Jesus kennen wir vor allem durch die Evangelien. Durch sie können wir geistig mit Jesus gehen, ihm nachfolgen. Beim heutigen Abschnitt aus dem Markusevangelium erlebe ich das besonders eindrucksvoll.
Jesus kennen wir vor allem durch die Evangelien. Durch sie können wir geistig mit Jesus gehen, ihm nachfolgen. Beim heutigen Abschnitt aus dem Markusevangelium erlebe ich das besonders eindrucksvoll.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 4. Februar 2024
Was macht das Wesentliche am Christentum aus? Seine Lehren? Seine Kultur? Seine Geschichte? Das ist alles wichtig. Aber das Wesentliche ist etwas anderes, genauer: jemand! Man hat zu Recht oft gesagt: Das Christentum besteht vor allem in der Nachfolge Jesu. „De imitatione Christi“ ist der Titel eines der meistgelesenen geistlichen Bücher. Es stammt aus dem 15. Jahrhundert. Sein Verfasser ist Thomas von Kempen (1380-1471). Es wurde unzählige Male nachgedruckt und findet bis heute seine Leser.
Um die Nachfolge Christi geht es im Evangelium. Der große Bibelübersetzer, der heilige Hieronymus (347-420) hat gesagt: „Die Bibel nicht kennen, heißt Christus nicht kennen.“ Jesus kennen wir vor allem durch die Evangelien. Durch sie können wir geistig mit Jesus gehen, ihm nachfolgen. Beim heutigen Abschnitt aus dem Markusevangelium erlebe ich das besonders eindrucksvoll. Manchmal hilft auch die Archäologie, Jesus noch anschaulicher begleiten zu können.
Die Szene spielt sich in Kapharnaum ab, einer kleinen Stadt am See Genesareth, in der Simon Petrus zu Hause war. Gerade ist der Synagogengottesdienst zu Ende. Dank der beeindruckenden Reste dieser Synagoge kann man sich gut vorstellen, wie Jesus dort gepredigt hat, am Anfang sehr erfolgreich, später mit immer mehr Ablehnung bis zum dramatischen Wendepunkt, als viele Leute und selbst ein Teil seiner Jünger sich von ihm abwandten.
Der heutige Pilger kann Jesus nachfolgen, wie er von der Synagoge hinüber „in das Haus des Simon und Andreas“ ging. Es liegt nur einige Häuser weiter, inzwischen mit einer modernen Kirche überbaut. Mich bewegt es immer wieder, auf den Steinen zu gehen, auf denen Jesus damals ging. Wir erfahren, dass Simon Petrus eine Schwiegermutter hatte, also verheiratet war, auch wenn die Namen von Mutter und Tochter nicht überliefert sind. Von ihrem Fieber geheilt, dient sie gleich den Gästen.
Es wird Abend. Das Haus des Petrus ist wie belagert: „Die ganze Stadt war vor der Haustür versammelt.“ Jesus heilt viele und wirkt als Befreier von bösen Mächten, bis schließlich die Nacht alle umfängt.
Am meisten berührt mich die Morgenszene. Es ist noch dunkel. Jesus steht unbemerkt auf und geht „an einen einsamen Ort, um zu beten“. Wenn das Christentum Nachfolge Jesu ist, dann ist es in erster Linie die seines Betens. Es hat seine Jünger offensichtlich tief beeindruckt. Sie wollten von ihm lernen, wie sie beten sollen, und er hat sie vor allem ein Gebet gelehrt, das bis heue das wichtigste Gebet aller Christen ist: das Vaterunser. Jesus nachahmen heißt, zu Gott eine Vertrauensbeziehung haben zu dürfen, Gott so anzusprechen, wie sie es bei Jesus erlebt haben: als Vater.
Jesus suchen! Das ist das Herzstück der Nachfolge Jesu. An diesem Morgen hieß das ganz praktisch: Simon Petrus und die anderen merken beim Aufwachen, dass Jesus nicht im Haus ist. Sie eilen, ihn zu suchen, „und als sie ihn fanden, sagten sie zu ihm: Alle suchen dich!“
Das christliche Leben ist ein Suchen nach Jesus, und immer wieder ein Finden. Jesus gehört nicht dem Simon und auch nicht uns. Er ist nicht Eigentum der Christen. Wir können ihn nicht festhalten. Es drängt ihn, weiterzugehen, nicht in Kapharnaum und nicht in unseren Kirchen sitzen zu bleiben: „Lasst uns anderswohin gehen“, von Dorf zu Dorf, und bald schon von Land zu Land. In Galiläa, nahe von Kapharnaum, wird Jesus nach seiner Auferstehung seine Apostel ausschicken: Geht hinaus in alle Welt! Aber er wird ihnen vorausgehen. Sie werden ihn finden, wo immer sie hinkommen. Er hat ihnen versprochen: „Ich bin bei euch alle Tage, bis ans Ende der Zeit.“
Das Christentum ist eine Beziehung, eine Weggemeinschaft, eine Freundschaft mit Jesus. Gott wird für uns auf Erden immer unsichtbar bleiben. Aber Jesus ist anschaulich, eine Einladung, ihm nachzufolgen.
Markus 1,29-39
In jener Zeit ging Jesus zusammen mit Jakobus und Johannes in das Haus des Simon und Andreas. Die Schwiegermutter des Simon lag mit Fieber im Bett. Sie sprachen sogleich mit Jesus über sie und er ging zu ihr, fasste sie an der Hand und richtete sie auf. Da wich das Fieber von ihr und sie diente ihnen. Am Abend, als die Sonne untergegangen war, brachte man alle Kranken und Besessenen zu Jesus. Die ganze Stadt war vor der Haustür versammelt und er heilte viele, die an allen möglichen Krankheiten litten, und trieb viele Dämonen aus. Und er verbot den Dämonen zu sagen, dass sie wussten, wer er war. In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand er auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten. Simon und seine Begleiter eilten ihm nach, und als sie ihn fanden, sagten sie zu ihm: Alle suchen dich. Er antwortete: Lasst uns anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort verkünde; denn dazu bin ich gekommen. Und er zog durch ganz Galiläa, verkündete in ihren Synagogen und trieb die Dämonen aus.