Was wäre für dich ein Fund wie der Schatz im Acker, die kostbare Perle? Wofür würdest du alles einsetzen? Wann könntest du sagen: Ich habe den Sinn meines Lebens gefunden?
Was wäre für dich ein Fund wie der Schatz im Acker, die kostbare Perle? Wofür würdest du alles einsetzen? Wann könntest du sagen: Ich habe den Sinn meines Lebens gefunden?
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 30 . Juli 2023.
In meinen jungen Jahren hatte ich das Glück, zwei Semester Vorlesungen bei Viktor Frankl (1905-1997) zu hören. Es waren die unruhigen Jahre der Studentenrevolten in vielen Teilen Europas (1967-68). Als Psychologiestudent an der Wiener Universität war ich selber auf der Suche nach Orientierung. Vieles, fast alles, wurde damals in Frage gestellt. Wohin geht die Entwicklung? Viele von uns Jungen sahen die einzige Hoffnung in einer Revolution. Die Gesellschaft muss von Grund auf verändert werden. Das könne nur durch einen völligen Umsturz der Verhältnisse geschehen. Der Marxismus schien nicht wenigen als die Lösung aller Übel. Die Vorlesungen des Wiener Arztes und Psychiaters Viktor Frankl waren für mich, den damals 22-Jährigen, eine Entdeckung. Frankl war jüdischer Herkunft. Er hatte die Grauen der KZ der Nazis überlebt. Sein Lebenszeugnis beeindruckte nicht nur mich. Weltweit wurde auf seine Stimme gehört. Seine Lehre als Arzt und Therapeut hatte eine klare Mitte: Es gibt nichts Wichtigeres für die seelische Heilung als das Finden des Sinnes im Leben. Ohne einen Sinn des Lebens wirst du krank. Frankls Psychotherapie ist deshalb ganz darauf ausgerichtet, den Sinn des eigenen Lebens (wieder) zu finden.
Die beiden kurzen Gleichnisse Jesu handeln vom Finden des Wichtigsten im Leben. Jesus nennt es „das Himmelreich“. Warum kommt mir dabei Viktor Frankl in den Sinn? Weil es auch in den beiden Gleichnissen Jesu um alles geht, um das, was dem Leben wirklich Sinn gibt. Sehen wir sie uns näher an.
In beiden geht es um einen Glückstreffer. In beiden entscheidet sich der glückliche Finder dafür, alles daranzusetzen, den kostbaren Fund zu erwerben. Die Freude des Finders ist so groß, dass er alles verkauft, was er besitzt, um den unschätzbaren Fund zu erwerben. Wer sind die beiden Finder? Der erste dürfte ein armer Landarbeiter gewesen sein. Als Taglöhner arbeitet er auf dem Acker eines Bauern. Beim Ackern stößt er auf etwas Hartes, gräbt nach und findet ein Tongefäß voller Silber- oder Goldmünzen. Statt sofort den Besitzer des Ackers zu informieren, verheimlicht er seine Entdeckung, verkauft sein Hab und Gut, beschwätzt den Bauern, ihm diesen Acker zu verkaufen und wird so auf recht unehrliche Weise Eigentümer des Ackers und des verborgenen Schatzes.
Der perlensuchende Kaufmann stößt eines Tages auf die Traumperle seines Lebens. Er hat nur mehr einen Gedanken: Er muss diese unfassbare schöne und wertvolle Perle erwerben! Sie ist ihm mehr wert als all sein Besitz. In beiden Gleichnissen geht es um etwas, das kostbarer ist als alles andere im Leben. Es ist klar, was Jesus meint: der Schatz im Acker, die besonders wertvolle Perle, sie stehen beide für das Himmelreich. Aber was ist das? Kann man es erwerben? Ist es käuflich? Jesus nennt es auch das „Reich Gottes“ und er lehrt uns, täglich darum zu beten: „Dein Reich komme!“ Jesus hat nie gesagt, was er genau darunter versteht. Er hat in Bildern davon gesprochen. Heute fragt er uns: Was wäre für dich ein Fund wie der Schatz im Acker, die kostbare Perle? Wofür würdest du alles einsetzen? Wann könntest du sagen: Ich habe den Sinn meines Lebens gefunden?
In jener Zeit sprach Jesus zu den Jüngern: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn und grub ihn wieder ein. Und in seiner Freude ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte den Acker. Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle Perle fand, ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte sie.