Oft wird das Beten als das Atmen der Seele bezeichnet. Wenn die Seele nicht außer Atem gerät, sondern zur Ruhe kommt, dann zeigen sich die Früchte des heiligen Geistes. Sie beginnen das Leben zu prägen und zu verwandeln.
Oft wird das Beten als das Atmen der Seele bezeichnet. Wenn die Seele nicht außer Atem gerät, sondern zur Ruhe kommt, dann zeigen sich die Früchte des heiligen Geistes. Sie beginnen das Leben zu prägen und zu verwandeln.
Gedanken zum Evangelium am 28. Mai 2023, Pfingstsonntag
Vor 14 Tagen durfte ich in der Wiener Michaelerkirche 22 Erwachsenen die Firmung spenden, das Sakrament des Heiligen Geistes. Eine Frage begleitete mich dabei: Was bewegt Erwachsene (im Alter zwischen 17 und 48) heute die Firmung zu erbitten? Was erwarten sie sich davon? Um mich auf die Feier vorzubereiten hatte ich alle gebeten, mir einen persönlichen Brief zu schreiben, damit ich eine Idee davon bekomme, was dieser Schritt in ihrem Leben bedeutet. Die Briefe haben mich sehr berührt. Sie haben mir etwas deutlich gemacht, was ich grundsätzlich glaube: dass Gott mit jedem Menschen eine eigene, unverwechselbare Geschichte hat. Ich behalte diese teils sehr persönlichen Zeugnisse vertraulich für mich. Sie haben mich angeregt, über das intensiver nachzudenken, was die Kirche heute feiert: Das Kommen und Wirken des Heiligen Geistes. Wie sieht das praktisch aus? Woran kann man es erkennen? Ändert es etwas in unserem Leben? Was bewirkt die Firmung im Leben dieser 22 Erwachsenen? Was im Leben der vielen tausenden Jugendlichen, die jedes Jahr in Österreich das Sakrament der Firmung empfangen?
In meiner Predigt in den Firmungsfeiern sage ich oft: Ihr werdet wahrscheinlich nicht die Erfahrung machen, die die junge Kirche in Jerusalem am Pfingsttag gemacht hat: ein Brausen vom Himmel her, Zungen wie von Feuer, die sich auf jeden von ihnen niederließen. Ihr werdet auch nicht das Sprachenwunder erleben, sodass ihr in anderen Sprachen zu reden beginnt. Vielleicht werdet ihr im Moment gar nichts Besonders Spüren, denn das Wirken des Heiligen Geistes zeigt sich an den Früchten, nicht in irgendwelchen begeisterten Erlebnissen. Wie aber wirkt er?
Ich singe gerne das Lied: „Atme in uns Heiliger Geist, brenne in uns, Heiliger Geist, wirke in uns Heiliger Geist, Atem Gottes komm!“ Das biblische Wort „ruach“ bedeutet Atem, Hauch. Es ist weiblich und meint das, was den Menschen lebendig macht. Haucht er die „ruach“ aus, dann ist er gestorben. Der Heilige Geist, der Atem Gottes, ist gewissermaßen das Leben unseres Lebens. Bildlich drückt die Bibel das so aus, wenn sie von der Erschaffung des Menschen spricht: Gott „blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen“. Es ist aber kein Zufall, dass in vielen Religionen der Atem eine so wichtige Rolle spielt. Oft wird deshalb das Beten als das Atmen der Seele bezeichnet. Wenn die Seele nicht außer Atem gerät, sondern zur Ruhe kommt, dann zeigen sich die Früchte des heiligen Geistes. Sie beginnen das Leben zu prägen und zu verwandeln. Beim Apostel Paulus ist zu lesen: „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Enthaltsamkeit“. Alle diese Früchte haben eines gemeinsam, sagt Paulus: gegen keine gibt es ein Verbot, keine verstößt gegen das Gesetz. Alle diese Früchte haben eines gemeinsam: sie machen glücklich! Sie tun dem gut, der sie hat, und sie sind ein Segen für die anderen. Sie machen das Zusammenleben nicht unerträglich, sondern zur Freude.
Es bleibt nur eine Frage: Warum atmen wir nicht mehr mit dem Atem Gottes? Warum fehlen die Früchte des Heiligen Geistes so oft? Ich brauche gar nicht die lange Liste zu zitieren, in der Paulus“ die Werke des Fleisches“ aufzählt: Feindschaften, Streit, Eifersucht, Jähzorn, Unzucht, Neid, Spaltungen, Parteiungen, maßloses Trinken und Essen. Sie machen nicht glücklich und sind doch viel zu häufig am Werk. Genau deshalb betet die Kirche um den Heiligen Geist. Darum gibt es das Sakrament der Firmung. Es soll firm und fest machen und mit dem starken Atem Gottes ausrüsten.
Apostelgeschichte 2, 1-11
Als der Tag des Pfingstfestes gekommen war, waren alle zusammen am selben Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. Sie waren fassungslos vor Staunen und sagten: Seht! Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadokien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Kyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, Juden und Proselyten, Kreter und Araber - wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden.