In der Bibel ist das Öl immer ein Bild für das freudige, kräftige, gesunde Leben. Ein Leben, das mit dem Tod zu Ende geht, ist für Jesus nicht das volle Leben.
In der Bibel ist das Öl immer ein Bild für das freudige, kräftige, gesunde Leben. Ein Leben, das mit dem Tod zu Ende geht, ist für Jesus nicht das volle Leben.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 12. November 2023
Von Woody Allen stammt das Wort: „Ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich möchte nur nicht da sein, wenn er kommt.“ Es ist ein Scherzwort, hat aber einen bitteren Beigeschmack. Der Tod kommt ganz gewiss. Es nützt nichts, ihn zu verdrängen: „Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.“ Jesus hat viel vom Tod gesprochen, in Gleichnissen und Bildern. Aber handelt das heutige Gleichnis überhaupt vom Tod? Es geht doch um eine Hochzeit und nicht um ein Begräbnis. Jesus hat oft von Hochzeiten gesprochen, und immer geht es um etwas ganz Freudiges.
Jesus ist selber gerne auf Hochzeiten gegangen. Er hat mit den Menschen die Freude geteilt. Einmal hat er sogar ein Wunder gewirkt, damit die Festgäste nicht ohne Wein bleiben. So ist es nicht verwunderlich, dass er vom Reich Gottes häufig im Bild einer freudigen Hochzeit spricht. Im heutigen Gleichnis geht es darum, sich gut auf das Fest vorzubereiten. Eine Hochzeit kann völlig danebengehen, wenn schwere Fehler beim Vorbereiten des Festes geschehen. Dann kann die ganze Freude kippen in eine peinliche Pannenserie.
Lampen ohne (genügend) Öl mitzunehmen, diese praktische Seite des Gleichnisses, lässt sich auf viele Bereiche anwenden. Vorsorgen ist eine Form der Liebe. Das gilt für die Einrichtungen des Sozialstaates, die helfen, dass Menschen nicht ganz abstürzen. Nicht nur an sich denken, sondern an den gemeinsamen Auftrag als „Kranzljungfern“: Man kann es das Öl der Aufmerksamkeit nennen. Es soll und darf nicht ausgehen! Das Öl der Freundschaft macht wach für das, was die anderen brauchen.
In der Bibel ist das Öl immer ein Bild für das freudige, kräftige, gesunde Leben. Ein Leben, das mit dem Tod zu Ende geht, ist für Jesus nicht das volle Leben. Das Bild vom Hochzeitssaal, von seinen Türen, die sich öffnen und schließen, ist das beliebteste Gleichnis für das ewige Leben. Der Himmel – der Hochzeitssaal des Bräutigams Christus! So hat dieses Gleichnis Jesu nicht nur mit der guten Vorbereitung unseres Alltags zu tun. Der Tod ist, so Jesus, die Einladung in das große Fest des Lebens.
Mir stellt sich bei diesem Gleichnis die Frage, ob heute der Tod als Tor zu einer unvorstellbaren Freude gesehen wird. Welches Bild vom Sterben herrscht in unserer Gesellschaft vor? Die törichten Jungfrauen verdrängen den Tod: Es wird immer noch Zeit sein, sich auf den Tod einzustellen, wenn er anklopft. Das Jedermann-Drama bringt das äußerst anschaulich zum Ausdruck. Die Alten wussten, wie wichtig es ist, nicht unvorbereitet zu sterben. Das Leben als Vorbereitung auf das Sterben? Ist das nicht allzu lebensfeindlich, freudlos und pessimistisch? Ist es vielleicht genau umgekehrt? Die Freude am Leben hier auf dieser Welt wird einem durch den Ausblick auf das ewige Leben nicht verdorben. Die Französin Gabrielle Bossis sagt: „Betrachtest du den Tod wie ein Fest, das du selber schon vorbereiten willst? Mit welcher Sorgfalt bereitet man auf Erden die Empfänge vor! Erfordert die Begegnung im Jenseits nicht deine größte Sorgfalt?“
Ein Hindernis, sich auf das Gleichnis Jesu einzulassen, ist die scheinbare (oder wirkliche) Härte des Bräutigams, der die unklugen „Kranzljungfern“ einfach ausschließt: „Ich kenne euch nicht!“ Bleibt das Fest im Hochzeitssaal letztlich exklusiv für die tüchtigen Brautführerinnen? Haben im Himmel nur die Braven Platz? Ein Fest für die Frommen? Finde ich da noch Platz im großen Festsaal? Wenn deine Lampe mit dem Öl der Nächstenliebe brennt, dann wird sie sicher nicht ausgehen. Dann wartet auf dich der Himmel!
In jener Zeit erzählte Jesus seinen Jüngern das folgende Gleichnis: Mit dem Himmelreich wird es sein wie mit zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und dem Bräutigam entgegengingen. Fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug. Die törichten nahmen ihre Lampen mit, aber kein Öl, die klugen aber nahmen mit ihren Lampen noch Öl in Krügen mit. Als nun der Bräutigam lange nicht kam, wurden sie alle müde und schliefen ein. Mitten in der Nacht aber erscholl der Ruf: Siehe, der Bräutigam! Geht ihm entgegen! Da standen die Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen zurecht. Die törichten aber sagten zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, sonst gehen unsere Lampen aus! Die klugen erwiderten ihnen: Dann reicht es nicht für uns und für euch; geht lieber zu den Händlern und kauft es euch! Während sie noch unterwegs waren, um es zu kaufen, kam der Bräutigam. Die Jungfrauen, die bereit waren, gingen mit ihm in den Hochzeitssaal und die Tür wurde zugeschlossen. Später kamen auch die anderen Jungfrauen und riefen: Herr, Herr, mach uns auf! Er aber antwortete ihnen und sprach: Amen, ich sage euch: Ich kenne euch nicht. Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.