Jesus warnt nicht nur vor den echten Gefahren. Er spricht vor allem von einem großen, unerschütterlichen Vertrauen. Kein Spatz fällt zu Boden ohne Gottes Willen. „Bei euch sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. Fürchtet euch also nicht!“
Jesus warnt nicht nur vor den echten Gefahren. Er spricht vor allem von einem großen, unerschütterlichen Vertrauen. Kein Spatz fällt zu Boden ohne Gottes Willen. „Bei euch sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. Fürchtet euch also nicht!“
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 25. Juni 2023
Wovor fürchte ich mich? Und wovor nicht? Jesus spricht ein Thema an, das jeden Menschen betrifft. Niemand ist völlig furchtlos. Alle kennen wir Situationen, in denen wir Furcht erlebt haben, die sich dann als unbegründet erwiesen hat. Und Situationen, in denen es besser gewesen wäre, sie zu fürchten, wir aber zu leichtsinnig waren.
Jesus beginnt mit einem Wort, das mir viele Fragen stellt: „Fürchtet euch nicht vor den Menschen!“ Menschenfurcht ist die wohl am meisten verbreitete Angst. Ich will hier keine öffentliche Beichte ablegen. Ich muss aber gestehen, dass ich mit diesem Wort Jesu zu kämpfen habe. Es trifft mich, wenn Menschen mir Hasspostings schicken. Manchen Menschen scheint es egal zu sein, ob sie anecken und sich Feinde schaffen. Es stimmt schon: Man kann es nicht allen Menschen recht machen. Aber muss man deshalb möglichst viele verärgern? Ist es nicht wünschenswert, mit den Menschen in Frieden zu leben? Ich wünsche mir das!
Jesus spricht freilich Situationen an, in denen unser leibliches Leben bedroht ist: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können“. Unser ganzes Nervensystem ist so gebaut, dass es auf Gefahr für das leibliche Leben reagiert. Deshalb ist die Angst vor Lebensgefahr so tief in uns verankert. Es ist heilsame Furcht, die uns davor warnt, unsere Gesundheit, unser Leben aufs Spiel zu setzen. Ich erinnere mich immer an das Wort eines alten Priesters, der mir sagte: „Gesegnet seien deine Ängste, die dich vor diesem Fehler bewahrt haben!“ Manchmal vermeiden wir Sünden nicht, weil wir so tugendhaft sind, sondern weil wir die Folgen fürchten.
Wie oft höre ich den Spruch: Das Wichtigste ist die Gesundheit! Ich komme mir dann ein wenig wie ein Schullehrer vor, wenn ich erwidere: Die Gesundheit ist das Zweitwichtigste! Denn was nützt die beste Gesundheit des Leibes, wenn die Seele Schaden leidet? Es gibt Schwerkranke, die wunderbare Menschen sind. Und es gibt Kerngesunde, die unmenschlich und bösartig sind. Jesus hat dafür ein schockierend ernstes Wort: „Fürchtet euch eher vor dem, der Seele und Leib in der Hölle verderben kann!“ Es ist nicht modern, von der Hölle zu sprechen. Jesus tut es aber. Wer ist es, der uns in die Hölle stürzen kann? Ist das Gott? Müssen wir also Gott fürchten? Soll Höllenangst unser Leben vergiften? Ich sehe dieses Wort Jesu als eine ernste Warnung an mich selber. Wir sagen von jemandem, der auf falschen Lebenswegen geht: Er läuft in sein Verderben! Damit meinen wir nicht nur materielle Schäden. Es gibt die Gefahr, den Sinn und das Ziel des Lebens zu verfehlen. Das sollen wir fürchten. Also doch in ständiger Angst leben? Das wäre unerträglich und lebensfeindlich.
Jesus warnt nicht nur vor den echten Gefahren. Er spricht vor allem von einem großen, unerschütterlichen Vertrauen. Kein Spatz fällt zu Boden ohne Gottes Willen. „Bei euch sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. Fürchtet euch also nicht!“ Gott bewahrt uns nicht vor dem Fallen, auch nicht vor Krankheit, vor dem Verfall unserer Kräfte, vor dem Verlust der Gesundheit und letztlich vor dem Tod. Aber so wie kein Spatz zu Boden fällt „ohne den Willen eures Vaters“, so fallen auch wir nicht ins Nichts, sondern in seine guten Hände. Bei allem, was Angst bereitet, und leider nur allzu oft berechtigterweise - stärker ist das: „Fürchtet euch nicht!“
Matthäus 10,26-33
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Aposteln: Fürchtet euch nicht vor den Menschen! Denn nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt wird, und nichts ist verborgen, was nicht bekannt wird. Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet im Licht, und was man euch ins Ohr flüstert, das verkündet auf den Dächern! Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können, sondern fürchtet euch eher vor dem, der Seele und Leib in der Hölle verderben kann! Verkauft man nicht zwei Spatzen für einen Pfennig? Und doch fällt keiner von ihnen zur Erde ohne den Willen eures Vaters. Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. Fürchtet euch also nicht! Ihr seid mehr wert als viele Spatzen. Jeder, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen.