Was Jesus damit meinte, sollte Nikodemus sozusagen am eigenen Leib erfahren. Seine Begegnung mit Jesus hat sein Leben verändert. Nach dieser Nacht war er derselbe und doch ein anderer.
Was Jesus damit meinte, sollte Nikodemus sozusagen am eigenen Leib erfahren. Seine Begegnung mit Jesus hat sein Leben verändert. Nach dieser Nacht war er derselbe und doch ein anderer.
Gedanken zum Evangelium von Kardinal Christoph Schönborn am 4.6. 2023.
Es gibt Begegnungen, die ein Leben für immer verändern. Vorher und Nachher sind anders. Um eine solche Begegnung geht es im heutigen Evangelium. Nikodemus, ein Mitglied des Hohen Rates in Jerusalem, wollte den Mann aus Galiläa kennenlernen, von dem damals überall die Rede war. Er hatte viel über Jesus von Nazareth gehört. Er wusste, dass er sehr umstritten war. Die meisten seiner Ratskollegen lehnten ihn ab. Sie sahen in Jesus einen gefährlichen religiösen Neuerer. Manche dachten ernsthaft daran, ihn umzubringen. So war es nicht verwunderlich, dass Nikodemus nicht offen sein Interesse an Jesus bekanntgab. Nur unter dem Schutz der Nacht wagte er es, Jesus aufzusuchen. Das Nachtgespräch mit dem Rabbi aus Galiläa dürfte wohl der Wendepunkt in seinem Leben gewesen sein. Äußerlich zeigte sich das bald, als Nikodemus es wagte, vor dem Hohen Rat offen für Jesus einzutreten. Er wird schließlich den Mut haben, zusammen mit Joseph von Arimathäa, seinem Ratskollegen, für ein würdiges Begräbnis Jesu zu sorgen.
Nikodemus interessierte sich für die Lehre Jesu, aber mehr noch für seine Person. Das spürt man aus den Worten, die er zu Jesus sagt: „Rabbi, wir wissen, du bist ein Lehrer, der von Gott gekommen ist; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, wenn nicht Gott mit ihm ist.“ Wer bist du? Woher kommst du? Bis heute ist diese Frage der eigentliche Streitpunkt, um den es schon damals in Jerusalem ging. Er bewegt nach wie vor die Auseinandersetzungen um Jesus: Ist er der Messias? Ist er der Sohn Gottes? Nikodemus hat eine Antwort gefunden. Bis heute kann sie nur ganz persönlich gefunden werden. Um sie geht es im heutigen Abschnitt aus dem Nachtgespräch Jesu mit Nikodemus.
Was Jesus zu Nikodemus sagt, ist wunderschön und voller Hoffnung. Es reizt aber auch zum Widerspruch: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab...“ Groß und stark ist dieses Wort: Gott liebt die Welt! Sie ist für ihn kein hoffnungsloser Fall, kein Unfall der Evolution. Lieben heißt bejahen. Gott bejaht diese Welt. Das ist gegen alle Pessimisten gesagt. Es ist frohe Botschaft, Zusage an eine oft taumelnde, bedrohte Welt.
Groß und stark ist auch die zweite Zusage Jesu: Gott geht es nicht darum, die Welt zu richten, sondern darum, dass sie gerettet wird. Heute ist viel vom Retten der Welt die Rede und davon, dass wir Menschen sie durch unseren Lebensstil zugrunde richten. Manche meinen, der Klimawandel sei so weit fortgeschritten, dass die Welt gar nicht mehr zu retten sei. Mich besorgt, dass diese Katastrophenszenarien bei vielen, besonders auch bei jungen Menschen, ein lähmendes Gefühl der Ohnmacht bewirken. Was kann der Einzelne schon verändern? Gerade da setzt Jesus an. Für ihn kommt es auf jeden Einzelnen an. In seinem Nachtgespräch mit Nikodemus sagt er in etwas rätselhaften Worten, was in seiner Sicht wirklich die Welt verändert. Jesus überrascht Nikodemus mit einem Wort, das dieser anfangs völlig missversteht: „Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen.“ Nikodemus fragt erstaunt zurück: „Wie kann ein Mensch, der schon alt ist, geboren werden?“ Jesus spricht von einer Wiedergeburt. Was Jesus damit meinte, sollte Nikodemus sozusagen am eigenen Leib erfahren. Seine Begegnung mit Jesus hat sein Leben verändert. Nach dieser Nacht war er derselbe und doch ein anderer. Seine „Wiedergeburt“ war, dass er an Jesus glauben konnte. Er hat an sich selber erfahren, was Jesus ihm gesagt hat, dass „jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.“ Doch was hilft das zur Rettung der Welt? Kann der Glaube die Welt vor den Katastrophen bewahren? Wohl nicht. Aber er hat Menschen wie Nikodemus die Kraft und den Mut gegeben, gegen den Strom zu schwimmen. Es gibt sie auch heute. Sie geben vielen Hoffnung! Sie verändern die Welt!
Joh 3, 16–18
In jener Zeit sprach Jesus zu Nikodemus: Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt,damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des einzigen Sohnes Gottes geglaubt hat.