu ihm: Wir kommen auch mit. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot. Aber in dieser Nacht fingen sie nichts.
Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. Jesus sagte zu ihnen: Meine Kinder, habt ihr keinen Fisch zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. Er aber sagte zu ihnen: Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus und ihr werdet etwas finden. Sie warfen das Netz aus und konnten es nicht wieder einholen, so voller Fische war es. Da sagte der Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr sei, gürtete er sich das Obergewand um, weil er nackt war, und sprang in den See. Dann kamen die anderen Jünger mit dem Boot – sie waren nämlich nicht weit vom Land entfernt, nur etwa zweihundert Ellen – und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her. Als sie an Land gingen, sahen sie am Boden ein Kohlenfeuer und darauf Fisch und Brot liegen. Jesus sagte zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt! Da stieg Simon Petrus ans Ufer und zog das Netz an Land.
Es war mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen gefüllt, und obwohl es so viele waren, zerriss das Netz nicht. Jesus sagte zu ihnen: Kommt her und esst! Keiner von den Jüngern wagte ihn zu befragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. Jesus trat heran,
nahm das Brot und gab es ihnen, ebenso den Fisch. Dies war schon das dritte Mal,
dass Jesus sich den Jüngern offenbarte, seit er von den Toten auferstanden war.